Duisburg.. Thomas rauchte zwei Jahre lang an jedem Tag Gras. Am Ende bekam er eine Psychose. Nun ist er „clean“ – und warnt im Gespräch vor dem Drogenkonsum.

Am Ende hörte er Stimmen, fühlte sich verfolgt, faselte vom FBI, da brachte ihn die Familie in die Psychiatrie. Zwei Jahre permanenter Cannabis-Konsum lagen hinter Thomas (Name von der Redaktion geändert). Schon vor der Schule zum Wachwerden hatte er Gras geraucht und sich den ganzen Tag mit nicht viel anderem beschäftigt. Die Folge: eine Psychose, die jetzt aufwendig therapiert werden muss.

Thomas ist 20 Jahre alt, das Fachabi schaffte er so gerade eben, die Ausbildung zum Maschinenbauer musste er jedoch abbrechen. Jetzt ist er seit drei Monaten „clean“, kämpft gegen den Suchtdruck. Mit seinen Kumpels, den Mitschülern, hat er keinen Kontakt mehr, sonst wäre die Verführung sofort wieder da, befürchtet er. Wenn die Therapie beendet ist, will er aus Duisburg wegziehen, „das wird es mir erleichtern, nicht in alte Muster zurückzufallen“, hofft er.

Kundenakquise auf dem Schulhof

Auch finanziell ist Cannabis verlockend. Thomas kaufte privat bei einem Dealer 25 Gramm, verkaufte 20 und konsumierte den Rest. Ein lohnendes Geschäft. Ein einfaches Geschäft, denn die Kundenakquise lief auf dem Schulhof, nur der Handel wurde später außerhalb abgewickelt. In Deutschland müsste es Sicherheitsdienste an den Schulen geben, so wie in Amerika, findet Thomas, dann wäre die Gefahr, erwischt zu werden, viel zu groß und er hätte sich nicht auf solche Deals eingelassen.

Cannabis-Konsum wieder leicht gestiegen"Kiffer sitzen in der Klasse immer hinten"

Für einen Joint im Kreis der Freunde verließ man den Schulhof, baute zwei Tüten, die sich sechs oder sieben teilten. „Die Augen verraten einen später im Unterricht“, weiß Thomas, „aber Kiffer sitzen sowieso immer hinten“. Immerhin mache Gras aktiv, dann sei man nicht so müde. Mitgekriegt hat er im Unterricht aber nichts, für Klausuren hat er sich kurzfristig in den Kopf gepresst, was hineinpasste. Und seinen Konsum ausgeweitet auf Koks und Pep, „das hätt ich aber nicht an Schüler verkauft, das ist ja asi“, erklärt er seine Dealer-„Ehre“.

Heute, seitdem er „clean“ ist, fühlt sich Thomas wieder „frisch im Kopf, ich krieg viel mehr mit“. Und empfiehlt heute jedem, gar nicht erst anzufangen. „Wenn du die Hemmschwelle einmal übertreten hast, ist es zu spät“, glaubt er.

Körperlich seien die Entzugserscheinungen gar nicht so wild gewesen. „Ich habe viel geschlafen und viel geschwitzt.“ Aber die psychische Abhängigkeit sei enorm – und schwer in den Griff zu bekommen. Dankbar ist er über die Gespräche in der Jugendsuchtberatung: „Das hilft mir, nicht rückfällig zu werden.“

Jugendsuchtberatung in Duisburg hilft auch Cliquen

Im Jahr 2013 haben insgesamt 320 Menschen die Angebote der Jugendsuchtberatung des Suchthilfeverbund Duisburg e.V. in Anspruch genommen, davon waren ca. 93 Personen unter 18 Jahre.

Die Angebote der Jugendsuchtberatung umfassen Psychosoziale Beratung für Einzelpersonen und ganze Cliquen, die Mitarbeiter helfen bei der Nachsorge und vermitteln in stationäre Entzugs- und Entwöhnungsbehandlungen.

DrogenAlkohol und Drogen im Blickpunkt

Außerdem gibt es Projekte wie FreD - Frühintervention für erstauffällige Drogenkonsumenten in Form von Kursangeboten, Cliquen- oder Einzelberatungen und HaLT (Hart am Limit) – ein Angebot für Jugendliche, die übermäßig viel Alkohol trinken oder wegen einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden mussten, sowie Realize it – ein Beratungsprogramm für Jugendliche und junge Erwachsene, die ihren Konsum von Cannabis reduzieren oder einstellen möchten.

Weitere Infos zu den unterschiedlichen Hilfsangeboten gibt’s im Netz: www.suchthilfeverbund-duisburg.de oder 0203/7281 266-0.

Polizist geht regelmäßig mit Ex-Junkie zur Schule

Bei Jörg Bialon, dem Jugendbeauftragten der Polizei, sind aus den letzten sechs Monaten zwei Fälle aus Duisburger Schulen zum Thema Drogenkonsum bekannt. „Cannabis ist ein weit verbreitetes Jugendproblem, also hat auch jede Schule damit zu tun“, sagt Bialon.

Er geht regelmäßig mit einem ehemaligen Junkie in Schulklassen, um die Gefahren von Drogen zu verdeutlichen. Denn: „Cannabis ist längst keine weiche Droge mehr. Zu Hippie-Zeiten lag der THC-Gehalt bei zwei bis drei Prozent, heute bei bis zu 20 Prozent“, verdeutlicht Bialon.

Irreparable Schäden bei Jugendlichen

Regelmäßiger Konsum verursacht irreparable Schäden, vor allem bei Jugendlichen, das hätten Langzeitstudien deutlich gezeigt. Die Diskussion rund um die Freigabe von Cannabis zur Schmerzbekämpfung bei chronisch Kranken gebe Jugendlichen ein falsches Signal. Zumal der THC-Gehalt bei medizinisch eingesetztem Cannabis bei 1,5 bis 2 % liege und unter ärztlicher Aufsicht verabreicht werde, erklärt Bialon.

Unter Schülern kursiert auch die Meinung, dass geringe Mengen für den Eigengebrauch strafrechtlich kein Problem seien. Aber: „Jeder Krümel fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und zieht ein Strafverfahren nach sich“, betont Bialon. Zwar könne der Staatsanwalt bei geringen Mengen das Strafverfahren einstellen, aber bei Jugendlichen passiere das in der Regel nicht. Gerade bei Ersttätern kooperiere man eng mit der Suchtberatung, die spezielle Programme wie FreD (siehe Box) vorhalten.

Das sagen GEW und Schulleiter in Duisburg

„Sicher kommen Jugendliche mit Hasch in Berührung, daher ist das auch an Schulen ein Thema“, sagt Ernst-Heinrich Wardemann, Leiter der Gesamtschule Mitte. Bis Klasse 10 laufe da kaum was, sagt der Schulformsprecher, nur die Prävention setze schon früh an, „aber nicht nur zum Thema Drogen, auch Cyber-Mobbing oder die rauchfreie Klasse beschäftigen uns“.

Grundsätzlich kriege er viel mit von seinen Schülern, „wir sind ja bis 16 Uhr zusammen, ich versteck mich nicht nur im Büro.“ Bei Verdachtsmomenten werde der Drogenberatungslehrer eingeschaltet, auch das Elternhaus, „Aber toi, toi, toi, bislang mussten wir nicht groß tätig werden“, so Wardemann.

Für Norbert Müller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sind Drogen ein Thema in Fächern wie Politik oder Religion. In 40 Jahren habe er noch nie einen Schüler im Unterricht high erlebt. In der Anonymität eines großen Berufskollegs sei es sicher kein Problem, sich Drogen zu besorgen, der Konsum sei schwieriger. Auf Klassenfahrten sei Alkohol schon mal ein Thema. Aber insgesamt „sind die Schüler heute viel vernünftiger als wir es früher waren, keiner trinkt, wenn er noch Auto fahren muss, da waren wir viel salopper“.

Drogenkonsum ist „Pflichtthema im Rahmen der pädagogischen Arbeit“

Detlef Wöstefeld gibt für die Gymnasien weitgehend Entwarnung, in den letzten Jahren habe keine der Schulen einen Schüler wegen Drogenkonsums oder -handels der Schule verweisen müssen. Es sei ein „Pflichtthema im Rahmen der pädagogischen Arbeit“, betont er. Aber die Schule sei kein attraktives Feld für die Schülerschaft, da würden sich Parks oder Partylocations am Wochenende eher anbieten, glaubt Wöstefeld. Ein neueres Phänomen hätten die Hausmeister beobachtet, dass sich nämlich in der unterrichtsfreien Zeit Unbekannte auf den Schulhöfen treffen und womöglich mit Drogen handeln.

Beate Dincklage, Leiterin der Anne-Frank- und der Comenius-Hauptschule, sieht ihre Schulform im Vorteil, weil es ein kleineres System ist, Schulsozialarbeiter vor Ort sind. Aber im Ernstfall müsse die Polizei eingeschaltet werden, weil nur sie Schüler durchsuchen dürfe. Da gelte es, Zeichen zu setzen.