Die vergangenen zwei Jahre waren für Petra Augustin und ihr Team eine harte Zeit. „Unsere Arbeit hat sich komplett verändert“, sagt die stellvertretende Leiterin der Kita Tausendfüßler in Meiderich. Die Abläufe haben sich in der heilpädagogischen Einrichtung umgestellt, Mehrarbeit war die Folge. „Doch es hat sich gelohnt“, findet sie. Heute betreuen die rund 20 pädagogischen Kräfte der Einrichtung nicht nur Kinder mit, sondern auch ohne Handicap. Inklusion einmal anders herum, sozusagen.

Seit diesem Kindergartenjahr besuchen neben den 48 Kindern mit Förderbedarf auch 19 Kinder ohne einen solchen die Kita an der Wiesbadener Straße, die von der Lebenshilfe Duisburg getragen wird. Hintergrund für die Umstrukturierung ist die Inklusionspauschale, die der Landschaftsverband Rheinland (LVR) im Jahr 2013 einführte. Mit dieser Pauschale stellte der Verband die Förderung von Kindern mit Behinderung in Kitas anders auf. Bekamen die Einrichtungen zuvor eine finanzielle Förderung für eine integrative Gruppe, steht ihnen nun eine Pauschale pro Kind mit Förderbedarf zu. „Das sind 5000 Euro im Jahr“, erklärt LVR-Jugenddezernent Lorenz Bahr. Diese „Kindpauschale“ solle es Kindern mit Behinderung ermöglichen, jede Kita in ihrer Nachbarschaft besuchen zu können – damit wird die inklusive Betreuung in jeder Kita möglich.

Die therapeutische Versorgung der Kinder mit Handicap muss künftig jedoch von den Kita-Trägern selbst organisiert und über die Krankenkassen abgerechnet werden. Oft haben Fachleute dieses neue System kritisiert, schließlich „klaffen nun einige Lücken in der Finanzierung, etwa für Gebäude oder Personal“, sagt Michael Reichelt, Geschäftsführer der Lebenshilfe Duisburg. Dennoch stehe er hinter dem Konzept, da es Eltern und Kinder entlaste. Schließlich können sich Eltern mit diesem System eine beliebige Kita in der Nachbarschaft aussuchen, so dass Kinder in ihrem Stadtteil und Sozialraum betreut und gefördert werden.

Alles unter einem Dach

Was bedeutet das in der Praxis? „Vorher waren Ergo-, Moto- oder Sprachtherapeuten in der Einrichtung vor Ort beschäftigt, heute kommen sie zu den Kindern in die Einrichtungen“, erklärt Michael Reichelt das neue Konzept. Dafür baute die Lebenshilfe ein „Interdisziplinäres Frühförderzentrum“ auf, in dem derzeit 15 Therapeuten sich um rund 60 Kinder kümmern. Je nach Bedarf rücken Heilpädagogen oder Physiotherapeuten dann aus. So müssen die Eltern ihr Kind nicht quer durch die Stadt kutschieren, sondern bekommen Betreuung und Therapie unter einem Dach geboten. Zudem gebe es Kooperationen mit niedergelassenen Praxen. „Unsere Therapeuten können zudem auch von anderen Trägern gebucht werden“, sagt Reichelt.

Baulich hat sich ebenfalls einiges verändert bei den Tausendfüßlern: Ein Teil der Räume wurde umgebaut und auf den Bedarf der Kinder zugeschnitten. Denn auch Kinder unter drei Jahren werden nun in Meiderich betreut. „Der komplette Umbau soll dann bis 2018 abgeschlossen sein.“

„Wir arbeiten außerdem nun mit tiergestützter Pädagogik und haben längere Öffnungszeiten“, sagt Petra Augustin. Und was hat sich für die Kleinen geändert? „Gar nichts“, lacht die Erzieherin. Sie unterscheiden eben nicht zwischen behindert oder nichtbehindert. „Für Kinder ist Inklusion gar kein Thema.“