Duisburg. „Schausaufen mit Betonung“ nannte der noch vor einigen Jahren stets durstige Harry Rowohlt sein mehr als abendfüllendes Programm. Inzwischen hat der abstinente Übersetzer, Kolumnist, Vortragskünstler und Lindenstraßen-Penner seine äußerst unterhaltsame Veranstaltung auf „Betonung ohne Schausaufen“ reduziert.
„Schausaufen mit Betonung“ nannte der noch vor einigen Jahren stets durstige Harry Rowohlt sein mehr als abendfüllendes Programm. Inzwischen hat der abstinente Übersetzer, Kolumnist, Vortragskünstler und Lindenstraßen-Penner seine äußerst unterhaltsame Veranstaltung auf „Betonung ohne Schausaufen“ reduziert. Der Hamburger Verlegersohn und Autor war jetzt mit seiner aktuellen Show im „Grammatikoff“ zu Gast, die sehr vielversprechend mit „Sprachbrillanz“ überschrieben ist.
Unvergessen bleibt, wie der damals noch mit üppiger Haartracht geschmückte Rowohlt an gleicher Stelle im ehemaligen Zentrum „Hundertmeister“ die Thekenbedienung immer wieder zu neuen Bierlieferungen anmahnte und seine zahlreichen Freunde sich an seiner im Publikum herumgehenden Whisky-Flasche vergriffen. Doch lange ist’s her, und der „Paganini der Abschweifung“, so wurde der mit einem ganz feinen und sehr speziellen Humor gesegnete Brummbär mit der hochsonoren Stimme auch schon mal genannt, entzückte seine Gäste mit Geschichten, ZEIT-Kolumnen und Begebenheiten aus dem Leben eines weit gereisten Hanseaten, der sich von der Arroganz und vom Dünkel des akademischen und publizistischen Kulturbetriebs niemals beeindrucken ließ.
Von Bochum nach Hamburg in die Lindenstraße
Wie Rowohlt betont, habe ihm der Arzt immerhin gestattet, sich „vier Mal im Jahr so richtig die Kante zu geben“. Seitdem habe er aber immer Angst, „den Termin zu verpassen“. Der geistreiche Plauderer landete dann nach der üblichen „Anschleimphase“ wieder bei seiner Familie Pierenkämper in Bochum, wo seine Oma, eine italienische Zigeunerin, gelebt habe. Damals im Ruhrgebiet habe man als italienische Zigeunerin nicht viele Volksgruppen gehabt, auf die man herabblicken konnte. Daher beherrsche er von ihr noch immer einen Merkvers: „In Kruppsche Baracken, da wohnen Polacken, da laufen die Kakerlaken die Polacken in Nacken. Da nehmen die Polacken die Pickhacken und tun die Kakerlaken kaputt hacken.“ Dies habe er einmal bei einer Veranstaltung Fritz Pleitgen vorgetragen und dieser habe – als alter Duisburger – bestätigt, dass es genauso gewesen sei.
Seine Mutter habe dann als Schauspielerin bei Saladin Schmidt, dem Erfinder der expressionistischen dunklen Bühne, weshalb er auch „Saladin mit der Schlummerlampe“ genannt worden sei, gespielt. Seine Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ habe allgemein „Bruderzwist auf Sohle Sieben“ geheißen.
Reich-Ranicki hat alle guten Nachwuchsautoren verpennt
Aus dem Ruhrgebiet ging es dann wieder nach Hamburg, dann wieder zurück zur „Lindenstraße“ nach Köln und schließlich war dann auch Marcel Reich-Ranicki an der Reihe, den er – wie auch ehemalige Bundespräsidenten und dichtende Promi-Literaten - hinreißend parodieren kann. So schätze dieser doch nur so „langweilige Mainstream-Autoren“ und habe „alle guten Nachwuchs-Autoren verpennt“.
Es wurde dann wie erwartet, sehr spät, aber es blieb äußerst unterhaltsam. Als Harry dann noch von dem großen Empfang beim ehemaligen Bundespräsidenten Köhler erzählte, verriet er ein Geheimnis: „Was haben das Schloss Bellevue und das Grammatikoff gemeinsam? In beiden Häusern habe ich auf dem Herrenklo geraucht.“ Viel Beifall für einen großen Vortragskünstler, dem man noch stundenlang hätte zuhören können.