Duisburg. In Duisburg schließen an diesem Wochenende die großen Diskotheken wie Pulp, Daddy und Motorrad Jansen. Kleinere Clubs fürchten um ihre Existenz.
Das Coronavirus hat auch das Duisburger Nachtleben erreicht. Die Stadt hat Freitagmorgen alle Veranstaltungen untersagt, zu denen mehr als 200 Gäste erwartet werden. Unter der Entscheidung leiden besonders die großen Diskotheken: Daddy, Pulp, Motorrad Jansen und Grammatikoff müssen die Pforten vorerst schließen. Kneipen wie der Finkenkrug und das Oberbayern bleiben geöffnet. Ihre Betreiber sorgen sich aber, wie es in Zukunft weitergeht.
Das Daddy schließt seine Türen auf unbestimmte Zeit. Eine Vorabi-Party wurde abgesagt, die Freitagabend steigen sollte. „Die Stadt hat alles auf Null gesetzt“, sagt der Betreiber Peter Jurjahn.
„Für uns ist das beschissen.“ Aber ihm bleibe jetzt nichts anderes übrig, als sich dem Coronavirus „zu beugen“. Einfach sei das nicht. Sein Kopf werde in diesen Tag nicht mehr frei, „ich denke nur noch über Corona nach“.
Diskotheken in Duisburg bleiben wegen des Coronavirus vorerst geschlossen
Er sagt, dass ihm die Einnahmen fehlen werden, wenn keine Partys mehr stattfinden dürfen. Er muss zwar keine Mieten zahlen, weil ihm die Diskothek gehört. Aber er muss einen Kredit und Angestellte bezahlen.
„Bei mir arbeiten zwar überwiegend geringfügig Beschäftigte, aber die müssen auch über die Runden kommen.“
Die Clubs in Nordrhein-Westfalen hätten nicht mehr die finanziellen Reserven, wie in den 80er Jahren. „Wir sind zur Zeit um jeden Monat froh, den wir rumkriegen, auch ohne Corona.“ Er geht davon aus, dass bis Ostern keine Partys im Daddy gefeiert werden dürfen.
„Ich bin seit 48 Stunden komplett verzweifelt.“
Von der Stadt fühlt er sich nicht allein gelassen, aber er beklagt: „Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich bin verwirrt.“ Von der Stadt gebe es keine eindeutigen Informationen.
Jurhahn hat sich überlegt, dass bezahlte Tickets gültig bleiben und die Veranstaltungen nachgeholt werden sollen. „Ob der Plan so aufgeht, kann ich bisher nicht sagen.“
Paul René Jansen betreibt die Diskothek Motorrad-Jansen. Er hat diesen Freitag mit etwa 800 Besuchern gerechnet. Black Party stand auf dem Programm. Doch am Morgen kam ein Anruf von der Stadt. Er muss die Diskothek vorübergehend schließen. „Das ist der Tiefpunkt. Die Kosten laufen ja weiter. Ich bin seit 48 Stunden komplett verzweifelt.“
„Die Politik ist eine Seifenblase“
Wie lange die Sperre gilt, weiß er nicht. Von der Stadt erfahre er das nicht, er habe mehrmals nachgefragt. Aber von der komme: „Null, Nada, Nichts!“
Für die Gäste sei es eine Katastrophe, nicht feiern zu können. „Arbeiten langweilt die Menschen, am Wochenende wollen sie tanzen, trinken, besoffen sein, um den Kopf frei zu kriegen.“ Das gehe erstmal nicht.
Von der Stadt verspricht er sich keine finanzielle Unterstützung. „Die Politik ist eine Seifenblase. Die reden viel, machen aber nichts“, beklagt er. Jetzt komme es darauf an, zu kämpfen. Aber seine Einstellung ist: „Solange man gesund ist, ein Dach über dem Kopf und Essen hat, geht’s schon weiter.“
Auch das Grammatikoff sagt Veranstaltungen ab
Das Grammatikoff sagt alle Veranstaltungen bis zum 21. März ab. Das Kulturhaus im Dellviertel hatte für Freitag Livemusik, einen Kicker, Brettspiele und eine Spielkonsole organisiert. 300 Gäste haben die Betreiber erwartet.
„Die Sperre kann aber auch länger dauern“, sagt die Mitarbeiterin Anna Wittrak. Sie hat Verständnis für die Verordnung der Stadt, Veranstaltungen zu streichen. „Das macht schon Sinn. Man muss jetzt alles dafür tun, die Krankheit einzudämmen.“ Die Stimmung im Team sei sehr gut. Sie hätten keine Panik.
Die Diskothek Pulp in Wanheimerort bleibt die nächsten beiden Wochenenden geschlossen. Wann sie wieder öffnet, steht noch nicht fest. Die Geschäftsführerin Zeljka Orec wollte sich nicht zu der Schließung äußern. Sie habe anderes zu tun, teilt eine Angestellte des Pulps am Telefon mit.
Das Oberbayern an der Koloniestraße darf am Wochenende geöffnet bleiben. Der Geschäftsführer des Oberbayern, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt: „Bei uns läuft erstmal alles weiter wie immer, auch wenn gerade viel Wirbel ist.“
„Ich habe Existenzangst“
In anderen Gaststätten legen Betreiber Gästelisten an oder fordern Gäste auf, ihre Hände vor dem Eintritt zu desinfizieren. „Sowas gibt es bei uns nicht“, sagt der Gastronom. Er habe mit dem Ordnungsamt Duisburg telefoniert. Es hat ihm geraten, die Updates des Robert-Koch-Instituts auf deren Website zu verfolgen und umzusetzen. Daran halte er sich.
Persönlich setzt ihm die Debatte um eine mögliche Schließung seiner Kneipe zu: „Ich habe die letzten Nächte nicht geschlafen. Ich habe Existenzangst.“
Er müsse Miete, Strom und Mitarbeiter bezahlen. Schließlich sei er an der Front und verantwortlich für das Geschäft. „Ich zittere von Woche zu Woche.“ Von der Stadt fühlt er sich nicht allein gelassen. „Für so eine Situation kann ja niemand was.“
„Es ist eine Frage der Verantwortung“
Das Djäzz in der Duisburger Innenstadt sagt Veranstaltungen ab, obwohl sie nicht von der Verordnung betroffen sind, es passen nur 190 Personen in den Saal. „Das ist eine Frage der Verantwortung“, sagt Geschäftsführer Özkan Ulucan.
Er will die „Kettenreaktion der Ansteckung“ nicht vorantreiben. Im Monat habe er Kosten in Höhe von 4000 Euro. Die freiwillige Schließung birgt ein finanzielles Risiko, zumal er von der Stadt keine Unterstützung erwartet. „Der Zeitpunkt ist besonders ungünstig: im Winter müssen wir einen finanziellen Puffer erarbeiten, weil im Sommer weniger Leute feiern gehen.“
„Das Virus bestimmt uns“
Die Studentenkneipe Finkenkrug sagt nur die Quizrunden am Montag ab. „Ansonsten ändern sich die Öffnungszeiten nicht“, sagt Inhaber Roland Jahn. Die Angst vor dem Coronavirus macht sich in der Kneipe aber schon bemerkbar: am gesteigerten Seifen- und Papiertuchverbrauch. „Die Jungs waschen sich mehr die Hände.“
Die Nachrichten über die Ausbreitung des Virus beängstigen den Inhaber aber schon. Er erzählt, dass er bei der Metro am Freitagabend 45 Minuten an der Kasse stand. Es sei wie Weihnachten gewesen: „An fünf Kassen standen je zwei Reihen. Bis hinten zur Fleischtheke.“
Er beschreibt die Stimmung gerade als Ohnmacht. „Das Virus bestimmt uns!“ Mit Sorge blickt er auf kleine, inhabergeführte Kneipen. „Das wird viele den Kopf kosten.“