Huckingen. Blaue Flecken sind bei Kindern keine Seltenheit. Doch im Haushalt können schnell gravierende Unfälle passieren, bei denen sich ein Kind schwer verletzt. Was dann zu tun ist und wie schwere Unfälle vermieden werden können - Tipps von Dr. Guido Wolf.

Kein Kind wird ohne blaue Flecken groß. Leider kommen aber auch gravierendere Unfälle im Kindesalter häufig vor - besonders bei den Ein- bis Sechsjährigen. „In diesem Alter wird die Mobilität immer größer, aber die Einsichtsfähigkeit ist noch nicht da“, erläutert Dr. Guido Wolf, Leitender Oberarzt am Sozialpädiatrischen Zentrum im Malteser-Krankenhaus St. Anna.

Kinder sind neugierig, wollen ausprobieren und haben noch kein Gefahrenbewusstsein. „Sie verunfallen öfter als Erwachsene, weil ihre Reaktionszeit verlängert und ihr Gesichtsfeld eingeschränkt ist. Außerdem funktioniert ihre Geräuschlokalisation noch nicht genug“, weiß Dr. Wolf. Er erklärt, wo Gefahren lauern und was man tun sollte, falls doch schon etwas passiert ist:

Unfälle im Baby-Bett und am Wickeltisch

Kissen und Stofftiere gehören nicht ins Babybett. Der Säugling kann sie nicht wegschieben, wenn sie Mund oder Nase blockieren. Zudem: Kleidung ohne Bändchen anziehen, auf Halsketten verzichten. Keine Kordeln oder Kabel in Reichweite liegen lassen (Strangulierungsgefahr). Und: Nie von der Wickelkommode wegtreten - auch nicht, um „mal eben“ Zubehör zu holen! Das Kind fällt leicht runter.

Wenn schon etwas passiert ist: Ist das Kind länger als eine Sekunde bewusstlos oder erbricht es im Laufe der nächsten Stunden, kann eine Gehirnerschütterung vorliegen.

Verschluckte Gegenstände

Keine verschluckbaren Gegenstände oder Spielzeuge in Reichweite von Kindern bis drei Jahren liegen lassen. Die Kleinen stecken Vieles gerne in den Mund, es kann in Rachen, Speiseröhre, Bronchien, Magen, Darm usw. stecken bleiben. Auch Nüsse, Kerne, Müsli können gefährlich werden.

Wenn schon etwas passiert ist: Das Kind auf den Kopf drehen und ihm auf den Rücken hauen. Kein Erbrechen provozieren. Zur Kinderambulanz fahren, dort gibt es z.B. Metallsuchgeräte, die das Ver­schluck­te orten können.

Elektrounfälle

Kindersicherungen sollten in allen Steckdosen im Haus stecken. Gefährlich sind zudem unisolierte Kabel oder Kabel, die locker in einem Elektrogerät stecken.

Wenn schon etwas passiert ist: Den Strom abstellen, dann das Unfallopfer bergen. Man sollte herausfinden, ob Strom durch das Kind geflossen ist. Dazu die Haut abriechen. Riecht es verbrannt, zum Arzt fahren. Es könnten Herz-Rhythmus-Störungen und Nie­renversagen auftreten. Bei Herzstillstand: Schlag auf den linken Brustkorb des Kindes, um das Herz anzukurbeln. Rettungswagen rufen.

Verbrennungen

Keine Gefäße mit heißen Ge­tränken und Speisen in Reichweite der Kinder stehen lassen. Sie ziehen diese gerne mal vom Tisch. Heiße Herdplatten absichern.

Wenn schon etwas passiert ist: Verbrannte Stelle unter fließend kaltes Wasser halten, um Hitzeausbreitung/Nachbrand zu verhindern. Keine Salben/Verbände auflegen, stattdessen Staniolpapier aus Rettungskasten/Küche. Betroffene Kleidung entfernen. Bei größeren Verbrennungen sofort in die Klinik fahren. Verbrennungen sind äußerst schmerzhaft, das Kind braucht u.a. starke Schmerzmittel.

Unfälle im Garten

Giftige Pflanzen aus dem Garten entfernen, Kinder können sie in den Mund stecken. Teiche, Pools, Planschbecken sind gefährlich. Auch in ganz flachem Wasser können Kinder ertrinken.

Wenn schon etwas passiert ist: siehe Vergiftungen, Beinahe-Ertrinken.

Vergiftungen

Zigaretten (auch Stummel) enthalten eine tödliche Menge Nikotin, wenn sie verschluckt werden. Also wegräumen! Keine Gläser mit Alkoholresten stehen lassen. Reinigungsmittel, Öle, Medikamente, Parfüms, Seifen wegschließen.

Wenn doch schon etwas passiert ist:

1. Bei Nikotin: Zum Erbrechen bringen (mit Finger das Zäpfchen im Hals reizen), in die Klinik fahren, dort gibt es speziellen Saft, der hilft.

2. Bei Alkohol: kein Erbrechen auslösen, Arzt aufsuchen.

3. Bei Reinigungsmitteln, Medikamenten, Pflanzen, etc.: Keine Flüssigkeiten oder Nahrungsmittel nachgeben, sofort zum Arzt/zur Klinik fahren, Vergiftungszentrale anrufen, Erbrechen erst in der Klinik auslösen. Reste der eingenommenen Substanz mitbringen.

Beinahe-Ertrinken

Kinder nie alleine am Wasser (See, Pool, Teich, etc.) lassen (siehe Unfälle im Garten).

Wenn schon etwas passiert ist: Kind aus dem Wasser bergen, auf harten Untergrund legen, bei Atem- und Pulslosigkeit das Kind beatmen und mit Herzmassage beginnen.

Für alle Zweifelsfälle gilt laut Dr. Guido Wolf: „Lieber einmal mehr als einmal zu wenig zum Arzt oder in die Klinik fahren.“ Zudem könne man über 112 den Rettungswagen rufen.

Vorträge zum Thema

Ein Vortrag zum Thema „Erste Hilfe im Kindesalter“ steht in der Elternschule des Malteser-Krankenhauses St. Anna immer am ersten Mittwoch eines Monats auf dem Programm. Alle zwei Monate referiert Oberarzt Dr. Guido Wolf über „Unfallverhütung“, in den Monaten dazwischen klärt Kinderärztin Dr. Sabine Brauer unter anderem über Krampfanfälle bei Kindern und den Plötzlichen Kindstod auf. Genaue Termine können erfragt werden unter der Tel. 755-1278 (bei Helga Hamacher). Die Teilnahmegebühr beträgt zehn Euro.

Die Wiederbelebung beim Kind

Die Wiederbelebung bei Kindern funktioniert anders als bei Erwachsenen. Zunächst gilt: Keine Angst vor der Reanimation haben - speziell davor, Fehler zu machen. „Man kann nichts falsch machen. Nichts zu tun, wäre das Falscheste“, sagt Dr. Guido Wolf. Was ist zu tun?

  • 1. Die Atemwege frei machen (Mund aufmachen und das Blockierende mit dem Finger rausholen. Bei verschluckten Dingen: auf den Kopf stellen und auf den Rücken klopfen)
  • 2. Unfallopfer auf harte Un­terlage legen, den Kopf in Mittelstellung bringen (nicht überstrecken wie beim Erwachsenen)
  • 3. Den eigenen Mund auf Mund und Nase des Kindes pressen (verschließen) und zweimal beatmen - d.h. kurz hinein pusten.
  • 4. Herzmassage beginnen: 30 Mal ganz kräftig und schnell auf die Stelle zwischen den Rippenbögen - kurz unter der gedachten Verbindungslinie zwischen den Brustwarzen - drücken. Mit beiden Händen tief eindrücken.
  • 5. Beatmung wiederholen, dann wieder Herzmassage anwenden. Abwechselnd beides fortsetzen bis der Notarzt kommt.