Dortmund. Seit fast 23 Jahren liegen die Stadtbahn-Schienen auf der Beurhausstraße brach. Die Stadt sieht keine Gefahr – aber es gibt Fahrrad-Unfälle.
Seit 2002 fährt die U42 unterirdisch am Klinikum vorbei, aber die Schienen liegen noch immer auf der Beurhausstraße. Für Radfahrende heißt das: 300 Meter Gefahrenstelle – von der Friedrichstraße (dort teilt sich die Strecke) bis zur Petri-Grundschule (dort liegt sogar noch eine Weiche). Und hier sind nicht wenige Fahrräder unterwegs: Die Beurhausstraße ist eine direkte Verbindung vom Kreuz- und Klinikviertel in die Innenstadt. Aber die Stadt sieht keine Gefahr.
+++ Folgen Sie der WAZ Dortmund auf Facebook und Instagram +++
Zwar hat Stadtbahnbetreiber DSW21 die Rillen schon vor Jahren mit Gummi aufgefüllt, aber die Gefahrenstelle bleibt: „Man gerät trotzdem in die Spur, und bei Regen ist das Metall spiegelglatt“, weiß Lorenz Redicker vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Wir kriegen immer wieder mit, dass Radfahrer stürzen. Das wird meist nicht dokumentiert, weil es Alleinunfälle sind.“ Sogar seine Frau habe es vor einigen Jahren schwer getroffen: Ihr Rad rutschte bei Dunkelheit und Nässe einfach weg – Schulter gebrochen. Keine Petitesse, sondern ein schwerer Unfall. „Ihre Reifen waren breit, aber geholfen hat das nicht.“
Immer wieder Stürze auf der Beurhausstraße – aber nicht dokumentiert
Von Stürzen erfährt VCD-Kreisverbandsvorsitzender Redicker immer wieder. Auch Heide Kröger-Brenner (Vorsitzende des ADFC Dortmund) kann ein Lied davon singen. „Mit Fahrradfreundlichkeit hat das nichts zu tun“, sagt sie und fragt sich: „Warum liegen die Schienen immer noch? Ich sehe gar keinen Grund, sie nicht zu entfernen. Da fährt nie wieder eine Bahn drüber.“
Ohne Frage: Die „aktiven“ Schienen der oberirdischen Stadtbahn-Strecken sind noch gefährlicher. Sie sind nicht mit Gummi verfüllt und dadurch erheblich tiefer. Zuletzt hatte die Dortmunder Polizei eine Stelle des Brackeler Hellwegs als Unfallschwerpunkt erkannt. Zwischen Oberdorfstraße und Flughafenstraße seien binnen sieben Monaten sechs Radfahrende in die Schienen geraten und gestürzt, hieß es. Eine Frau habe sich schwer verletzt, sonst sei es bei leichten Blessuren geblieben. Gemeinsam mit der Stadt habe man deshalb beschlossen, die Stelle mit Pfeilen zu markieren und Warnschilder aufzustellen. Für die Gefahrenstellen auf dem Hellweg fordert der ADFC schon lange eine Lösung – etwa „Velo-Schienen“ mit Plastikabdeckungen, die sich nur öffnen, wenn eine Bahn kommt. „Aber DSW und Stadt argumentieren: Die sind zu teuer und gehen schnell kaputt“, klagt Kröger-Brenner.
Beurhausstraße, Kampstraße, Kreuzung Ophoff – Hier liegen noch Schienen
Die Uralt-Schienen auf der Beurhausstraße sind die einzigen relevanten Überreste der „oberirdischen“ Anfangszeit der Dortmunder Stadtbahn. Zwar liegen auch auf der alten U43-Strecke auf der Kampstraße noch Schienen, aber auf den 200 Metern zwischen Freistuhl und Decathlon sind kaum Fahrräder unterwegs. Auch die paar Meter auf der Ophoff-Kreuzung (Märkische Straße über die B1) fallen nicht ins Gewicht: Mit der laufenden Brückensanierung verschwinden die Gleise. „Ansonsten sind die alten, inaktiven Straßenbahn-Gleisanlagen im gesamten Stadtgebiet bereits entfernt worden“, erklärt Stadtsprecherin Alexandra Schürmann.
Und wie geht es mit den Schienen auf der Beurhausstraße weiter? Schon 2006 war im Rat eine Anfrage dazu gestellt worden: „Warum bemühen sich Stadtverwaltung und DSW21 nicht schnellstens, dass die für Radfahrer gefährlichen Schienen auf der von Radfahrern stark frequentierten Beurhausstraße nicht wenigstens verfugt werden?“ Verfugt wurden die tiefen Rillen immerhin. Aber die Gefahr bleibt. Auch danach gab es mehrere Forderungen, die riskante Stelle zu entschärfen. 2021 etwa forderte die Bezirksvertretung Innenstadt-West „die Verwaltung auf, für die Entfernung der Schienen in der Beurhausstraße zu sorgen. Übergangsweise bitten wir die Schienen abzudecken.“ Passiert ist nichts.
Schienen auf der Beurhausstraße: Stadt sieht „keine akute Verkehrsgefahr“
„Von den Gleisen geht keine akute Verkehrsgefahr aus“, erklärt Stadtsprecherin Schürmann. DSW21 und Tiefbauamt seien keine Unfälle bekannt – zumal Alleinunfälle fast nie angezeigt würden. Bis die Gleise verschwinden, vergehen wohl noch Jahre: Die Beurhausstraße sei Teil der geplanten Velo-Route nach Hombruch, erklärt Schürmann. Für den Ausbau werde die Straße komplett aufgerissen und erneuert, inklusive Kanalarbeiten. Das dauert. „Aktuell kann noch nicht abgeschätzt werden, wann die Maßnahme planerisch abgeschlossen werden kann. Im Zuge des Umbaus werden dann auch die Schienen entfernt“, so Schürmann.
Ein Zeitfenster für die Bauarbeiten nennt Alexandra Schürmann nicht. Für Verkehrswende-Aktivisten wie Lorenz Redicker ist das unzumutbar. „Es heißt immer nur ‚bald irgendwann‘“, sagt er. „Aber ‘bald irgendwann‘ ist seit 20 Jahren.“