Duisburg. Im Streit um koloniale Straßennamen wie „Lüderitzallee“ in Duisburgs Afrikaviertel steht die Lösung fest. Doch dagegen gibt es Widerspruch.
Der politische Streit um die Straßenbezeichnung „Lüderitzallee“ vor einigen Jahren war der Anfang einer kontrovers geführten Debatte, die bis heute anhält. Am Montagabend hatte die „Initiative Afrikasiedlung“ zu einem Informationsabend in die Jesus-Christus-Kirche eingeladen, um über die historischen Hintergründe der Kolonialzeit zu informieren. Auch hier zeigte sich: Die Lager zwischen Straßenumbenennung, ergänzenden Schildern und Beibehaltung des Status’ Quo sind gespalten.
Afrikaviertel in Duisburg: Viele Straßennamen stammen aus dem Nationalsozialismus
Die Initiative ist ein Bündnis, das sich die Aufarbeitung geschichtlich belasteter Straßennamen zum Ziel gesetzt hat. Die meisten der Straßenbezeichnungen (Lüderitzallee, Waterbergstraße) stammen noch aus der Zeit des Nationalsozialismus, eine Zeit, in der auch die „Afrikasiedlung“ entstand.
Die Diskussion um die Straßennamen kam 2018 auf. Anlass war die beabsichtigte Namensgebung für eine Straße im Neubau-Quartier an der Lüderitzallee. Diese sollte die Bezeichnung „Lüderitzpfad“ erhalten.
Daraus ergab sich eine hitzige Diskussion, denn mit dem Namen Lüderitz ist eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Kolonialzeit verbunden. Am Ende setzten sich in der Bezirksvertretung Süd SPD, Grüne und die Linke knapp durch: Der Vorschlag „Lüderitzpfad“ war vom Tisch, die neue Straße erhielt den Namen „Mandelas Pfad“. Dazu der stellvertretende Bezirksbürgermeister Sebastian Ritter (Grüne) rückblickend: „In der heutigen Zeit noch Straßen nach solchen schlimmen Betrügern zu benennen, das geht gar nicht.“
Ergänzende Hinweisschilder zu historisch belasteten Straßennamen sind in Arbeit
Erstaunlich ist, dass noch Ende der 1950er-Jahre weitere sieben der insgesamt 14 Straßen in der Siedlung Namen mit Bezug zu den ehemaligen deutschen Kolonien erhielten. Edith Zischke-Siewert von der Initiative erläuterte den Stand der Dinge: „Demnächst werden zu einigen Straßennamen zusätzliche Erläuterungsschilder angebracht, die den historischen Hintergrund erklären. Die Schilder sind in Arbeit.“ Das sei aus geschichtlicher Sicht besser als eine komplette Umbenennung der Straßen, eine Idee, die nicht mehr weiter verfolgt wird.
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Zischke-Siewert erklärte anhand zweier Straßennamen, mit welchen schrecklichen Ereignissen diese verbunden sind. So steht der Name „Waterberg“ (Waterbergstraße, Waterbergpfad) in Zusammenhang mit der „Schlacht am Waterberg“ (1904), die sinnbildlich für den Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Truppen steht.
Duisburger Straßennamen erinnern an Völkermord deutscher Kolonialherren in Namibia
Windhuk (Windhuker Straße, Windhuker Pfad) erinnert an die frühere Hauptstadt des heutigen Namibia (früher: Deutsch-Südwestafrika), dem Ort eines Konzentrationslagers, an dem tausende afrikanische Menschen ums Leben kamen.
Der Name Lüderitz (Lüderitzallee) steht für den Kaufmann Adolf Lüderitz, der mit betrügerischen Methoden sich in großem Umfang Land von den Einheimischen erschwindelte. Wie er das machte, schilderte Afrika-Experte Rainer Wilcke: „Bei den Landverkäufen gingen die Einheimischen von der englischen Meile aus, die umgerechnet 1,6 Kilometer lang ist. Die deutschen Verhandler nahmen allerdings die Preußische Meile zum Maßstab, die weit über sieben Kilometer misst.“ Das taten sie ganz bewusst in betrügerischer Absicht. Wilcke ergänzt: „Wenn man nach diesen Angaben Flächen bemisst, ergeben sich gewaltige Unterschiede, die Herero verloren dadurch fast all ihre Wasserstellen.“
Lüderitzallee in Duisburg: Pfarrer fordert Umbenennung
Pfarrer Dirk Sawatzki sieht trotz der kommenden Hinweisschilder die Beibehaltung des Namens „Lüderitzallee“ kritisch: „Wie kann man mit diesem Wissen den Namen Lüderitz weiter in Erinnerung behalten? Im Einzelfall sollte man schon über eine Umbenennung nachdenken.“
Bewohner der Afrika-Siedlung äußerten sich ebenfalls. Sie fühlen sich von der Dauerdiskussion genervt. Für ihre Forderung, den Status Quo beizubehalten, seien sie im Verlauf der vergangenen Jahre beschimpft und in die rechte Ecke gedrängt worden. Da sieht sich Daniela Haasper überhaupt nicht, stellt klar: „Man sollte die Gräuel der Kolonialzeit absolut nicht verschweigen, aber jeder hat doch heutzutage die Möglichkeit, sich darüber zu informieren.“ Und: „Wenn es eine Straßenumbenennung gegeben hätte, hätte es gar keine Erinnerung mehr gegeben.“
Die Diskussion zermürbt nicht nur Daniela Haasper: „Man fühlt sich mittlerweile irgendwie schlecht.“
>> HINTERGRUND: DIE DEUTSCHEN KOLONIEN IN AFRIKA
- Die deutschen Kolonien wurden vom Deutschen Reich seit den 1880er Jahren erworben. Otto von Bismarck nannte sie „Schutzgebiete“, weil er in ihnen den deutschen Handel schützen wollte.
- Die deutschen Kolonien waren 1914 das an Fläche drittgrößte Kolonialreich.
- In den deutschen Kolonien kam es zu mehreren Aufständen, die blutig niedergeschlagen wurden. Im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, begingen die deutschen Kolonialherren den Völkermord an den Herero und Nama, den ersten in der Geschichtsschreibung anerkannten Völkermord des 20. Jahrhunderts.