Duisburg. Mittelmaß statt Superlative: Das Finale der Show „Der klügste Deutsche“ hatte mit dem 26-jährigen Duisburger Sebastian Runde als Sieger zwar eine Überraschung parat, schaffte jedoch nicht den Spagat zwischen programmatischem Bildungsauftrag und massentauglicher Abendunterhaltung.

„Das Spannende dieser Sendung liegt im Unerwarteten.“ Das hatte Moderator Kai Pflaume den Zuschauern seiner Finalsendung „Der klügste Deutsche 2011“ gleich am Anfang versprochen. Und tatsächlich: Dass sich der 26-jährige Duisburger Sebastian Runde gegen tausende Mitbewerber durchsetzen und am Ende den Titel „Der klügste Deutsche“ davontragen würde, war wohl nicht von Vornherein zu erwarten. Aber die versprochene Spannung blieb Pflaume dem Zuschauer an vielen Stellen schuldig. Trotz aller Bemühungen, den Spagat zwischen programmatischem Bildungsauftrag und massentauglicher Unterhaltung zu schaffen, plätscherte die Sendung ohne großartige Ausreißer gut drei Stunden vor sich hin.

Keine Kosten und Mühen gescheut

Dabei hatte die ARD keine Kosten und Mühen gescheut, den hellsten Kopf der Republik zu küren: Nach wochenlangem Casting in 50 deutschen Städten, unzähligen Wissenstests und zwei vorherigen Halbfinal-Sendungen hatte die prominente Jury – bestehend aus Tagesschau-Sprecherin Judith Rakers, Comedian Eckart von Hirschhausen und Sportschau-Moderator Matthias Opdenhövel – die acht klügsten Deutschen aus beinah 3000 Kandidaten herausgefiltert. Kai Pflaume, ehemals Herzschmerz-Spezialist bei der privaten Konkurrenz und neues Flaggschiff der ARD im Unterhaltungsbereich, wurde als charmanter Gastgeber ins Rennen geschickt. Gehirn-Spezialist Prof. Martin Korte, unter dessen wachsamer Aufsicht alle Tests und Aufgaben entstanden waren, sorgte derweil für die wissenschaftliche Legitimation. Und weil Geld ja bekanntlich mobiler macht als die bloße Aussicht auf einen Titel (und sei es auch den des allerklügsten Bundesbürgers), ließ sich der Sender auch beim finanziellen Anreiz nicht lumpen: Als Siegprämie für „Cleverness, Geschick und überdurchschnittliches Allgemeinwissen“ hatte die ARD 100.000 Euro bereit gestellt. So weit, so gut.

Schnelligkeit als spannungssteigerndes Element?

Um die Finalsendung „zum einen fair, zum anderen spannend“ zu gestalten, wie der Gehirn-Spezialist erklärte, mussten die acht Kandidaten entsprechend ihres „intellektuellen Fingerabdrucks“ in vier Zweier-Gruppen gegeneinander antreten. Den Anfang machte „das Duell der Powerfrauen“: die Limburger Journalistin Annette Krumpholz gegen die Berliner Pilotin Julia Peukert. Anstelle jedoch die Final-Zuschauer mit einer spannenden Neuerung bei der Fahne zu halten, blieb die Sendung bei ihrem Halbfinal-Muster: In einer Fragerunde klopfte die Jury zuerst das Allgemeinwissen ab, um den Kandidaten dann bei allerlei Praxisaufgaben auf den Zahn zu fühlen. Neu war lediglich, dass sich die Kandidaten das Recht zu antworten „erbuzzern“ mussten. Schnelligkeit als spannungssteigerndes Element? Innovation sieht anders aus, auch wenn Jurorin Judith Rakers hochtrabend von „noch einmal verschärften Regeln“ sprach.

Bildungsanspruch auf mittlerem Niveau

Ein besonders hohes Niveau indes war weder bei der Fragerunde, noch beim Praxistest zu spüren. Im Gegenteil: Bei den Wissensfragen aus Politik, Geschichte, Kunst, Sport, Kultur, Wissenschaft und Boulevard hatte auch der durchschnittsbegabte Zuschauer eine durchaus reale Chance, mit Wissen zu glänzen: Mit Fragen wie „Wofür steht das G in der Bezeichnung G8?“, „Wie lautet der Komparativ von gut?“ „Welcher Philosoph formulierte den kategorischen Imperativ?“ und „Wie heißt der Präsident des Deutschen Bundestages?“ wurde die Sendung der Abfrage von „überdurchschnittlichem Allgemeinwissen“ nicht gerecht. Und auch die Praxis-Aufgaben entpuppten sich zu einem großen Teil als lösbare Unterhaltungsspielchen, die nicht unbedingt für die „allerklügsten Deutschen“ konzipiert worden zu sein schienen. Aber das war wohl auch gewollt: „Das ist für Sie Zuschauer auch wunderbar zum Mitraten“, betonte Pflaume gleich mehrmals. Bildungsanspruch auf mittlerem Niveau, auch wenn die Sendung einen Superlativ im Titel trägt.

Traum vom Titel für Bottroper ausgeträumt

Für den 46-jährigen Wissenschaftslektor Peter Kruck aus Bottrop lief es nicht so rund.
Für den 46-jährigen Wissenschaftslektor Peter Kruck aus Bottrop lief es nicht so rund. © Birgit Schweizer / WAZ FotoPool | Unbekannt

Dennoch erfüllten die Zweikämpfe ihren Zweck, nämlich die Anzahl der Kandidaten von acht auf vier zu halbieren. Allerdings zog sich diese Angelegenheit ganz schön in die Länge: Erst nach zwei Stunden standen die vier Finalisten fest, unter ihnen auch Sebastian Runde aus Duisburg. Der 26-jährige Master-Student hatte sich sowohl in der Fragerunde als auch im Praxistest, in dem er einen Parcours mit einer Prismen-Brille bestreiten musste, souverän gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Für den 46-jährigen Wissenschaftslektor Peter Kruck aus Bottrop hingegen lief es nicht so rund: In der Fragerunde hatte er eindeutig gewonnen, in der Praxis-Aufgabe beim Nachspielen von Musiktönen aber knapp verloren und auch beim anschließenden Entscheidungs-Spiel hatte er sich verschätzt. Damit war der Traum vom Titel – und dem Preisgeld – ausgeträumt.

Unterhaltung auf Kosten der Casting-Kandidaten

Zu Ende war die Sendung damit aber noch lange nicht: Noch einmal mussten die Kandidaten gegeneinander antreten, bis schließlich nur noch zwei von ihnen übrig waren. Als wäre noch nicht genügend Sendezeit verstrichen, mussten Kandidaten und Zuschauer vor der Entscheidung dann noch mehrere Einspielfilme aus den Castings über sich ergehen lassen. Zwar ging der Plan des Senders auf, nun endlich einmal die unterhaltsamen Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Dies geschah allerdings, fast ähnlich der DSDS-Manier auf RTL, nur auf Kosten derjenigen Casting-Kandidaten, die eher durch peinliche Unwissenheit als durch außergewöhnliche Intelligenz auf sich aufmerksam machten. Auch Moderator Pflaume schien trotz seines anschließenden Kommentars „Wunderbar, ne? Das macht großen Spaß!“ nicht wirklich von dem Mehrwert dieser Filme überzeugt zu sein. Ebenso wenig wie von seinen eigenen Worten, dass es nun „richtig spannend“ werde, was er die ganze Sendung hindurch gebetsmühlenartig wiederholte.

„Könnt ihr euch noch konzentrieren?“

Um 23 Uhr – eine viertel Stunde nach geplantem Sendeschluss – fühlte sich dann auch Judith Rakers berufen, bei den inzwischen auf drei reduzierten Kandidaten nachzufragen: „Könnt ihr euch noch konzentrieren?“ In einer letzten Fragerunde bewiesen Sebastian Runde und Versicherungsfachwirt Michael Buscher aus Pulheim schließlich, dass ihre Gehirnwindungen auch zu fortgeschrittener Stunde noch einwandfrei funktionieren: Beide schafften den Sprung ins Endfinale, wiederum mit größtenteils lösbaren Wissensfragen à la „Wie lautet der vierte Buchstabe des griechischen Alphabets?“, „In welchem Film verspeist Charlie Chaplin einen Schuh?“ und „Wer war zum Zeitpunkt des Mauerfalls Präsident in den USA?“.

Intelligente Samstagabend-Unterhaltung sieht anders aus

Nun war es, so Gedächtnis-Spezialist Korte, an der Zeit, „die Intelligenz der Vielen“ herbeizurufen, nämlich die der Zuschauer. Um 23.25 Uhr, eine Dreiviertelstunde später als geplant, dann das Votum: Mit 86,3 Prozent hätte es kaum eindeutiger für den 26-jährigen Duisburger ausfallen können. Ob da nicht doch eine Menge Zuschauer-Sympathie im Spiel war? Nein, alles höchst seriös, wissenschaftlich erklärbar: Denn Klugheit, so Korte, sei „nicht etwas, das man hat, sondern etwas, das einem zugeschrieben wird“. Was immer das auch heißen mag.

So blieb für Pflaume am Ende nur noch eine Feststellung zu treffen: „Bildungsauftrag erfüllt, jeder nimmt etwas aus dieser Sendung mit.“ Das mag bis zu einem gewissen Grad auch zutreffen. Intelligent gemachte Samstagabend-Unterhaltung aber sieht doch ein bisschen anders aus.