Duisburg.. Zwei Jahre nach der Loveparade-Katastrophe bewegen sich die Stadt Duisburg und die Angehörigen langsam aufeinander zu. Jürgen Hagemann sieht in der Gedenkfeier einen „Ausdruck eines beginnenden Wandels in der Stadtpolitik. Deshalb hat auch der neue OB Sören Link eine wichtige Rolle, der eine der Reden hält.

Zwei Jahre nach der Loveparade-Katastrophe hat sich das Verhältnis zwischen der Stadt Duisburg und den Angehörigen der Opfer deutlich entspannt. Bei der Gedenkfeier im Vorjahr hatten die Hinterbliebenen eine Beteiligung der Stadt und des damals noch amtierenden CDU-Oberbürgermeisters Adolf Sauerland mit klaren Worten abgelehnt. In diesem Jahr wird zwar nicht die Stadt, sondern der Verein „Loveparade Selbsthilfe“ die Gedenkfeier ausrichten, eine der Reden aber wird der vor drei Wochen neu gewählte OB Sören Link (SPD) halten.

Vereinsvorstand Jürgen Hagemann sieht in der Gedenkfeier daher einen „Ausdruck eines beginnenden Wandels in der Stadtpolitik“ und des „Umgangs mit der Tragödie“. Deshalb sei es auch ausdrücklicher Wunsch der Betroffenen gewesen, den Gedenktag diesmal aktiv mitzugestalten. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wird keine aktive Rolle übernehmen, aber dabei sein, wenn die Hinterbliebenen morgen Nachmittag am Unglücksort im kleinen Kreis der 21 Toten gedenken. Von dem Tunnel aus startet um 18 Uhr ein Mahnmarsch in die Innenstadt zur zentralen Gedenkfeier auf dem Opernplatz.

OB Sören Link wird Rede halten

„Wir wollen diese Stunden gemeinsam mit den Bürgern unserer Stadt verbringen“, sagt Hagemann, dessen Tochter am 24. Juli 2010 schwer verletzt wurde.

Neben Angehörigen wird dort Neu-OB Sören Link sprechen. Für den 36-Jährigen ist es der erste, große öffentliche Auftritt. Bei den Hinterbliebenen hat er sich Anerkennung verdient, weil er den Kontakt zu ihnen suchte und sich maßgeblich dafür engagierte, dass ihre Wünsche bei der Gestaltung der Gedenkstätte berücksichtigt wurden. Um den Erhalt des Unglücksorts hatte es zähe Verhandlungen zwischen den Hinterbliebenen und dem Berliner Investor Kurt Krieger gegeben, der auf dem Gelände Möbelhäuser errichten will. Erst kurz, bevor der Rat das Baurecht besiegelte – der neue OB war gerade erst drei Tage im Amt – konnten die Forderungen der Angehörigen noch in den Plänen verankert werden.

Zeitpunkt der Anklage noch offen

Der erhoffte Neuanfang in Duisburg entwickelt sich langsam, die Wogen glätten sich, auch weil OB Sören Link bislang behutsam agiert. Personell hat er im Rathaus bisher kaum am Karussell gedreht und sendet auch ein Signal an die anderen Parteien: „Mit mir wird es auch weiterhin einen Dezernenten der CDU und der Grünen geben.“ An der Haltung der Stadt zur Schuldfrage werde sich nichts ändern, erklärt er und stellt sich damit vor seine Rathaus-Mitarbeiter, von denen elf zu den 17 Beschuldigten gehören, gegen die die Staatsanwaltschaft nach wie vor ermittelt.

Ob und wann Anklage erhoben wird, ist unklar. 30.000 Blatt Papier umfasst allein die Hauptakte, 3386 Zeugenaussagen liegen vor. Die fünf für die Aufklärung abgestellten Staatsanwälte warten weiter auf das abschließende Gutachten des britischen Wissenschaftlers Keith Still, der schon Anfang des Jahres in seinem Zwischenbericht deutlich machte, dass der Zusammenbruch des Eingangssystems an der Rampe vorhersehbar war und dass der Tod von 21 Menschen bei vorausschauender Planung vermeidbar gewesen wäre.

Seit zwei Jahren betreuen Notfallseelsorger viele der Hinterbliebenen und Verletzten, auch beim morgigen Gedenktag. Regelmäßig gibt es Treffen. „Die Begegnung mit anderen Geschädigten ist ein entscheidendes Element, um die Folgen und Traumata zu verarbeiten“, sagt Jürgen Hagemann. Bisher finanzierte das Land die Treffen, doch ob es sie künftig noch gibt, ist unklar. „Wir bitten Stadt Duisburg und Landesregierung dringend, diese Treffen auch in Zukunft sicherzustellen“, sagt Hagemann. Der Jahrestag bleibe auch im zweiten Jahr eine große Belastung für die Angehörigen, sagt Uwe Rieske, der rheinische Landespfarrer für Notfallseelsorge. „Wenn man sein Kind oder einen nahen Angehörigen bei einem solchen Ereignis verliert, bleibt das eine Wunde, die ein Leben lang schmerzt.“