Duisburg.
550 genehmigte Plätze für Prostitution in den Laufhäusern zwischen Vulkan-, Charlotten- und Julius-Weber-Straße, dazu eine unbekannte Zahl in nicht offiziellen Bordellen, in Privatwohnungen, in Massagesalons, Sauna- und Swingerclubs und auf dem Straßenstrich: Da wird der Weg, den Union und SPD nun gehen wollen, um Zwangsprostitution zu bekämpfen, in Duisburg ganz schön unübersichtlich. Und: unüberprüfbar. Denn die beiden koalitionswilligen Parteien planen, nach der Regierungsübernahme das Prostitutionsgesetz dahingehend zu verschärfen, Freier, die wissentlich Dienste von Zwangsprostituierten gekauft haben, zu bestrafen, möglicherweise auch mit Gefängnis. Doch wer soll das kontrollieren?
Für Polizeisprecher Ramon Van der Maat eine klare Sache, eine für die Politik, nicht für die Polizei: „Das ist nicht unser Thema. Darüber müssen sich die Politiker Gedanken machen, wie sie das umsetzen wollen. Es gibt jetzt schon rechtliche Möglichkeiten gegen Zwangsprostitution vorzugehen. Wenn wir davon erfahren, werden wir tätig.“
„Eine Minderheit im Gewerbe“
Genau da aber sieht Iris Sperg vom Duisburger Gesundheitsamt eine negative Auswirkung des Gesetzesvorhabens: „Dann und wann bekommen wir von Laufhaus- oder Bordellkunden Hinweise, dass etwas nicht stimmt mit der Frau, bei der sie waren. So haben wir schon öfter davon erfahren, wo Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. Solche Männer würden sich dann nicht mehr bei uns melden, weil sie sich natürlich nicht selbst belasten wollen.“ Da sollte man nach Meinung von Iris Sperg besser ein Notfalltelefon für Freier und Prostituierte einrichten.
Ohnehin ist es nach den Erfahrungen der Sozialarbeiterin äußerst schwierig, Zwangsprostitution deutlich zu erkennen. „Selbst für uns ist das nicht so einfach“, gibt sie zu und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die immer wieder beteuerte, freiwillig in dem Gewerbe zu arbeiten und der Mann an ihrer Seite sei ihr Verlobter. Erst viel später habe sich herausgestellt, dass doch Zwang im Spiel war.
Iris Sperg: „Die klassische Zwangsprostituierte, die eingesperrt und mit Prügeln gezwungen wird, sich zu verkaufen, ist eher in der Minderheit in diesem Gewerbe.“ Was unter Zwangsprostitution zu verstehen sei, müsse man ohnehin fein definieren, sagt Sperg. „Sicher zwingt die wirtschaftliche Not viele Frauen aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien hierher zu kommen. Und da wir Prostitution nunmal als Berufszweig haben, dafür aber keine berufsständische Anmeldung gefordert wird, was meiner Meinung nach notwendig wäre, verdienen sich viele Frauen in diesem Gewerbe das Geld.“ Diese Frauen deshalb aber alle als Zwangsprostituierte zu sehen, lehnt Sperg ab.
Die Sozialarbeiterin ist mindestens einmal wöchentlich in den genehmigten Laufhäusern und hat Kontakt zu den Frauen, die dort arbeiten. „Ich muss akzeptieren, was die Frauen mir erzählen. Nicht alle Frauen, die als Prostituierte arbeiten, sind Opfer.“
„Freiwilligkeit ist Etikettenschwindel“
Das sieht die Organisation Solwodi völlig anders. Der eingetragene überkonfessionelle und überparteiliche Verein, der auch in Duisburg eine Anlaufstelle hat, setzt sich seit 1987 in Deutschland für die Opfer von Menschenhandel ein. Für Helga Tauch von Solwodi ist Freiwilligkeit in der Prostitution ein Etikettenschwindel: „Frauen, die täglich 12 bis 16 Stunden in den Laufhäusern eingecheckt sind, die ständig überwacht werden von ihrem sogenannten Freund, Verlobten oder Manager, für den sie anschaffen gehen, weil sie in ihn verliebt sind, oder ihm Geld schulden; Frauen, die aus Armut eingewandert sind, hier aber keine Arbeitserlaubnis bekommen, aber sich schon mit 18 Jahren prostituieren können, ohne Arbeitserlaubnis, ohne Sprachkenntnisse, ohne gemeldeten Wohnsitz, ohne Krankenversicherung und ohne Belehrung über sicheren Sex, Verhütung und Vermeidung von Geschlechtskrankheiten - da stellt sich für uns schon die Frage, wie freiwillig sie ihre Dienste anbieten.“ Hinzu komme, dass viele dieser Frauen ihre Ekelerfahrungen mit Alkohol oder zunehmend mit Kokain zu betäuben versuchen. „Ist auch das freiwillig?“, fragen sich Tauch und ihre Mitstreiterinnen.
Das geplante Gesetz hält auch Helga Tauch für nicht umsetzbar, begrüßt es aber dennoch: „Es ist ein erster Schritt, um die Aufmerksamkeit auf Frauen zu lenken, die nicht freiwillig als Prostituierte arbeiten. Es ist ein Wachrütteln für die Problematik. Im Moment kann es den Freiern egal sein, ob die Frau, deren Dienste sie kaufen, dazu gezwungen wird. Wenn das künftig unter Strafe steht, ist das anders.“