Duisburg. Exotische Pflanzen und Tiere – oft als „blinde Passagiere“ eingewandert – breiten sich aus. Industriebrachen sind beliebte Lebensräume. Die Vegetation im Landschaftspark Duisburg-Nord beispielsweise ist zu 30 Prozent nicht heimischen Ursprungs. Biologin rät, den Zuwanderern gelassen zu begegnen.
Das Ruhrgebiet war nicht nur schon immer ein Schmelztiegel für Menschen aus aller Herren Länder. Auch Neubürger aus der Tier- und Pflanzenwelt fühlen sich hier zunehmend wohl. Güterströme bringen exotische Tiere und Pflanzen in die Region, auf Industriebrachen finden viele hervorragende Lebensbedingungen.
Auch wenn einige Arten als „invasiv“ gelten, angeblich heimische Tiere und Pflanzen verdrängen, rät Katrin Unseld, Biologin an der Biostation Westliches Ruhrgebiet (BSWR) zur Besonnenheit: „Das ist alles relativ und kein Grund zur Panikmache. Die meisten Arten bereiten der Natur keine Probleme.“
Exotische Spinnen und Quallen
Schlagzeilen in Duisburg machte vor einiger Zeit ein exotisches Spinnentier, der Riesenweberknecht Leiobunum. Der Krabbler hat einen kleinen Körper (0,5 Zentimeter) aber bis zu 18 Zentimeter Beinspannweite und knubbelt sich tagsüber in großen Haufen zusammen. Wohl mit einem Holztransport aus Marokko kam der kuriose Knecht ins Land. Eine Hobbyfotografin knipste das Tier 2006 erstmals in Deutschland – im Landschaftspark Duisburg Nord. Wohl von Lastschiffen eingeschleppt wurde die chinesische Wollhandkrabbe (benannt nach den Borsten auf ihrem Scherenarm); längst ist sie heimisch in Rhein und Ruhr. Selten wird die chinesische Süßwasserqualle (2,5 Zentimeter Durchmesser) in Duisburg gesichtet: In der Sechs-Seen-Platte, im Rhein-Herne-Kanal, im Haubachsee.
Unspektakulärer – aber weit stärker als Tiere verbreiten sich eingeschleppte grüne Exoten. Biologin Katrin Unseld schätzt, dass mittlerweile 30 Prozent der Vegetation im Landschaftspark keine heimischen Pflanzen sind. „Und es fällt gar nicht auf, dass die da nicht hingehören.“
Indisches Springkraut vertreibt Brennnesseln
Gerade Industriebrachen wie der Landschaftspark seien ein Paradies für die grüne Zuwanderung. Güterverkehr hat viele fremde Samen auf die Flächen eingeschleppt; der oft große Schotteranteil im Boden heizt die Böden im Sommer auf über 40 Grad auf. Optimal für wärmeliebende Arten aus heißen Länden. „Ein Gänseblümchen würde da verbrennen“, so Unseld.
Nicht alle botanischen Zuwanderer sind als blinde Passagiere gekommen, viele hat der Mensch bewusst importiert. Der problematische Riesenbärenklau (auch Herkulesstaude) etwa wurde zuerst von Imkern angepflanzt – weil er viele Pollen für die Bienen produziert. Der riesige Doldenblütler, dessen Saft auf der Haut unter UV-Licht Verbrennungen erzeugt, ist in Duisburg übrigens noch nicht so verbreitet, wie in vielen anderen Regionen. „Hier geht es noch“, so Unseld. Bestände gibt es vor allem an der unteren Ruhr, an der kleinen Emscher, an Bahndämmen und Straßen, weil Fließgewässer und Fahrtwind von Autos und Zügen die Samen tragen. Etliche Exoten sind schlicht aus Gärten ausgebüchst, mit dem Kompost verteilt.
Wie gefährlich die Zuwanderer für heimische Arten sind, ist umstritten. Zwar breiten sich viele stark aus. Aber es gebe bisher keine Nachweise, dass Exoten heimische Arten gänzlich verdrängen, erklärt Biologin Unseld. Und manchmal kann dieser Effekt auch ganz nett sein: Wo das indische Springkraut gedeiht, wachsen keine Brennnesseln mehr . . .