Duisburg. Rotkehlchen Heidi wohnt seit Jahren im Zoo Duisburg und begegnet den Pflegern voller Vertrauen. Erstmals hat sie nun unter deren Augen gebrütet.
Da hat Heidi dem Zoo Duisburg ein schönes Ei ins Nest gelegt. Und nicht nur eines. An fünf Tagen hintereinander hat das Rotkehlchen-Weibchen das kleine napfartige Rund aus dürren Zweiglein, trockenen Blättern und feinen Wurzeln, das es mit seinem Partner gebaut hat, gut gefüllt mit fünf perfekten Eiern, bevor es sich darauf niederließ. Ausgesucht für seine Kinderstube hat sich der sangesfreudige Winzling einen alten Rucksack, den irgendjemand im Kompressorraum des Seelöwengeheges an den Nagel gehängt und vergessen hat. Für diese Wahl zollt Revierleiter Maik Elbers Heidi großen Respekt. „Das so ein kleiner Vogel mit einem daumennagelgroßen Gehirn so schlau sein kann“, das fasziniert ihn. Denn durch die offene Fensterluke kann der Vater der Brut problemlos rein- und rausfliegen, Nesträuber wie Elstern, die auch im Tierpark am Kaiserberg auf Nahrungssuche gehen, passen indes nicht hindurch.
Zutrauen als klares Erkennungsmerkmal
Mit ihrem Entschluss, ihr Gelege nicht in irgendeinem Busch zu verstecken, sondern es quasi den Robbenpflegern vor die wachsamen Augen zu schieben, hat sich das Rotkehlchen endgültig die Zuneigung des kompletten Teams gesichert. Denn seit über fünf Jahren ist der hübsche Vogel schon Dauergast im Robbenrevier, wo sie auch überwintert. Wie lange Heidi bereits im Zoo ihr Zuhause hat, wissen auch Maik Elbers und seine Kollegin Yvonna Brand nicht. Und keiner von ihnen kann sich wirklich daran erinnern, wer dem Piepmatz den Namen Heidi gegeben hat. „Roswita wär auch nicht schlecht gewesen“, meint Elbers und grinst. Aber beide können, wie auch die anderen Pfleger des Reviers, Heidi klar identifizieren. „Sie ist die einzige, die auf die Hand kommt oder auf dem Rand unserer Kaffeetassen Platz nimmt“, nennt Yvonna Brand das eindeutige Erkennungsmerkmal. Zwar zählen Rotkehlchen zu den eher unerschrockenen Vögeln, doch trotz ihrer üblicherweise geringen Fluchtdistanz sind nur wenige Exemplare derart zutraulich.
Mehlwürmer zum Frühstück
Auch bei Heidi habe es etwas gedauert, bis sie sich getraut habe, zu schnorren, erzählt Yvonna Brand. Doch die Mehlwürmer, die die Pfleger ihr mitgebracht haben, waren dann irgendwann doch zu verlockend. Seitdem „frühstückt“ Heidi regelmäßig mit dem Team. In der Kaffeepause gibt’s immer auch ein paar leckere Würmer für den gefiederten Gast. Doch bis zum April dieses Jahres hatte niemand je Heidis Brut oder ihren zeitweiligen Partner zu Gesicht bekommen. „Das hat sie uns immer vorenthalten“, meint Yvonna Brand und lacht.
Und dann kam Horst
Doch plötzlich hockte ein zweiter Vogel auf dem Tisch und tat sich an den Mitbringseln der Pfleger gütlich. „Och, kumma, en Horst, sagte ein Kollege. Schon hatte der Vogel den Namen weg“, amüsiert sich Maik Elbers. Und am 11. April entdeckte ein Kollege dann das Nest im Kompressorraum. Sechs Tage später begann Heidi zu brüten. Fortan war es die Aufgabe von Horst, seine Holde zu versorgen. „Wir haben wenig gefüttert. Aber wir haben Horst auch mit Würmern geholfen, damit er nicht so viel Arbeit hat“, schildert Yvonna Brand.
Nachwuchs tanzte in den Mai
Allzu lange musste er die Bürde auch nicht tragen. Am 30. April bat der Nachwuchs auf seine Art zum „Tanz in den Mai“, indem alle fünf Vögelchen gleichzeitig schlüpften. Horst und Heidi erwiesen sich als gutes Elternpaar, das seine Brut bestens umhegt, und gut zwei Wochen, nachdem die die Eierschalen abgestreift hatte, war das Nest plötzlich leer. „Dann sind die Kleinen schon recht groß, und im Nest wird es zu eng. Da müssen alle raus“, sagt Maik Elbers. Bis sie flügge seien, so mit 22 bis 26 Tagen, hockten sie noch geschützt in den Büschen, kaum zu erkennen, weil die typische rote Kehlfärbung erst ein Jahr später ausgebildet werde.
Geschütztes Refugium
„Wir warten nun darauf, dass Heidi ihre Brut hier auch anschleppt“, sagt Yvonna Brand, wohl wissend, dass dies nicht geschehen wird, weil Rotkehlchen Einzelgänger sind. Aber dass Heidi zurückkehrt, da sind sich die Pfleger sicher. Maik Elbers: „Die wird hier nicht mehr weggehen. Im Winter ist es warm, da fliegt sie uns in den Aufenthaltsraum hinterher, wo sie auch schon mal in den Regalen übernachtet. Zudem gibt es hier ohne Anstrengung genug Futter.“
Letzteres wüssten auch andere heimische Tiere wohl zu schätzen, wie Zaunkönige, Reiher, Eichhörnchen, Fledermäuse oder Schwalben. Elbers: „Der Zoo ist ein geschütztes Refugium. Hier ist die Natur noch intakt. Es sieht zwar an einigen Ecken etwas wild aus, aber für die heimische Tierwelt ist das gut.“ Zudem werde der Zoo weitere Flächen auf seinem Gelände für Insekten erschließen und auch damit der hier beheimateten Vogelwelt zu helfen.