Duisburg. Neues Sat1-Format verzichtet auf Ruhrgebietstristesse und zeigt schöne Bilder, könnte aber in jeder Großstadt spielen. Klischees gibt es dennoch.
Der Fernsehsendung beginnt und die Bilder lassen Duisburger Lokalpatrioten sofort das Herz aufgehen: der Hauptbahnhof, die A59 und Tiger & Turtle, später kommen natürlich Schlote dazu. Die erste Folge des neuen Sat1-Formats „Die Ruhrpottwache“ (montags bis freitags, 19 Uhr), das in Duisburg spielt und teilweise dort gedreht wurde, war am Montag mit Spannung erwartet worden. Doch nicht nur mit Vorfreude. Denn allzu oft haben Beiträge des Privatfernsehens über Duisburg einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, ob über Marxloh, die Weißen Riesen in Hochheide oder die Eisenbahnsiedlung in Hohenbudberg. Die Auftaktfolge geht jedoch glimpflich mit Duisburg um.
Skepsis war dennoch angebracht. Zwar wirbt Sat1 damit, dass in der „Ruhrpottwache“ echte Polizisten auftreten, doch Polizeisprecherin Daniela Krasch stellt klar: „Kein aktiver Duisburger Polizeibeamter gehört zu dem Team.“ Der Sender will in der Serie reale Einsätze frei nacherzählen, aber aus Kraschs Fallakten stammt die Inspiration nicht. Mit der örtlichen Polizei hat sich die Produktionsfirma über Drehgenehmigungen und -orte unterhalten. Wegen der fiktiven Einsätze seien bei den Beamten aber keine besorgten Nachfragen von Bürgern eingegangen.
Die angebliche Zentralschule ist das Jugendzentrum Rheinhausen
Entrüstung wird es nach Ausstrahlung wohl ebenfalls nicht geben. Bereits beim ersten der drei Fälle ist sofort klar, dass keineswegs die Wirklichkeit abgebildet wird. So gerät eine Abi-Party aus dem Ruder, doch die erfundene „Zentralschule“ ist tatsächlich das Jugendzentrum St. Peter in Rheinhausen, wo bereits die bekannte Hardcore-Band Integrity ihre Europatournee eröffnete. Statt Pogo gibt's jetzt jedoch einen klischeehaften Drogenrausch, gespielt von Laiendarstellern. Dagegen nimmt man den Polizisten ab, dass sie möglichst realistisch reagieren. Das gelingt nur nicht immer: So öffnet etwa ein junger Kommissar eine Haustür mit einem Karatetritt und rennt wenig später laut brüllend mit seiner Kollegin hinter einem Kindesentführer her.
Die Fälle, so hanebüchen und unfreiwillig komisch sie sind, bieten auch Lehrreiches: So erfährt der Zuschauer etwa, dass ein Gramm Marihuana einen dreistündigen Rausch verursachen kann, dass illegale Downloads kein Kavaliersdelikt sind, dass sich Senioren nicht mit Drogenhandel die Rente aufbessern dürfen, dass Eltern ihre Waffen sicher einschließen sollten und dass ein Traktor kein gutes Fluchtfahrzeug ist.
Die erste Sendung spielt weder in Marxloh noch geht es um Rocker
Beim Auftakt der „Ruhrpottwache“ nutzt die Sendung erfreulicherweise keine ausgelutschten Klischees über Duisburg: So spielt keiner der drei Fälle auf dem Marxloher Arbeiterstrich oder beinhaltet eine Rocker-Razzia. Die erste Folge zeigt vielmehr gepflegte Siedlungen sowie schöne Gärten und vermeidet das stark strapazierte Vorurteil von der grauen Ruhrgebietstristesse. Auch sprechen die Darsteller nicht alle wie Herbert Knebel. Zugegeben: ein gewalttätiger Vater flucht mehr als Schimanski und droht auf Ruhrdeutsch: „Dein Arsch hat gleich Kirmes!“
Allerdings könnten die Fälle in jeder deutschen Großstadt spielen, da echte Ortsbezüge vermieden werden. Selbst die Wache Duisburg-Nord ist nicht die echte in Hamborn an der August-Thyssen-Straße, sondern eine ehemalige Ruhrorter Schule an der Berguisstraße (tolle Kulisse!). So ist es nach der Auftaktfolge schwer, die „Ruhrpottwache“ von ähnlichen Formaten wie „Auf Streife“ (Sat1) zu unterscheiden – immerhin ist sie aber bisher weniger übertrieben als „Privatdetektive im Einsatz“ (RTL2) mit den tätowierten Muskelprotzen und drallen Blondinen. Mehr Lokalbezug wäre also wünschenswert.
Aber Duisburger können sich an den schönen Ansichten ihrer Stadt erfreuen. Zudem macht es Spaß zu erkennen, wo die fiktiven Handlungsorte tatsächlich sind. Fans von Scripted-Reality-Formaten dürften an der „Ruhrpottwache“ ohnehin ihre Freude haben.