Duisburg.. Massive Attack liefern gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Adam Curtis bei der Triennale eine Collage über den Tod der Utopien, über die Unberechenbarkeit der Zukunft und über die Versuche, die Welt zu managen. Dabei tauchen sie das Publikum teils in ein Meer aus Bässen und Rückkopplungen.
Ist die Zukunft berechenbar? Kann man die Welt in all ihrer Komplexität managen? Bestehen wir letztlich nur aus Zahlen und Fakten, aus „Big Data“? Es sind gewaltige und brennend aktuelle Fragen, die bei „Massive Attack V Adam Curtis“ aufgeworfen werden, einer beeindruckenden, reizüberfluteten Kreuzung aus Doku-Videocollage und Konzert, die die Ruhrtriennale in die Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks Nord brachte.
Die Zuschauer stehen mitten in dieser Installation aus großen Leinwänden, die das hintere Viertel der Kraftzentrale ummanteln. Der Botschaft selbst kann sich der Zuschauer also kaum entziehen. Wer aber etwas von der Band sehen möchte, muss bis ans Ende des Raums vordringen, wo hinter einer der Leinwände die Musiker stehen und nur in manchen Momenten sichtbar angestrahlt werden – immer dann, wenn vor allem der Sound die Botschaft transportiert.
Die Trip-Hop-Band Massive Attack aus Bristol hat gemeinsam mit dem BBC-Dokumentarfilmer Adam Curtis diese Collage über die Versuche, die Welt berechenbar und die Zukunft gestaltbar zu machen, entwickelt. Sie spannt einen Bogen von den frühen 60er-Jahren bis heute, springt immer dorthin, wo Menschen glauben, die Welt berechnen zu können, wo Menschen Utopien entwickeln, wo sie daran scheitern.
Afghanistan, Tschernobyl, 9/11
Massive Attack greifen dazu etwa die Geschichte des russischen Punkpioniers Jegor Letov heraus, der schon in den 1970er-Jahren zu einer wichtigen, unglücklichen Figur der russischen Underground-Punkbewegung wurde. Oder sie erzählen von der britischen Pop-Art-Künstlerin Pauline Boty, bei der auf dem Höhepunkt ihres Schaffens Krebs entdeckt wurde. Sie ließ sich nicht behandeln, weil sie schwanger war und sich für das ungeborene Leben entschied.
Massive Attack und Adam Curtis springen von den Pionieren der Wahrscheinlichkeitsberechnung zu großen politischen und weltgeschichtlichen Ereignissen: Afghanistankrieg, Tschernobyl, Glasnost und 9/11, oft in einer Flut von absurden Zeitgeist-Aufnahmen.
Lärmfluten und zerbrechliche Lieder
Dabei tritt die Musik in den Hintergrund. Doch Massive Attack mischen auch hier bekannte Songs wie Dusty Springfields „The Look Of Love“ (hinreißend zerbrechlich gesungen von Elizabeth Fraser) zu „Just Like Honey“ von Jesus & The Mary Chain oder „Bela Lugosi Is Dead“ von Bauhaus.
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Nicht allzu oft bekommt man die typischen Trip-Hop-Klänge der Band zu hören, dann aber versinkt die Halle wieder in Industrial-Bassgewittern und Lärmfluten – so eindringlich, dass viele sich die Ohren zuhalten oder in den hinteren Teil der Halle fliehen. Der Applaus ist heftig und kurz, das Publikum beeindruckt und erschöpft.
Was bleibt? Die Gewissheit, dass Menschen versuchen, uns zu kontrollieren. Und dass nichts auf der Welt ganz gewiss ist.
- Für den Termin am Sonntag, 1.9., 20 Uhr, Kraftzentrale Duisburg-Nord gibt es noch Karten