Duisburg. Karin Spörer aus Duisburg strickt Pullover für frierende Zwergpinguine. Sie schickt die Pullover nach Hamburg von wo aus sie weiter nach Australien verschickt werden. Dort wärmen die Pullis Pinguine, die durch Öl verseucht wurden, nach der Reinigung.

Karin Spörer weiß, was schick ist. 25 Jahre lang hat sie feinste Wirkware an die Frau gebracht. In der Düsseldorfer Kö-Galerie hat sie bis Ende vergangenen Jahres edle Dessous mit Samt und Seide, Spitze und Stickerei verkauft. Doch seit gut zwei Monaten schlägt das Herz der agilen 67-jährigen für Grobstrick, selbst genadelt. Nun strickt sie nicht etwa Unterwäsche für Bio-Fans und Naturliebhaberinnen. Aber für Naturburschen und -mädels irgendwie schon, allerdings tragen die natürlicherweise Frack: Karin Spörer strickt Pullover für Pinguine. Kein Scherz!

Genauer gesagt: Sie strickt Pullis für Zwergpinguine in Australien. Es ist nicht ihre Idee, aber eine, die Karin Spörer toll fand, als sie im Nachmittagsfernsehen des NDR Angelika Regenstein gesehen hat. Die Reisebüroinhaberin aus Glinde bei Hamburg hat die Hilfsaktion, die hinter den Pullovern steckt in Deutschland verbreitet. Ins Leben gerufen haben die Aktion Naturschützer des „Phillip Island Rehabilitation Centre“ in Australien. Phillip Island, eine Insel, die circa 120 Kilometer südlich der Metropole Melbourne liegt, ist die Heimat von ungefähr 60.000 Zwergpinguinen. Nach einem Öl-Unfall im Jahr 2001 auf der Insel konnten die Tierexperten durch die Pullover gut 400 ölverschmierte Tiere retten und später wieder auswildern.

Maschen gegen Gift

Wie ein Mitarbeiter des Nationalparks Phillip Island erklärte, waren zuvor in solchen Fällen alte Kleidungsstücke genutzt worden. Doch die konnten die Vögel abstreifen. Mit der Maschenware gelingt das nicht mehr. Der grobe Strick schützt sie nun bei einem Öl-Unfall davor, das verschmierte Gefieder mit dem Schnabel zu reinigen und sich durch verschluckte Öl-Klumpen selbst zu vergiften. Zudem wärmen die Überzieher die Tiere, wenn die Federn vom Öl so verklebt sind, dass sie die Kälte nicht mehr abwehren können. Genau deshalb kommt der Wollanzug auch nach der Gefiederreinigung zum Einsatz, weil der natürliche Fettschutz auch aus den Federn gewaschen wird.

Im Juli 2000 kamen die Pullis auch in Südafrika zum Einsatz. Foto: Getty Images
Im Juli 2000 kamen die Pullis auch in Südafrika zum Einsatz. Foto: Getty Images © Unbekannt | Unbekannt

„Das ist doch mal was Sinnvolles“, dachte Karin Spörer und rief beim Sender in Hamburg an. „Die haben wie alle erstmal über die Pinguin-Pullover gelacht.“ Doch nach einigen Tagen hausinterner Recherche erhielt die Duisburgerin eine Strickanleitung und die Kontaktdaten von Angelika Regenstein. Seitdem gehört die Frau aus Wanheimerort zur weltweiten Gemeinschaft von Stricklieseln, die für die kleinen Frackträger die Nadeln schwingen. 30 Mini-Pullis hat sie inzwischen schon gefertigt. Abends beim Fernsehen, so nebenbei. „Mir war das schon immer zu langweilig, nur auf den Bildschirm zu starren“, meint sie. Erst hat sie alte Wollreste verarbeitet, jetzt kauft sie preiswertes Garn, um weitermachen zu können. Auch von exklusiven Modellen hat sie inzwischen Abstand genommen. „Anfangs hab’ ich mit Zopfmustern gestrickt und all so ‘en Gedöns“, lacht Karin Spörer. „Dabei ist das den Pinguinen doch schietegal, wie die Dinger aussehen. Meine Freundinnen haben schon geulkt, ich solle die Pullis nicht zu schön machen, sonst würden sich die Pinguine noch streiten, wer welchen Pullover anziehen darf.“

"Ist ja irgendwie ‘ne lustige Geschichte"

So amüsant Karin Spörer das Ganze auch findet, so ernst ist es ihr mit der guten Sache: „Ist ja irgendwie ‘ne lustige Geschichte, aber eine mit einem sinnigen Hintergrund.“ Und Karin Spörer kann ihr noch einen weiteren Sinn abgewinnen: „Es gibt so viele Seniorinnen in unseren Altenheimen, für die das auch eine sinnvolle Beschäftigung sein könnte. Ich wäre bereit, in die Heime zu gehen, und die Damen dort anzuleiten, wie die Pullover für die Pinguine gestrickt werden. Meine Nachbarin habe ich auch schon drangekriegt.“ Ihre drei Enkeltöchter, 24, 15 und 13 Jahre alt, allerdings nicht, obwohl sie alle stricken können. Doch dafür hat Karin Spörer Verständnis: „Junge Leute haben zu viel anderes zu tun.“

Immer wenn sie zehn Exemplare fertig hat, schickt sie die verpackt in einem Schuhkarton nach Hamburg ins Reisebüro von Angelika Regenstein. Die Mitarbeiterinnen dort ertrinken nach mehreren Medienauftritten ihrer Chefin inzwischen fast in Pinguin-Pullovern. Und auch im Internet ist eine wilde Diskussion darüber entbrannt, wie sinnig die Weiterführung dieser Strickaktion ist. So tut unter anderem jemand kund, dass die Pullover die Pinguine nur stressen würden, ein anderer weiß zu berichten, dass bei einem Tanker-Unglück in Neuseeland im Oktober vergangenen Jahres die Woll-Sweater gar nicht zum Einsatz kamen, und Greenpeace vermeldet in seinem Magazin (4.01), dass die Initiatoren die Aktion inzwischen beendet haben. „Auf Phillip Island gebe es jetzt weit mehr Pullis als Pinguine.“

Karin Spörer ficht das nicht an. Sie strickt erstmal weiter. Und warum auch nicht? Schließlich ist auf der offiziellen Homepage von Melbourne zu lesen, dass überzählige oder nicht passende Pullis die Plüsch-Pinguine im Souvenirladen kleiden. Die Erlöse aus deren Verkauf, so heißt es auf der Seite, fließen zu 100 Prozent in Artenschutz-Projekte und finanzieren die Arbeit des im letzten Jahr neu eröffneten Rehabilitation Centre, das somit bis zu 1500 Pinguine und andere Seevögel sowie kleine Wildtiere versorgen kann.