Duisburg. Die Enttäuschung über die drohende Fällung der alten Platanenallee auf der Mercatorstraße ist bei vielen Bürgern groß. Sie sind besorgt, dass ein weiteres Stück Lebensqualität aus der Stadt verschwindet. Wir haben unsere Leser nach ihrer Meinung, Tipps und Anregungen gefragt.
Die 32 Platanen, große und kleinere Bäume zwischen der Königstraße und dem Hoisthaus am Hauptbahnhof sollen dem geplanten MD-Bürohaus und der gleichzeitig neu gebauten Mercatorstraße weichen. So wollen es die Stadtplaner und die politische Mehrheit des Stadtrates.
Viele Duisburger sind alarmiert und besorgt, dass mit den alten Platanen ein weiteres Stück Lebensqualität aus der Stadt verschwinden werde. Knapp 3000 Bürger haben der Stadtspitze ihre Protest-Unterschriften überbringen lassen. Die NRZ hatte ihre Leser noch einmal nach möglichen Alternativen, Tipps und Anregungen gefragt, die vermeintlich bei einer Dialogveranstaltung zwischen Stadt und Bürgern in so geringer Zahl zu Tage getreten seien.
Klassischer Konflikt
Genau dieses Konstellation hatten sich der Oberbürgermeister und sein Planungsdezernent nicht herbei gewünscht: Die Stadt plant nach den Regeln des Rechts das Herzstück der Innenstadt neu: die Mercatorstraße. Für den benachbarten riesigen Bahnhofsvorplatz ruft sie sogar ein urdemokratisches Mitsprache- und Planungs-Teilhabeverfahren für Bürger aus („Charrette“). Und doch lodern jetzt Zorn und Protest: Besorgte Bürger und Naturschützer haben dem Oberbürgermeister am 6. Juli knapp 3000 Protest-Unterschriften überreicht, damit der Stadtrat zwei Tage später die strittige Planungsvorlage verwerfe. Vergebens. Der Rat hat mit Stimmen von SPD und CDU dem Ausbau der Mercatorstraße grünes Licht gegeben. Der Kern des Aufregung: Die alten Platanen links und rechts der Mercatorstraße zwischen Königstraße und Hoisthaus sollen der neuen Verkehrsführung wie auch einer lang angekündigten Bebauung weichen.
Ökonomie statt Ökologie? Und die Bürger schnappen nach Luft – vor Bestürzung und Zorn, wenn auch ein bisschen spät. In der vergangenen Woche sind die städtischen Planer in einer Info-Veranstaltung vor die Bürger getreten - auf der Suche nach einem Konsens und einer Alternative. „Doch bei dieser Dialog-Veranstaltung haben wir keine Alternative gehört“, sagt Planungsdezernent Carsten Tum; der Vorschlag des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, Fahrbahnen und Mittelstreifen deutlich bescheidener zu dimensionieren, damit Lebensraum für die Bäume bleiben kann, betrachten die Planer als „nicht machbar“. Damit ist der Dialog beendet. Die NRZ hatte am vergangenen Samstag ihre Leser noch einmal zur Debatte aufgerufen und gefragt: „Welchen Tipp geben Sie der Stadt?“ Lesen sie hier gekürzte Auszüge aus vielen Einsendungen.
Platanen-Streit - Das raten die Bürger der Stadt Duisburg
Die gute Absicht bei unserer „Stadtoberen“ mag ja vorhanden sein, aber in Sachen „Bürgerbeteiligung“ ist außer Spesen bisher nichts gewesen. Die Stadtspitze macht diesbezüglich zwar „gut Wetter“, entscheidet aber ausschließlich nach ihren Vorstellungen. So geht man mit mündigen Bürgern nicht um, noch dazu, wenn man sich mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahne geschrieben hat. Es darf doch letztlich nicht so sein, dass die Bürger erst auf die Straße gehen müssen, um endlich mal Gehör zu finden. Volker Finken, DU
Ich verstehe bei dem Platanenproblem ehrlich gesagt gar nicht, wie es dazu kommen konnte: Sowohl im Masterplan als auch im Bebauungsplan vom 31.5. sind eine Reduzierung der Fahrspuren auf zwei, eine Verkehrsberuhigung und eine Aufwertung des Areals für Fußgänger festgeschrieben. Somit und mit der Zusage von MD, die Bäume gar nicht fällen zu wollen, würde mich doch mal ernsthaft interessieren, wer da hinter den Kulissen querschießt. Caro Lorenz, DU
Ist das Bauvorhaben notwendig? Duisburg hat doch genügend frei stehende Bürogebäude anzubieten (im Innenhafen). Falls es unumgänglich ist, dass 5 Platanen für das Bauvorhaben gefällt werden müssen, warum müssen es nun plötzlich 32 sein? Die Stadt ist pleite ( mit der Stadt Essen in NRW am höchsten verschuldet.) und könnte sich die Kosten der Fällung sparen. Wer möchte mehr Verkehr durch die Innenstadt? Moderne Verkehrskonzepte gehen den umgekehrten Weg, in dem sie den Verkehr aus den Stadtkernen nach Außen verlagern. Britta und Lothar Zimmer, DU
Immer wenn sich eine Stadt durch planerisches Handeln verändern soll, werden Ängste und Sorgen laut. Was in Duisburg im Vergleich zu fast allen Städten besonders ist, ist die Abstinenz der entscheidenden politischen Ebene. Die Fachlichkeit wird in ihrer Begegnung mit kritischen Bürgern von der lokalen Politik argwöhnisch beäugt und diese wartet ab, auf welche Seite man sich unabhängig von der politischen und sachlichen Richtigkeit der Planung opportunistisch schlagen soll. Das führt zu diesen nachvollziehbaren Irritationen der Bürgerschaft und letztendlich zum existenziellen Verlust von städtischer Glaubwürdigkeit nach Innen und Außen. Deshalb, liebe Stadtplaner, macht es wie am Theaterplatz. Gebt den Bürgern ein wundervolles Forum für eine inhaltliche Auseinandersetzung, baut dann nach eigenem Gusto, wartet einige Monate das Gemecker ab und dann stellt sich, wie immer, die Ruhe wieder ein. Aber eigene fachliche Zweifel leben und zeigen, welche die Politik für ihre eigenen Unfähigkeiten missbraucht, ist töricht. Der berühmte Architekt Walter Gropius hat einmal gesagt:“ Wer in Alternativen denkt, hat keine Meinung“. Jürgen Dressler, Ex-Planungsdezernent der Stadt Duisburg
Wenn Planungen ohne Alternative sind, dann haben sich die Planer selbst zu ideenlosen Gefangenen ihres Tuns gemacht und jegliche Gestaltungsmöglichkeiten aufgegeben. Oder wollen sie nur einen hilflosen Machtanspruch demonstrieren, der die Kehrseite ihres Mangels an Fantasie ist? Wer in der Stadtverwaltung Duisburg klärt Herrn Tum auf, dass Planung und Planierung keine identischen Begriffe sind? Prof. Dr. Johann Schmidt, Duisburger aus Bad Oldesloe
Lasst Euch Zeit und überstürzt nichts: MD und der Hotelbetreiber sollten auf jeden Fall im Herbst mit ihren Baumaßnahmen beginnen. Dazu muss man aber nicht alle Platanen abholzen. Es reicht, die zu fällen, die im engeren Bereich der Baugrube stehen. Da der PKW-Verkehr die nächsten beiden Jahre eh über den Bahnhofsvorplatz umgeleitet wird, hat man Zeit, die künftige Gestaltung der M-straße zu überdenken. Mir und vielen Duisburgern leuchtet z.B. überhaupt nicht ein, weshalb alle Platanen abgeholzt werden sollen z.B. auch die, die am Bürgersteig von IHK und Mamma Leone stehen. Sind zudem die Fahrradwege nötig, die wie auf der Landfermannstraße sowieso keine Radfahrer nutzen werden? Die fahren nämlich gleich über den Bahnhofsplatz. Können die Bürgersteige nicht schmaler gebaut werden etc.? Zur Klärung all dieser Fragen hätte man mindestens 1,5 Jahre Zeit. Dr. Rainer König, DU
Die Stadt sollte zuallererst mit Multi Development nachverhandeln. Die NRZ hat kürzlich berichtet, dass MD sich selbst den Erhalt der Bäume vor ihrem eigenen Gebäude wünschen. Also sollte Carsten Tum diese Initiative aufgreifen und gemeinsam mit MD über eine neue Verkehrsplanung beraten. Jens Schmidt, DU
Die Fachleute haben die Pflicht, solche Anliegen der Bürger ernsthaft in ihre Erwägungen einzubeziehen. Sie müssen klar begründen, warum es keine Alternative für den Vorfeldbereich des Bahnhofs gibt, in der die Bäume erhalten werden können. N. Dillmann, DU
Zum Vorschlag wie von Frau Ciesla (BUND) bei der Veranstaltung angeregt, ist es unserer Meinung nach dringend geboten, dass sich alle Beteiligten, die Stadt, der Investor MD und der BUND als Vertreter der Bürger, die sich für den Erhalt der Bäume einsetzen, an einen Tisch setzen und alle denkbaren Optionen intensiv diskutieren. Auch wenn dieses den Zeitplan der Stadt u. U. deutlich nach hinten verschiebt. Jürgen Pasch & Ellen Brüsing, DU
Beschämend, was sich jetzt abspielt. Zunächst sind es 5 Platanen, die abgeholzt werden müssen (ok, lasse ich noch gelten), aber jetzt sollen alle weg. Was soll das denn? Erst werden die Bürger aufgefordert, Vorschläge hinsichtlich der Gestaltung der Bahnhofsvorplatte einzureichen. Und dann werden alle Vorschläge rigoros abgelehnt. Man hätte bestimmt aus allen Vorschlägen einen brauchbaren machen können. Hatte mehr erwartet von unserem neuen Oberbürgermeister. Jörg Engler, DU
Die Stadtverwaltung lässt kein Fettnäpfchen aus: Mercatorhalle, Bahnhofsvorplatz, Museum Küppersmühle, Archiv: Nun will man noch, gegen den Willen der Bürger das so wichtige Grün abholzen. Es ist nicht zu fassen! Hier könnte sich Sören Link endlich einmal profilieren und im Sinne der Duisburger Bürger handeln. Die Investorgesellschaft hat doch verkündet, die Platanen können stehen bleiben. Tun Sie etwas Herr Link, lassen Sie die Bäume stehen! Uta Hoffmann, DU
Ein anderes Grundstück für Multi Development suchen; denn sie möchten ja auch nicht, dass ihretwegen die Platanen gefällt werden. Also nehmen wir sie beim Wort. Dass die Planung auf dem Masterplan von Sir Norman Foster beruht, schließt nicht aus, dass an dieser Stelle der Masterplan nicht ausgeführt wird. Übrigens gibt es mit dem Gebäude von MD keinen freien Blick mehr auf das Bahnhofsgebäude; und somit wäre das ganze Ensemble - Bahnhofsgebäude und die mit viel Verve geplante Bahnhofsplatte - für den Mülleimer. Ulrich Peter, DU
Täglich grüßt das Murmeltier: Insgesamt dreimal hatten Verbände und Bürger Gelegenheit, sich einzubringen, ob und wie das geschehen ist, müsste mal geprüft werden…aber am Ende steht eine politische Mehrheitsentscheidung. Da stellt man sich als Verfahrensbewanderter echt Fragen, mit welchem Recht sich die Unterlegenen in einem demokratischen Prozess dann so hinstellen, als wären sie die ewigen Opfer. So funktioniert das nicht und um die Regeln nicht völlig auf den Kopf zu stellen, kann ich der Stadt und den Mitgliedern des Rates nur empfehlen, die aktuelle Diskussion nur dann weiter zu führen, wenn es konkrete Anlässe gibt, die Planung zu verändern. Wenn jetzt ohne Not eine rechtskräftige Planung gekippt wird, wäre das ein sehr schwerwiegender Eingriff in die Verlässlichkeit der Duisburger Planungsarbeit. Frank Lompa, Projektleiter German Development Group, Düsseldorf. (Anm. d. Red.: German Development will in Hamborn das „Factory Outlet Center“ errichten .)
Man kann der Stadt nur dringendst raten, alle Planungen und Beschlüsse auszusetzen und wegen der erfolgten Täuschung der Öffentlichkeit die „Wiedereinsetzung in den vorherigen Verfahrensstand mit der erneuten Offenheit zu Ideen und Vorschlägen zuzulassen. Joachim Mutz, DU
Duisburgs Planungsdezernent kann Enttäuschung gut verstehen
Erst 5 jetzt 32 Platanen, die gefällt werden? Wann und wie hätten die Bürger von dieser Planungsänderung erfahren können ?
Carsten Tum: Bereits zum Zeitpunkt der Offenlage des Bebauungsplanes wurde deutlich gemacht, dass ein Baumerhalt nur möglich sein wird, wenn dies mit der Planung zum Teilrückbau der Mercatorstraße vereinbar ist. Auch in der Charrette-Woche wurde die Straßenplanung vorgestellt und hier zeichnete sich ab, dass ein Erhalt der Platanen nicht mit den Ausbauzielen vereinbar sein wird. Im Verlauf des Prozesses haben u. a. die verkehrlichen Anforderungen der DVG und der Feuerwehr gezeigt, dass die Planung nur dann umsetzbar ist, wenn die Straße den Querschnitt erhält, der Bussen und Feuerwehr die problemlose Nutzung auch im Einsatzfall ermöglicht. Den Belangen der Feuerwehr und der DVG wurde dann im Entscheidungsverfahren der Vorrang gegenüber dem Erhalt der Bäume eingeräumt und dies auch im Satzungsbeschluss dargelegt.
Die Bürger fühlen sich im Umgang mit dieser wesentlichen Information getäuscht. Können Sie das verstehen?
Tum: Ich kann gut verstehen, dass einige Bürger enttäuscht sind, weil es uns nicht gelungen ist, die Bäume zu erhalten. Mit der Neugestaltung wird es aber auch Neupflanzungen von Bäumen geben, die dann wieder ein einheitliches städtebauliches Bild ergeben. Im Straßenraum werden ca. 30 Bäume neu gepflanzt, zusätzlich sind auf dem Bahnhofsplatz neue Bäume geplant sowie im Rahmen des Straßenbaumkonzeptes weitere Neupflanzungen in der Innenstadt.
MD lässt ausrichten, die Platanen müssten nicht wegen MD weichen. Kann man das MD-Gebäude errichten, ohne dass ein Baum fällt?
Tum: Nein. MD ist hier falsch zitiert worden. Nahezu die Hälfte der Bäume, die weichen müssen, entfallen auf den Bau des MD-Gebäudes.
Werden alle Bäume, von der Königstraße bis hin zum alten Mercatorkreisel der neuen Straßenführung weichen müssen?
Tum: Nein. Es müssen die Bäume zwischen der Königstraße und der Friedrich-Wilhelm-Straße weichen. Die Bäume von der Friedrich-Wilhelm-Straße bis zum ehemaligen Kolonieverteiler können nach jetzigem Stand stehen bleiben. Lediglich ein Baum direkt am Hoisthaus muss gefällt werden.
Frank Lompa von German Development (Factory Outlet Center) hat sich in dieser Debatte bei uns ebenfalls zu Wort gemeldet. Er sagt: „Mit welchem Recht sich die „Unterlegenen“ in einem demokratischen Prozess hinstellen, als wären sie die ewigen Opfer...“ Sehen Sie das ebenfalls so?
Tum: Hier geht es nicht um Opfer, sondern um einen Abwägungsprozess und eine städtebauliche Entscheidung für die nächsten 100 Jahre.