Duisburg. Leserinnen wie Anneliese Münstermann (88) berichten von ihren Aufenthalten im Duisburger Schullandheim in Antweiler vor über 70 Jahren.


Unzählige Anrufe, Mails und Briefe: Die Resonanz auf die Geschichte über das einzig verbliebene Duisburger Schullandheim in Antweiler war so überwältigend, dass wir nun eine kleine Serie mit den Erinnerungen der Leser an ihre Aufenthalte starten.

Anneliese Münstermann (88) hat noch ihr Abschlusszeugnis von 1944 nach ihrem letzten Volksschulljahr Schuljahr in der Eifel aufgehoben.
Anneliese Münstermann (88) hat noch ihr Abschlusszeugnis von 1944 nach ihrem letzten Volksschulljahr Schuljahr in der Eifel aufgehoben. © Jörg Schimmel | Funke Foto Services






Die Schwestern Anneliese Münstermann (88) und Käthe Bongards (82), beide geborene Schneiders, haben 1943/44 ein ganzes Schuljahr in der Eifel verbracht – die kleine Käthe als Erstklässlerin, die ältere Anneliese hat als Achtklässlerin ihren Volksschulabschluss dort gemacht. Sie hat ihr Zeugnis mit vier Mal „Sehr gut“ unter anderem in „Führung“, Schullandheim-Stempel und Hakenkreuz bis heute aufbewahrt.

Ein sehr gutes Abschlusszeugnis bekam die 88-Jährige in der Eifel.
Ein sehr gutes Abschlusszeugnis bekam die 88-Jährige in der Eifel. © Jörg Schimmel | Funke Foto Services







Der Grund für den ungewöhnlich langen Aufenthalt der jungen Mädchen: Während des Krieges wurde ihre Schule, die Freiherr-von-Richthofen-Schule in Neuenkamp, geschlossen. „Da war die Flak drin“, sagt Käthe Bongards. Solche Flugabwehrkanonen wurden gegen Fliegerangriffe eingesetzt, die es in Duisburg zahlreich gab. Kein Wunder also, dass die Schwestern die Zeit in Antweiler genossen haben. „Wir fühlten uns dort beschützt“, erzählt Anneliese Münstermann. „Es gab keinen Fliegeralarm. Wir konnten nachts endlich mal wieder durchschlafen und uns vor allem satt essen. In Duisburg haben wir Hunger gelitten.“

Zwei Portionen für jedes Kind

Rektor Johannes Lohmüller, Gründer des Schullandheims 1929, sei täglich mit einem großen Topf und einer Schöpfkelle die Tische entlang gegangen und habe aufgepasst, dass jedes Kind zwei Portionen aß. „Es gab oft Gemüse untereinander und zum Nachtisch Quark“, so die 88-Jährige. „Ich bin da richtig aufgepäppelt worden.“

Lohmüller habe als streng religiöser Mann zudem ein Lied über die Heilige Theresia geschrieben, „das wir jeden Tag singen mussten“. Bis heute kennt Anneliese Münstermann jede Zeile. Sie erinnert sich auch an eine Theresienfigur, an der sie mit ihrer Schwester immer vorbeiging – auf dem Weg ins nahegelegene Limbachtal. „Dort haben wir Beeren gepflückt, aber auch Tannenzapfen gesammelt, womit die Heizung gestopft wurde“, erzählt Käthe Bongards.

Fliegerangriff auf der Rückfahrt

Heimweh habe sie nie gehabt. „Unsere Mutter kam alle vier Wochen, brachte frische Wäsche und blieb über die Wochenenden in einem Gasthof“, so die 82-Jährige. „Sie hat uns nach dem Schuljahr auch in Antweiler abgeholt.“

Auf der Rückreise holte die Familie der Krieg wieder ein. „ Unser Zug wurde in Düsseldorf-Derendorf von Tieffliegern beschossen“, erzählt Käthe Bongards. „Wir mussten alle raus und haben uns unter eine Eisenbahnbrücke geflüchtet. Nach dem Angriff sind wir dann den weiten Weg zu Fuß nach Neuenkamp gelaufen.“

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. © Hannelore von Kreyfeld | Unbekannt







Annie Traudner (88) aus Neudorf hat ebenfalls 1943/44 ein Schuljahr in Antweiler verbracht. Sie besuchte die Schule an der Pappendelle in Stadtmitte und war auch froh, den Kriegswirren zu entkommen - ebenso wie Marianne Hülskath (89), frühere Schülerin an der Hochfeldstraße. Sie war 1940 allerdings nur für rund drei Wochen in der Eifel. An die großen Schlafsäle erinnert sich die 89-Jährige aber noch genau oder an die Spaziergänge ins Dorf, vorbei einer kleinen Schmiede, wo Pferde beschlagen wurden. „Wir haben dann immer das Lied ,Bruder Jakob’ gesungen.“ Es sei eine wunderbare Zeit gewesen, die später auch ihre Tochter Anke, heute 57, und ihr Enkel (16) erleben durften.

Rosemarie Lissel (86) ist 1941 der Abschied von Zuhause dagegen schwer gefallen. „Meiner Mutter auch“, so die Buchholzerin, die zur Schule am Buchenbaum in Stadtmitte ging. „Es war Krieg und sie hatte Angst, dass sie mich nicht mehr wiedersieht, obwohl ich nur 14 Tage in Antweiler war. Ich hab dann aber dort viel Spaß gehabt.“

Hannelore von Kreyfeld besitzt noch ein selbst gemachtes Album ihres Vaters Max Biesolt von dessen Aufenthalt in der Eifel. Als 13-Jähriger war er dort 1929 im Gründungsjahr des Schullandheims. „Die Schüler mussten ein Tagebuch in Form von Briefen an die Eltern führen“, erzählt die Tochter. „Es wurde alles in deutscher Schönschrift verfasst, mit hübschen Bildern verziert und selbst gebunden. Mein Vater hat immer von dieser Zeit geschwärmt.“

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