Duisburg.. Der Konflikt um die von Roma bewohnten Häuser in Duisburg-Rheinhausen schaukelt sich immer weiter hoch. Rechte und Linke beziehen Stellung, ein Informations-Abend des Bündnisses „Bürger für Bürger“ eskaliert und die Polizei stürmt in Häuser. Trotz all der Turbulenzen kann ein Pfarrer der Situation etwas Gutes Abgewinnen.
Achtstöckig sind sie, ihre Balkone sind randvoll mit Hausrat, die Duisburger Roma-Häuser In den Peschen. Seit Samstag werden sie nun von der Polizei bewacht, auch nachts ist dort ein Streifenwagen postiert. Denn am Abend zuvor ist die Situation rund um die Häuser im Stadtteil Rheinhausen eskaliert.
Es soll ein Info-Abend werden beim Verein „Bürger für Bürger“, doch er entgleitet zügig. Zu emotional ist die Stimmung, zu aufgeheizt, sie reden weniger, sie beschimpfen einander. Nachbarn hier, vom Problemhaus entnervt; Vertreter der Nachtwache, andere Linke da, von den Nachbarn entnervt. Zwei Seiten in Rage. Danach, so die Polizei, sollen Linke aus der autonomen Szene Leute, die aus der Versammlung kamen, mit Stöcken geschlagen, mit Reizgas besprüht haben. Vier Menschen werden verletzt. Am Ende stürmt die Polizei in die Hochhäuser, wohin einige der Verdächtigen flohen. Ein Bewohner, der Polizisten dort angegriffen haben soll, wird ebenso festgenommen wie zwei Linksautonome.
Kampf um die Deutungshoheit
Bürgerwache für Roma in Duisburg
Der Verlauf ist umstritten, noch am Sonntag kämpfen alle Seiten um die Deutungshoheit. So beschreibt das „Duisburger Bündnis gegen Antiziganismus“ denselben und doch einen ganz anderen Abend: Es habe „Angriffe durch eine Ansammlung der aufgebrachten rassistischen Bürger*innen & Nazis“ gegeben und einen „brutalen Polizeieinsatz“. Eines aber steht nun wirklich fest: Es schaukelt sich auf um die Häuser.
„Die Situation hat sich deutlich verändert. Die Gewalttäter haben deutlich gemacht, dass sie von Meinungsfreiheit in diesem Staat nichts halten“, sagt Duisburgs Oberbürgermeister Sörn Link (SPD). „Gewalt kann die Probleme, die wir In den Peschen und in der Beguinenstraße haben, nicht lösen. Es ist unerträglich, dass Krawalltouristen, die zum großen Teil nicht aus Duisburg stammen, die schwierige Situation vor Ort für ihre fragwürdigen Parolen ausnutzen“, so Link.
Er verurteilt die Übergriffe und fordert Einschreiten von links und rechts: in der Heimat der Roma für Aussichten zu sorgen. Mehr Sprachförderung in Deutschland. Und ein bundesweites Wiedereinreiseverbot. Auch Heiner Augustin, der Pfarrer der evangelischen Friedenskirche, kommt zu einem übergeordneten Schluss: „Für mich bleibt übrig, dass inzwischen gewaltbereite Kräfte die Situation nutzen, um sie für ideologische Zwecke zu missbrauchen. Das ist eine Eskalation, die keiner will“.
Augustin gehört zu den Initiatoren des Runden Tisches „Offenes Rheinhausen“, der sich vor rund einem Jahr gebildet hat, nachdem sich Nachbarn immer häufiger über Müll und Lärm beschwert hatten. Ein Kreis um ihn und die Lehrerin Annegret Keller-Steegmann, die sich für Roma-Kinder engagiert, hatte außerdem in den letzten zehn Nächten Wachen organisiert, weil es oft zu Provokationen aus der rechten Szene gekommen war.
Rechte Splittergruppen ziehen vor der Wahl ihre Kreise
Und die nächste steht bevor: Wie stets vor Wahlen, klappern rechte Splittergruppen derzeit Moscheen und Problemviertel ab, damit irgendjemand sie wahrnimmt, also, die Splittergruppen. So wird „pro Deutschland“ nach einschlägigen Auftritten in Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen und Essen am Donnerstag auch in Duisburg erscheinen. Erst vor der Merkez-Moschee in Marxloh, nachmittags dann In den Peschen. Bis zu 50 Leute sind angemeldet, doch die Erfahrung lehrt, zu so vielen reicht es nicht.
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„Wir gehen dahin, wo es weh tut“, kündigt die Gruppe an, während linke Organisationen dazu aufrufen, ihr „die Tour zu versauen“. Die Polizei bleibt dabei recht gelassen, „wir hatten letzte Woche die NPD hier, das hat keiner gemerkt“, sagt Sprecher Ramon von der Maat. Er erwartet, dass bald Gegendemonstrationen angemeldet werden; dann wird die Polizei wieder beide Seiten auseinander halten müssen.
Bei all dem sieht Augustin, der Pfarrer, auch positive Folgen des Zusammenpralls nach dem Bürgerabend: „Wenn die Polizei nun dort Wache steht, sehen wir unsere Aufgabe als erfüllt an. Es gibt dort so viel Angst, wir sind froh, dass die Polizei das jetzt macht.“