Duisburg..

Die beiden Alten leben allein auf einer Insel. Sie sind angeblich seit 75 Jahren verheiratet und erzählen aus Langeweile auch sonst unglaubliche Geschichten vom einstigen Glück in Paris. Was machen die da? Sie spielen Theater! Und Eugène Ionescos Einakter „Die Stühle“ bietet zwei alten Schauspielern einen traumhaften Stoff, ihr ganzes Können auf die Bühne zu bringen. Michael Altmann und Ute Zehlen machen das großartig in Inszenierung von Michael Steindl, die am Donnerstag Premiere hatte.

Auf der großen Bühne ist nicht nur genügend Platz für dieses Stück, das wenig Bühnenbild braucht, sondern auch fürs Publikum, das auf einer Tribüne mit Blick auf den Eisernen Vorhang sitzt. Ausstatterin Anja Müller reichen ein alter Küchentisch, Stühle und Licht. Sehr effektvoll ist es, wenn sich dann der Eiserne hebt und den Blick auf den Zuschauerraum frei gibt, also auf noch mehr Stühle. Allerdings keine ärmlichen aus Holz, sondern rot bezogene – zugleich Farbakzent, Erweiterung des Raums und imaginärer Spiegel fürs Publikum.

Die Angst, sich zu verlieren

Steindl hat fürs Festprogramm zum 100-Jährigen des Theaters ein Stück ausgewählt, das das Theater zum Bühnenbild macht. Und er deutet diese „tragische Farce“, die so viele Rätsel aufgibt, als Stück über das Theater. Hier, im Theater, können auch unglaubliche und absurde Geschichten erzählt werden: Sie berichtet von einem gemeinsamen Sohn, er spricht von Kinderlosigkeit.

Hier schafft die Fantasie, dass die Alte, entzückt von einem frechen Gast, auf dem Küchentisch einen Orgasmus bekommen. Hier kann man ehemaligen Geliebten begegnen und Möglichkeiten, die längst verstrichen sind, durchprobieren. Hier kann man Menschen begegnen, die gar nicht auf der Bühne erscheinen wie die vielen Gäste, die der Alte eingeladen hat, um ihnen sein „vollkommenes System zur Rettung der Welt“ durch einen Redner verkünden zu lassen. Und hier kann es auch zum Sprung in den Tod Konfetti regnen – ist ja nur ein Bühnentod.

Dabei treibt Steindl keinen Scherz mit dem Stück. Es gibt ernste, traurige, verwirrende, Mitleid erregende Szenen. Die Angst sich aus den Augen zu verlieren, die die beiden Alten angesichts der Masse der Gäste am Ende bekommen, ist die Angst des alten Paars, nicht gemeinsam aus dem Leben abtreten zu dürfen. Wunderbar, wie Michael Altmann den kindischen, groben, größenwahnsinnigen Zausel spielt, wunderbar, wie diese zarte rothaarige Ute Zehlen in das Wort „Schätzchen“ die Schärfe eines Schusses legen kann.