Duisburg.. Die Staatsanwaltschaft wird an diesem Mittwoch Einzelheiten zu ihren dreijährigen Ermittlungen zur Loveparade-Tragödie vorstellen. Die große Frage bleibt, wer warum nicht angeklagt wird.
Die Ermittlungen dauerten so lange, dass manch einer schon fürchtete, es werde wohl nie zu einer Anklage kommen. Doch es wird! Die Duisburger Staatsanwaltschaft hat für diesen Mittwochvormittag eigens in eine 800 Besucher fassende Halle eingeladen, um die Anklageschrift zu präsentieren.
Schließlich rechnet man mit einem immensen Medien-Interesse. Und obwohl in den letzten Wochen manches Detail durchsickerte, die Anklage selbst birgt einige überraschende Momente. Wem wird was vorgeworfen? Und fast noch interessanter ist die Frage: Wer wird warum nicht angeklagt?
Die furchtbaren Bilder
Die Bilder vom Juli 2010, sie sind nun wieder sehr präsent. Die wogende Masse auf dem Weg zur Party. Die Enge des dunklen Tunnels. Die jungen Leute, die sich verzweifelt die Treppe, die Böschung des Veranstaltungsgeländes hinauf retten. Entsetzte Retter und erschütterte Eltern. Die Toten und die Verletzten, deren Zahl im Laufe der Nacht immer höher steigt.
Und nicht zuletzt die Mitschnitte jener beinah schon legendären Pressekonferenz am Tag danach. Vier Männer im holzvertäfelten Sitzungssaal des Duisburger Rathauses auf dem Podium der Pressekonferenz. Drei von ihnen waren maßgeblich daran beteiligt, die Loveparade nach Duisburg zu holen. Das Mega-Event, das hippe Raver-Fest, das zu einem telegenen Höhepunkt des Kulturhauptstadt-Jahres geraten sollte.
OB Sauerland machte eine äußert unglückliche Figur
Nur einer der drei auf dem Podium, Lopavent-Chef Rainer Schaller, wirkt an diesem Morgen tief bestürzt, sucht hör- und sichtbar nach Worten, sein Entsetzen auszudrücken. Der damalige Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und sein Sicherheits-Dezernent Wolfgang Rabe hingegen machen eine äußerst unglückliche Figur.
Der eine belässt es bei kaum mehr als floskelhaften Worten des Mitgefühls, der andere, hemdsärmelig, bei einem einzigen Halbsatz, der Empathie vermitteln soll. Am Ende wirkt es so, als seien die Verunglückten selbst für ihren Tod verantwortlich, weil sie versucht hatten, die Treppe hinaufzuklettern.
Dreieinhalb Jahre Ermittlungsarbeit später werden diese Drei wohl nicht zu den Angeklagten gehören, ebenso wie der einzige Polizist unter den Beschuldigten, Polizeidirektor Kuno S.
Kein Polizist unter den Angeklagten
Dabei agierte Wolfgang Rabe nicht nur als städtischer Koordinator der Giganto-Party, er war es auch, der einerseits OB Sauerland auf dem Laufenden hielt, der andererseits in den Fachabteilungen die Genehmigung der Loveparade forcierte. Der OB wünsche die Veranstaltung. Es müsse also eine Lösung gefunden werden, wird er zitiert. Schon da ging es um Probleme beim Sicherheits-Konzept.
Angeklagt werden stattdessen Bau-Dezernent Jürgen Dressler (66), der sich noch vier Wochen vor der Veranstaltung von dieser distanzierte, der in einem Vermerk die Verantwortung ablehnte. Doch zwischen diesem Vermerk und der Loveparade, das ist auch aus der Vernehmung Adolf Sauerlands bekannt, lag noch ein Gespräch zwischen Rabe und Sauerland sowie ein weiteres zwischen Rabe und Dressler. „Nachdem wir beide d’accord waren, welche Bedingungen gelten, war für mich klar, dass beide (Rabe und Dressler, Anmerkung der Red.) wieder miteinander arbeiten. Hätte es weitere Friktionen gegeben, hätte Herr Rabe sich wieder gemeldet“.
Offenbar gab es keinerlei Friktionen mehr. Dressler und sein Bauamt funktionierten, genehmigten und unterzeichneten. Und genau deshalb werden sie nun angeklagt werden. „Sollte Rabe nicht angeklagt werden, dann hat es den Anschein, als ob man in diesem Fall wirklich die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt“, hatte Rechtsanwalt Julius Reiter bereits Ende Januar erklärt. Reiter vertritt rund 100 Opfer und deren Angehörige.
LoveparadeVier Mitarbeiter von Lopavent
Angeklagt sind zudem vier Angestellte des Veranstalters Lopavent. Darunter voraussichtlich der Produktionsleiter Stephan S., der technische Leiter Günter S., Sicherheitsmann Lutz W. und Organisationschef Kersten S. Nach Berichten des Spiegels soll Crowd-Manager Carsten W., der auch für das Sicherheitskonzept mitverantwortlich gewesen sein soll, nicht angeklagt werden.
Bis es zum Prozess kommt, werden noch Monate vergehen. Vor allem muss das Landgericht Duisburg die Anklage zulassen.