Duisburg. Das Giftstoff-Lager, das die Firma Talke auf dem Logport-Gelände in Duisburg-Rheinhausen errichten will, verstößt möglicherweise gegen die vorgeschriebenen Abstände. Denn der Betrieb unterliegt der Störfallverordnung. Die Hürther Firma will bereits vor der Genehmigung mit dem Bau beginnen.
Das geplante Giftstoff-Lager auf Logport, das am Donnerstag auch Thema in der Bezirksvertretung ist, schlägt weiter hohe Wellen. Die PSL-Ratsfraktion aus Piraten, SGU und Bürgerlich-Liberalen hat auf Inititiative von BL-Ratsherr Karsten Vüllings bereits einen Einwand an die zuständige Bezirksregierung geschickt: Das Vorhaben verstoße gegen die Abstandsverordnung, die vorgeschriebene Distanz zu Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und wichtigen Verkehrswegen werde nicht eingehalten, argumentieren die Ratspolitiker. Sie fordern die Behörde jetzt auf, für alle zu lagernden Stoffe den angemessenen Abstand zu ermitteln.
Die Redaktion hat die beiden prall gefüllten Ordner mit den Antragsunterlagen durchforstet und zeigt erstmals die bildlichen Pläne der Hürther Logistikfirma Talke, die die Dimension der drei Hallen verdeutlichen, in denen bis zu 27.800 Tonnen giftige Stoffe gelagert und umgeschlagen werden sollen. Dass es sich um einen Störfallbetrieb handelt, findet sich auch in den Unterlagen wieder: Der Betrieb unterliege sogar „den erweiterten Pflichten der Störfallverordnung“, heißt es dort.
Firma Talke macht Druck
Die Problematik ist in Duisburg durch ein prominentes Beispiel in Hamborn bekannt: Dort krankt die Genehmigung des geplanten Outlet-Centers unter anderem am mangelnden Abstand zu den Grillo-Werken. Das Giftstoff-Lager auf Logport, das auf der Brache an der Europaallee direkt hinter Tor 1 entstehen soll, grenzt direkt an die Bahnlinie; ein Supermarkt und das Alevitische Kulturzentrum liegen im Radius von 100m, das nächste Wohnhaus ist rund 160m entfernt.
Die Firma Talke indes macht Druck: Bei der Bezirksregierung hatte das Unternehmen in einem Schreiben vom März „dringend um eine beschleunigte Abwicklung“ gebeten, da nach Ansicht der Hürther Firma die „Genehmigungsfähigkeit des beantragten Vorhabens vom Ergebnis her außer Frage“ stehe. Talke fordert von der Behörde zudem, bereits vor der Genehmigung mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Offenbar sind sich die Hürther ihrer Sache sicher: Sollte es keine Genehmigung geben, haben sie sich verpflichtet, den früheren Zustand auf dem Gelände wieder herzustellen.
Im März ging Talke noch davon aus, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit zur Jahresmitte abgeschlossen sein würde, und man das Lager noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen könnte. Heute werden Firmenvertreter erst einmal vor der Bezirkspolitik Rede und Antwort stehen, ebenso Vertreter der Hafen AG, denen das Grundstück gehört.
Talke plant Umschlag und Lagerung von Basis- und Spezialchemikalien
Nach knapp einer Woche hat Talke die Anfragen unserer Redaktion, was genau an der Europaallee 21 entstehen soll, beantwortet. Und in diesen Antworten vor allem betont, was alles nicht in Rheinhausen stattfinden soll. So sei etwa keine Lagerung explosiver oder radioaktiver Materialien geplant. Auch Stoffe, die bei Berührung mit Wasser giftige Gase entwickeln, seien dort ausdrücklich ausgeschlossen.
Ohnehin, so Talke-Sprecher Dominique Piterek, würden in Rheinhausen keine Abfälle gelagert oder verladen: „Es handelt sich ausnahmslos nicht um Abfälle, sondern um Produkte. Daher bezieht sich auch der von uns gestellte Genehmigungsantrag nicht auf die Lagerung von Abfällen.“ Genau genommen handele es sich um Vor- und Zwischenprodukte für die Herstellung von Reinigungsmitteln, Düngern, Kunststoffen oder Hygieneartikeln. Die Basis- und Spezialchemikalien, so Piterek, seien durch die Bank neu und sortenrein. Kunden sind Unternehmen der chemischen Industrie im Rheinland, für die Talke als externer Dienstleister Versorgung und Distribution übernimmt.
Angeblich erst ein Störfall
Vergleichbare Betriebe hat Talke bereits in Hürth, Köln, Ludwigshafen und Schwarzheide, außerdem an insgesamt zehn Standorten in Europa, dem nahen Osten und Indien. Seit 1947, so Piterek, habe es im gesamten Unternehmen genau einen Zwischenfall in einem Betrieb gegeben, den man mit dem für Rheinhausen geplanten Lager vergleichen kann. Das war 2010 in Hürth: Ein einzelnes Fass sei beschädigt und der Inhalt freigesetzt worden, die Feuerwehr habe das aber zügig im Griff gehabt.
Angefahren werden soll das Lager über die Standard-Zuwege:: Osttangente und Brücke der Solidarität in Richtung A40, L473n in Richtung A57. Außerdem ist der Umschlag von Bahn und Binnenschiff geplant. Das, so Piterek, war auch der Grund für den Standort Rheinhausen.
Zu Bau- und Betriebsbeginn hieß es von Talke lediglich, man rechne mit Baustart etwa drei Monate nach der Genehmigung und einer Bauzeit von rund zwölf Monaten. Mit besagter Genehmigung rechnet Talke offiziell nicht all zu bald - im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist etwa im November noch ein öffentlicher Erörterungstermin vorgesehen.