Fast 30 Jahre nach dem Tod des pfälzer Künstlers Johann Georg Müller (1913-1986) nennt es Kunsthistoriker Dr. Urs Roeber „eine echte Sensation“, dass das fotografische Werk, das als verschollen galt und „bislang nur als Phantom durch die Forschung geisterte“, aufgetaucht ist. Mit Duisburger Hilfe: Gab es doch anlässlich der Müller-Retrospektive in der Cubus-Kunsthalle im letzten Jahr den Hinweis auf eine Mappe mit 300 Akt-Fotografien sowie 142 übermalten Fotografien. Diese Werke, dazu Negative und Kontaktabzüge etwa von Stillleben wurden mit Hilfe der Dieter-und-Evelyn-Schwerin-Stiftung erworben und sind jetzt erstmals komplett unter dem Titel „Neue Formen des Schauens“ in der Cubus-Kunsthalle im Kant-Park ausgestellt; dazu ist ein umfangreicher Katalog „Bilder auf der Grenze“ erschienen. Müller gehört zwar nicht zu den bekanntesten, aber anerkannten Künstlern der Moderne.

Was erst auf den zweiten Blick erkennbar wird: Müllers Modell war stets seine letzte Frau, die 1952 geborene Beatrix Teufel, von ihm „die Taube“ genannt. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor.

Die Vertrautheit zwischen Künstler und Modell ist spürbar, ganz ungezwungen und natürlich posiert die Ehefrau nackt für ihren Mann, der ihren Körper und ihr Gesicht ausgiebig erkundet. Diese „Ganzkörper-Porträts“ einer selbstbewussten Frau, die sich schon mit Schwangerschaftsbauch vor die Kamera stellte, als das noch nicht Mode war, haben Müller wiederum zu Übermalungen angeregt. Dabei ist es mal das Gesicht, mal aber auch der Körper der „Taube“, den der farblich und strukturell neue Effekte verleiht. Gelegentlich sind auf den Fotografien aus dem Atelier auch gemalte Werke erkennbar.

Offensichtlich war Müller ein experimentierfreudiger Künstler, der sich unermüdlich mit Fragen nach Form, Farbe und Struktur auseinandersetzte. Dabei bewegte er sich auch zwischen figürlich und abstrakt, zwischen sinnlich und kühl.