Duisburg.. Bei der Lesung mit Lars von der Gönna und Werner Boschmann in Hamborn steht ein Graf im Fokus, der einst für ein Jahr unter Tage malochte.


Aus dem Buch „Meine Erlebnisse als Bergarbeiter im Ruhrgebiet“ von Alexander Stenbock-Fermor lesen Lars von der Gönna und Werner Boschmann am Mittwoch, 3. April, um 19.30 Uhr in der Buchhandlung „Lesezeichen“ an der Emscherstraße 213 in Alt-Hamborn.

Der Graf hat von 1922 bis 1923 ein Jahr lang als Schlepper bei der Zeche Gewerkschaft Friedrich Thyssen, Schacht IV, in Hamborn gearbeitet. „Ohne Beschönigung oder Übertreibung erzähle ich nur das, was ich mit eigenen Augen gesehen und eigenen Ohren gehört habe. Wenn es mir gelingen sollte, das Verstehen für die in schwerer Arbeit und dumpfer Not lebenden Bergarbeiter zu heben, ist das erreicht, was mir als Sinn dieser Schrift vorschwebt“, schrieb er im Vorwort. WAZ-Kulturredakteur Lars von der Gönna beantwortet drei Fragen zum Thema.

Lars von der Gönna (l.) und Werner Boschmann sind regelmäßig in der Buchhandlung „Lesezeichen“ in Alt-Hamborn zu Gast.
Lars von der Gönna (l.) und Werner Boschmann sind regelmäßig in der Buchhandlung „Lesezeichen“ in Alt-Hamborn zu Gast. © Unbekannt | Unbekannt






Was macht den Reiz dieser Reise in die Bergbau-Vergangenheit aus?

Dieser Graf war so etwas wie ein früher Günter Wallraff. Der Mann wollte wirklich wissen, wie es unter Tage zugeht. Und er hat eben nicht bloß reingeschnuppert. Ein Jahr lang schuftete er dort. Und die echten Bergleute nahmen ihn richtig ran, das „Gräflein“ sollte sehen, was harte Arbeit ist. Er bot ihnen aber auch etwas: eine literarische Stimme. Sie hatten ja überhaupt nicht die Sprache, über dieses Leben zu schreiben. Als das Buch später erschien, hat er sie im „Bullenkloster“ von Hamborn noch einmal besucht. Sie waren stolz auf ihn.

Warum ist es denn so anders als viele Bücher, die zum Abschied von der Steinkohleerschienen sind?

Das sind Aufzeichnungen ohne Romantik, da wird nichts beschönigt. Unser Bild vom Bergbau zehrt im Grunde vom Wirtschaftswunder: putzige Häuschen, Gärten, Tauben, ein angesehener Beruf. In den 20er Jahren war das in Duisburg völlig anders. Lauter Zugewanderte, die im Ledigenheim unter ärmlichsten Bedingungen hausten. Eine Region in Goldgräberstimmung, rau und gefährlich…

Wie fließt Hamborn über- und unterirdisch in die Lesung ein?

Ich habe mit dem Revier-Verleger Werner Boschmann an allen möglichen Orten diese Lesung machen dürfen. Aber in Hamborn, das ist wirklich etwas Besonderes! Irgendwo 500 Meter unter uns hat hier in einem Schacht der Zeche Gewerkschaft Friedrich Thyssen vor fast 100 Jahren der Autor als Schlepper geschuftet. Bei der ersten ausverkauften Lesung waren Besucher da, die Geschichten von ihren Eltern und Großeltern aus dieser Zeit erzählten. Mehr Geschichte zum Anfassen geht eigentlich nicht.