Duisburg.. Kammer und Zentralverband des Handwerks: Firmen sollen auch das Potenzial der jungen Zuwanderer nutzen, um den Nachwuchsmangel zu lindern.

Jedes Jahr 2,7 Prozent weniger Schulabgänger, lieber Studium statt Berufsausbildung – diese Trends machen dem Handwerk die Nachwuchswerbung zunehmend schwerer. Die Image-Kampagne für die 130 Ausbildungsberufe trägt allerdings erste Früchte, bilanzierten Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) und Handwerkskammer Düsseldorf am Montag. Die Standesvertreter waren zu Gast bei Elektro Venn in Neumühl, dessen Chef Lothar Hellmann ist Präsident der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH).

Handwerk wird internationaler

„In 2014 hatten 17 % der Azubis im ersten Lehrjahr die Hochschulreife, die Quote der aufgelösten Lehrverträge war mit 13,9 % immer noch hoch, aber deutlich rückläufig, zwei Prozent der neuen Lehrlinge waren Studienabbrecher“, bilanziert Andreas Ehlert, Präsident von Handwerkskammer Düsseldorf und Handwerkstag NRW.

Der verstärkte Zuspruch von Gymnasiasten und Studien-Aussteigern werde allerdings nicht reichen, um den Rückgang bei der Zahl der Ausbildungsverträge (zuletzt -4,6 Prozent) und den Mangel an Fachkräften im Handwerk (bundesweit rund 600.000 laut ZDH) zu beheben. Es gelte, die Bemühungen um jene 20 000 Jugendlichen zu verstärken, die am Anfang des Ausbildungsjahres in NRW noch ohne Ausbildungsplatz dastehen. „Die Handwerkskammer hat deshalb ihre Beratung neu strukturiert und das Team ergänzt“, sagt Ehlert. ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer verweist auf bundesweit 10 000 Plätze in der sogenannten „assistierten Ausbildung, die das Handwerk zur Verfügung stellt, um schwächere Jugendliche fit zu machen für eine Ausbildung. Andreas Ehlert: „Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, um dieses Missverhältnis aufzuheben.“ Das gilt auch für die jungen Frauen – für diese Zielgruppe setzt die Kammer auf gezielte Information über die Berufsbilder. „Es gibt eigentlich keinen Beruf, den eine Frau nicht ausüben könnte“, betont der Düsseldorfer Kammerpräsident.

Hoffnungen des Handwerks richten sich auch auf das Potenzial junger Zuwanderer. „Ihre Integration ist eine Nagelprobe für unsere Gesellschaft“, glaubt ZDH-Präsident Wollseifer. Ideal geeignet sei das Handwerk, um den Zugang in den Arbeitsmarkt zu eröffnen, betont er. Allerdings sei es bei der Berufsvorbereitung in seinen bundesweit 350 Bildungsstätten auf Hilfe beim Spracherwerb angewiesen. „Dafür müssen an den Schulen genügend Lehrer zur Verfügung gestellt werden“, so Dr. Axel Fuhrmann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf.

„Das Handwerk wird internationaler“, prognostiziert deren Präsident Andreas Ehlert. Bei Elektro Venn, dem Betrieb von Kreishandwerksmeister Lothar Hellmann, ist das längst Realität. Bei seinen zwölf neuen Azubis hat Marko Askovski mazedonische, Domenec Ferreira portugiesische Wurzeln, Joel Kabangu kam aus dem Kongo nach Duisburg. Die Familie von Martin Kost wanderte aus Polen zu, als er sechs Jahre alt war. Jetzt ist er direkt im zweiten Lehrjahr eingestiegen, nachdem er ein Studium in Informatik, Mathe und Nano-Engineering abgebrochen hat. „Mir ist es egal, woher die jungen Leute kommen. Mich interessiert lediglich, was sie können“, sagt sein Chef Lothar Hellmann.

Kammer-Hauptgeschäftsführer: Berufskollegs müssen gestärkt werden

Die Handwerksverbände registrieren eine steigende Zahl von jungen Flüchtlingen und Zuwanderern aus Kriegs- und Krisen-Regionen unter den Auszubildenden. Ihre Zahl belief sich in NRW auf 5830 bei insgesamt fast 82 000 neuen Ausbildungsverträgen. Zum neuen Lehrjahr stellten Firmen im Kammerbezirk 241 Migranten aus Krisenregionen als Auszubildende ein.

Damit junge Zuwanderer in Integrationsklassen Deutsch lernen und auf eine Ausbildung vorbereitet werden, gelte es, die Lage an den Berufskollegs zu verbessern, fordert Dr. Axel Fuhrmann von der Handwerkskammer Düsseldorf: „Die Berufskollegs sind die Verlierer der Schulreformen. Eine Exzellenz-Initiative wäre ein starkes Zeichen.“

Zu einseitig sei der Unterricht an den Gymnasien, beklagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer: „Handwerkliche Begabungen werden dort nicht gefördert.“