Duisburg. Um die Frühchen in der Helios St. Johannes Klinik wird sich auch in der Nachtschicht liebevoll gekümmert. Die NRZ war mit den Kinderkrankenschwestern auf Nachtschicht.

Über dem Inkubator, in dem das winzige Mädchen, das in eine große Männerhand passen würde, schläft, liegt ein dunkelrotes Tuch. „Ähnliche Lichtverhältnisse wie im Bauch der Mutter“, sagt Kinderkrankenschwester Petra Michel flüsternd. Schon vor Dienstbeginn schaut sich nach dem Frühchen, das sie liebe voll „Mini-Mäuschen“ nennt.

Im dem Brutkasten herrscht nicht nur das perfekte Licht für die sogenannten Frühchen, auch die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit sind den Verhältnissen im Mutterbauch nachempfunden. Die Frühgeborenen liegen zudem auf einer speziellen Matratze, die, weich genoppt, sich für die Kleinen ähnlich anfühlt wie im Bauch.

Fotocollagen, gebastelt von dankbaren Eltern

Das Frühchen wird auf der Station 41, dem Perinatalzentrum der Kinderklinik der Helios St. Johannes Klinik Duisburg, versorgt. Hier beginnt die Nachtschicht um 20.15 Uhr, zur besten Spielfilmzeit, mit der sogenannten Übergabe. Um 6 Uhr morgens ist Schichtende. Sechs Kinderkrankenschwestern sitzen bei Kaffee und Tee im Schwesternzimmer zusammen. Die Krankenschwestern, deren Dienst mit der Übergabe endet, haben Patientenakten vor sich aufgeblättert und gehen die einzelnen Fälle durch.

Die Wände hängen voll von Babyfotos und Dankesschreiben, liebevoll von Eltern zusammengebastelt. „Es gibt ein Mädchen, das kommt seit 14 Jahren zu ihrem Geburtstag mit einer Torte hier vorbei, um sich bei uns zu bedanken - sie war eines unser Frühchen“, erzählt Petra Michel.

Einige bleiben nur kurz, andere Babys mehrere Monate

Der Chefarzt der Kinderklinik, Dr. Peter Seiffert, schaut noch mal im Schwesternzimmer vorbei, bevor er Dienstschluss hat. Jetzt gerade ist er hier allein unter Frauen - in der Nachtschicht wird die Ärztin Dr. Houyem Hachemi gemeinsam mit drei Schwestern Dienst auf der Station haben.

Zehn Babys liegen derzeit auf der Kinderintensivstation, nicht alle davon sind Frühchen. Es sind auch Kinder mit schweren Erkrankungen dabei, die hier optimal behandelt werden können. Einige bleiben nur kurz, andere Babys mehrere Monate - und in Einzelfällen auch Jahre. Es wäre auch noch für mehr Frühchen Platz. Manche Babys liegen allein in einem Raum, in manchen Zimmern liegen bis zu drei. „Das kommt ganz darauf an, warum die Kinder hier sind“, sagt Michel.

Die Kinderkrankenschwestern kennen ihre kleinen Patienten sehr genau, in knappen Sätzen erzählt die Spätschicht, was in den Stunden zuvor passiert ist. Wer wie viel getrunken hat und welche Medikamente bekommen hat. Wer Fieber hatte und wer weinerlich war.

Es wird in routinierter Geschwindigkeit in Abkürzungen, Zahlen und Fachausdrücken geredet - doch manchmal fallen Sätze, die auch für nicht medizinisch Gebildete verständlich sind: „Der Stuhl war schön breiig und hat gut gerochen“, „Er hat die Flasche einfach so weggezogen, die war schnell leer“, „der Po sieht richtig gut aus im Vergleich zu gestern“.

"Wir versuchen, die Kleinen möglichst wenig Stress auszusetzen"

Immer wieder fiept es zwischendurch, eine der Schwestern springt auf und ist innerhalb von Sekunden in einem der Räume nebenan, um an dem Monitor, der veränderte Werte gemeldet hat, nachzuschauen, was los ist. Bei einigen der Babys werden unter anderem die primären Vitalfunktionen - Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung im Blut und Atemfrequenz - dauerhaft beobachtet.

Die Jalousien der Babyzimmer sind dreiviertel heruntergelassen, es ist schummerig in den Räumen, deren große Glasscheiben mit fröhlichen Fensterbildern beklebt sind. „Wir versuchen, die Kleinen möglichst wenig Stress auszusetzen“, erklärt Schwester Petra, „dazu gehört nicht nur, den Lärmpegel und den Lichteinfluss gering zu halten, sondern auch das sogenannte Minimal Handling - wir stören das Kind so selten wie möglich, alles, was mit dem Baby getan werden muss, wird möglichst zu einer Zeit gemacht.“ Jede Schwester versorgt mehrere der kleinen Patienten, wobei manche mehr Betreuung benötigen als andere. Schwester Petras „Mini-Maus“ ist 52 Tage alt und kam in Woche 25 plus 6 Tage zur Welt. „Bei uns zählt jeder Tag“, erklärt Petra Michel.

Eltern werden miteingebunden

Ein Vater schaut schüchtern um die Ecke, er hat ein weißes Tuch auf der Schulter, Petra Michel versteht ihn ohne viele Worte und begleitet ihn zu seinem Kind. Er wird in die richtige Position auf einen Stuhl gesetzt. Er stellt seinen Fuß erhöht auf einen Hocker, und nimmt vorsichtig seinen Sohn auf den Arm, um ihn die Flasche zu geben.

Es ist 21.15 Uhr, im Laufe der Nacht werden noch andere Mütter und Väter leise über die Gänge schleichen, um nach ihren Kindern zu sehen und sie zu versorgen. „Wir versuchen, die Eltern möglichst mit einzubinden und sie viel machen zu lassen“, sagt Schwester Petra. Die Schwestern würden nicht nur die Kinder versorgen, sondern ebenso die Eltern. Dazu gehört auch eine Stillberatung für die Mütter und ein liebevoll gestaltetes Stillzimmer, in dem unter anderem eine Milchpumpe steht.

Spezielle Nuckel gegen „Stillverwirrtheit“

Manche der Frühchen müssen bis zu neun Mal pro Tag gefüttert werden, in Ausnahmefällen noch häufiger. Natürlich auch in der Nacht. Die Mütter, die noch in einer anderen Abteilung des Krankenhauses liegen, verabreden mit den diensthabenden Schwestern, wann sie nachts auf die Station kommen sollen zum füttern. Für Babys, die sowohl gestillt wie auch mit der Flasche ernährt werden, gibt es spezielle Nuckel. „Gegen Stillverwirrtheit“, wie Schwester Petra erklärt, bevor es wieder bei ihrem „Mini-Mäuschen“ fiept - zum zehnten Mal in dieser Stunde. Eine verhältnismäßig ruhige Nacht für die Kinderkrankenschwester.