Huckingen.

Am Eingang empfängt uns zusammen mit Hausleiterin Hildegard van Bebber der 20-jährige E.. Wie ein Fünfjähriger lässt er sich von ihr über den Kopf streicheln, ehe er dann etwas ungelenk zurück in den Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss geht. Wir besuchen das neue Behinderten-Wohnheim des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) am Thomas-von-Aquin-Weg.

Im letzten Dezember war es fertig geworden. Bis auf einen Bewohner ist es mittlerweile voll belegt. 24 geistig und auch körperlich Behinderte haben hier eine neue Bleibe gefunden.

Van Bebber und Regionalleiterin Brigitte Balzer führen uns durch das Haus. Breite Flure, großzügige Räume, auch im Sanitärbereich, und viel Licht kennzeichnen den zweieinhalbgeschossigen Komplex, den der LVR bei der städtischen Gebag angemietet hat. Lange hatte man sich über die Miethöhe nicht einigen können. Dann wurde das Haus binnen einem Jahr zügig hochgezogen. Der LVR schließt so die Rückkehr der Behinderten an heimatnahe Standorte ab. Dazu wurden in Duisburg fünf neue Wohnheime errichtet, das letzte öffnet in diesem Monat in Mattlerbusch, im Norden der Stadt.

Im Obergeschoss sehen wir die Wohnräume von Sascha, Lars und Christian, alle Mitte 20, die bis vor kurzem noch bei ihren Eltern im Duisburger Süden gewohnt haben. Wir treffen sie nicht an, denn sie sind an diesem Tag in der Behinderten-Werkstatt beschäftigt. Aber ihre Zimmer fallen durch liebevolle Einrichtung auf, Möbel und Teppiche sind farblich perfekt aufeinander abgestimmt. Und wie es sich für junge Männer gehört, prägen Flachbildschirm, DVD-Player und PC-Spiele die Szene.

„Für ihre Eltern war es nicht einfach, sie hier abzugeben“, sagt Hildegard van Bebber, obwohl das gemeinsame Leben mit ihnen eine große Belastung darstellte. „Sie besuchen sie sehr oft.“ Wer ein behindertes Kind großzieht, entwickelt eine besondere Beziehung dazu. Aber irgendwann wird es Zeit, es, soweit möglich, auf eigene Beine zu stellen. „Sie entwickeln sich hier teilweise prächtig, weil sei völlig neue Freiheiten entdecken.“ Das „Hotel Mama“ hat eben auch seine Nachteile.

Bis in ihr Alter ist für sie hier gesorgt. Nur besserverdienende Eltern zahlen maximal 46 € im Monat für die Unterbringung hinzu. 100,98 € Taschengeld erhält jeder Bewohner für seinen persönlichen Bedarf.

Wir besuchen das Zimmer von Hildegard (Anfang 60). Sie lebt schon seit ihrer Kindheit in Einrichtungen, sammelt Puppen und Bälle, wovon ihr Zimmer eindrucksvoll zeugt. Es ist so poppig gestaltet wie das Zimmer einer 16-Jährigen. Berufspraktikantin Steffi Zoschke hat Hildegard dabei geholfen und mit ihr den Umzug durchgeführt. „Ihr hat der Umzug am meisten zu schaffen gemacht“, erklärt uns die Hausleiterin. Die Entfernung von Goch sei so groß gewesen.

Im Gemeinschaftsraum un­ten treffen wir wieder auf E., der diesmal, zusammengekauert wie ein Kleinkind, auf einer Couch schläft. „Er stammt aus Albanien, wohnte bislang bei seiner Familie in Wanheimer­ort“, so Hildegard van Bebber. „Seine älteren Brüder haben sich um ihn gekümmert. Die Eltern waren damit überfordert.“ E. sei sehr anhänglich und genieße es, hier täglich zu baden.

Hinter dem Jungen an einem Tisch sitzt Heinrich (63), der für sein Leben gern mit Buntstiften malt. „Er tanzt auch gern zu Schlagermusik“, berichten seine Betreuer.

Ihr Alter von 80 Jahren sieht man Lieselotte nicht an. Sie lebt seit den 60er Jahren in LVR-Einrichtungen, zunächst in Bedburg-Hau, seit 30 Jahren dann in Goch-Pfalzdorf. Lieselotte sammelt Fotos, Erinnerungen an (längst verstorbene) Mitbewohner. Und auch sie liebt Puppen und Stofftiere wie ein kleines Mädchen. „Die haben alle Namen bekommen von Leuten, die sie kennt“, hören wir von Hildegard van Bebber.