Duisburg.. Sigrid Kruse meldet sich nach vielen Jahren mit „Es steht im Raum. Geschichten und Gedichte vom Wünschen und Verwünschen“ zurück.
Ein verschlissener alter Sessel fristet seine letzten Tage in einer abgetakelten Industriehalle. Wer den Weg zu ihm findet, der darf noch einmal Platz nehmen und über Gegenwart und Vergänglichkeit nachdenken. „Es steht im Raum. Geschichten und Gedichte vom Wünschen und Verwünschen“ lautet der Titel des neuen Buches der Duisburger Autorin Sigrid Kruse, das das ausrangierte Möbelstück mit seiner angefressenen Würde auf seinem Cover zeigt.
Aus eigenem Erleben
Nach ihrem bereits 1993 erschienenen Buch „Zimmerflucht“ und zwei Lyrikbänden darf sich der Leser nun endlich wieder über eine neue Publikation der ehemaligen Duisburger Bibliothekarin freuen, die seit Jahrzehnten schon zu den wichtigsten Stimmen der Duisburger Literaturszene gehört. Die stilistisch erneut überzeugende Schriftstellerin bringt mit präziser und bilderreicher Sprache ihre Geschichten und Gedichte als kostbare Miniaturen zum Funkeln. Dabei bewegt sich die Autorin mit ihren Texten nicht im selbstverliebten Kosmos intellektuell und materiell abgehobener Yuppies, sondern schaut aus ihren eigenen Augen und Erinnerungen heraus auf das Leben der kleinen Leute in ihrer Umgebung und ihrer Stadt, deren grauer Alltag keinen Raum für Spektakuläres oder künstliche Aufregungen bietet.
Dass Sigrid Kruse in den Nachkriegsjahren aufwuchs, ist ihrer Geschichte „Aschehalden“ zu entnehmen, deren Bilder man gesehen haben muss, um sie zu beschreiben: „Wochenlang lag eine gelbbraune Dunstschicht über der Stadt. Blasse Blumen blühten in den Gärten. Die Laubenkolonien lagen leer und verlassen unter einem Himmel aus Schwefel. Im Grenzland hinter den Schrebergärten… stank es nach fauligem Wasser. Eine grünverflochtene Masse füllt die zwei Bombentrichter: Niemandsland, von Jugendlichen erbeutet und verteidigt, ihre Privilegien mit stumpfen Taschenmessern eingeritzt, Wegen, die kein Erwachsener gehen wollte…“
Das Alter blickt auf die Jugend
Erzählt werden die Geschichten des verträumten und letztlich verschwundenen Wunsch-Friseurs Maike oder die des entlassenen Bankangestellten Kos, der nun seinen Nachfolger beobachtet, und der von seinem Arbeitgeber vielleicht zu viel wusste. Und dann sind da immer noch wunderbare Gedichte, in denen das Alter auf die Jugend blickt: „Wieder so ein Wesen, das sich verbrennt, aus der Nacht ins Helle flüchtet, mit blinder Hingabe an die Sehnsucht. Kein Regen löscht das Feuer. So schöne Flügel, im Abschied noch lichterloh.“
Sigrid Kruse: Es steht im Raum. Geschichten und Gedichte vom Wünschen und Verwünschen, Gilles & Francke, 15 Euro, ISBN 3-940120-06-9