Duisburg-Rheinhausen. Sven Benentreu wuchs in prekären Verhältnissen auf. Mit 18 zog er zu Hause aus, machte Abitur, studiert Politik und trat der FDP bei.
Sven Benentreu hat sich schon mal angeschaut, was ihn in der Bezirksvertretung erwartet, der er künftig angehören wird. „Im Studierendenparlament ging es manchmal wilder zu“, sagt der 27-jährige Liberale über die jüngste Sitzung. Das meint er nicht negativ. Konstruktiv sei über die Gaterwegbrücke und anderes gesprochen worden. Er denkt, dass die Mitglieder für gute Argumente aufgeschlossen sind. Vor Jahren schon war er ins Parlament der Uni Duisburg-Essen gewählt worden und schnell zum Vorsitzenden der Juli-Hochschulgruppe avanciert. „Ich mach so etwas ja nicht, um nur zuzuschauen“, sagt er selbstbewusst.
Er freut sich auf sein politisches Mandat, das ihm durch den Rückzug von Parteifreund Oliver Alefs ermöglicht wurde. Der 47-Jährige, der bei der Kommunalwahl am 13. September auch in den Stadtrat gewählt worden war, hatte zugunsten des Jüngeren auf einen Sitz in der Bezirksvertretung verzichtet.
Benentreu hofft, dass er als Stimme der jüngeren Generation Gehör findet. Neben Katharina Pfennings von der CDU ist er als einziges Mitglied jünger als 30 Jahre. „Zuviel alte, weiße Männer sitzen in Gremien“, sagt er. Die Erfahrung der Alten möchte er nicht missen, die Jungen können von ihnen lernen, aber Jung und Alt müssen in einer Balance stehen. Die sieht er noch nicht.
Aus prekären Verhältnissen ausgebrochen
Er begreift sich aber auch als Vertreter von Menschen, die nicht aus den besten Elternhäusern kommen. Rückblickend spricht er von einer sozial prekären Situation und einem unpolitischen Umfeld, in dem auch keine Tageszeitung gelesen wurde. Die Familie bezog Hartz IV. Er selbst ist mit 18 dann ausgezogen, bekam als Abiturient Geld vom Jugendamt. Das war ein mutiger Schritt für einen jungen Mann, der aber wusste, was er wollte.
Von der Realschule war er in die Oberstufe der Heinrich-Heine-Gesamtschule gewechselt und wollte studieren. Er entschied sich zunächst für Architektur und Städtebau in Dortmund, was aus unterschiedlichen Gründen ebenso falsch war wie die Entscheidung für Mathematik als Leistungskurs – aber an der Schule gab es für ihn kein Zurück mehr, nachdem er den Irrtum bemerkt hatte. In der 11 hatte er noch Einsen geschrieben, weil der Stoff für ihn pure Wiederholung war. Im Abi reichte es dann gerade für ein Ausreichend.
Ein Job an der Tankstelle
Inzwischen studiert er in Duisburg Politik, interessiert sich für junge oder schwache Demokratien in Arabien oder Asien und die Rolle der Sozialen Netzwerke, was in eine Abschlussarbeit für seinen Bachelor münden soll. Dass er den Master dranhängt, ist beschlossene Sache. Was macht so jemand bei der FDP, der Partei des Mittelstands? Diese Frage kennt er und er hat sie sich gestellt. Seine Erfahrung bestätigt längst diese Entscheidung.
Das Aufstiegsversprechen als politische Schlüsselfrage
Es ist das gesellschaftliche Aufstiegsversprechen, das zu einer Schlüsselfrage für ihn geworden ist. Die etwas leisten wollen, sollen auch belohnt werden, lautet das Credo der Liberalen. Als er sich auf die eigenen Füße stellen wollte, musste er die Erfahrung machen, dass Bezieher von Hartz-IV, wenn sie selbst etwas verdienen wollen, nicht nur entmutigt, sondern auch bestraft werden. Denn das Einkommen, das er an der Tankstelle verdienen wollte, wäre ihm von den Zahlungen des Jugendamtes abgezogen worden. So musste er noch einige Zeit warten, bis er seinen Job antreten konnte. Mit dieser Geschichte hätte es ihn auch zur SPD ziehen können. „Aber die haben Hartz IV doch zu verantworten“, kontert er.
Zu den Politikern, die er schätzt, gehören die ehemaligen Bundesvorsitzenden der Julis Johannes Vogel, Konstantin Kuhle und der aktuelle, Jens Teutrine, der sich ebenfalls vieles erarbeiten musste. Auch bei den lokalen Julis, deren Vorsitzender Benentreu seit vier Jahren ist, gebe es eine gute soziale Mischung, gibt es den Auszubildenden ebenso wie den Rechtsreferendar, den Mitarbeiter eines Start-Ups und den Chemiepromovenden.
Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger WestenEr hat den Eindruck, dass die FDP es ernst meint mit der Einbindung der Julis. Sie haben mit Kira Schulze-Lohoff eine Ratsfrau und stellen auch zwei Bundestagskandidaten. Auch bei der Programmdiskussion haben sie Vorstellungen einbringen können. Wie die Einrichtung eines Konsumraums für Drogenabhängige im Kantpark. „Das war nicht einfach“, räumt er ein, „aber die Argumente überzeugten.“ Neben den Problemen mit dem Lkw-Verkehr in Rheinhausen sieht er seine Kernthemen in Bildung und Digitalisierung. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Nachholbedarf groß ist, vorhandene Mittel aber auch nicht abgerufen wurden.