Dortmund. „Weihnachten bei den Schmuddels“ ist für Dortmunder Familien der Theater-Klassiker schlechthin. In den 80ern wurde das Stück sogar in Irland bekannt.

„Werbung brauchen wir nicht – wir sind immer ausverkauft.“ Rüdiger Eggert (71) ist sichtlich stolz auf „seine“ Schmuddels – und auch nach 40 Jahren noch voller Leidenschaft. Seine Frau Ursula und er haben mit Klodwig, Beppo und Moppel einen Erfolg gelandet, der in Dortmund einmalig ist: Seit 1984 begeistern die Theaterstücke mit Klobürste, Besen und Hund das Publikum. Generationen von Dortmunder Kindern kennen die Figuren aus dem Fletch Bizzel, aus Kitas, von Gastspielen an anderen Spielorten oder aus Workshops an Schulen.

+++ Folgen Sie der WAZ Dortmund auf Facebook und Instagram +++

Aus dem Erfolg der Schmuddels-Welt sticht vor allem ein Stück heraus: „Weihnachten bei den Schmuddels“, das seit 1985 unter anderem im Theater „Fletch Bizzel“ im Klinikviertel läuft wie geschnitten Brot. „An Heiligabend kommen die, die nicht in die Kirche gehen. Und die Heimatlosen, die nicht alleine sein wollen“, erzählt Rüdiger Eggert. „Auch Damen aus dem Altenheim. Die bringen uns sogar Kekse mit.“ Vor allem bei den Heiligabend-Vorstellungen wächst das Publikum zu einer großen Familie zusammen: Vorne direkt vor dem Bühnenbild die Kinder auf weichen Kissen, hinten die Erwachsenen. „Auch viele junge Erwachsene, die das Stück aus ihrer Kindheit kennen, die sich extra festlich anziehen und den Theaterbesuch zelebrieren.“

Wenn‘s im Bad still wird, spielen die Kinder mit der Klobürste

Warum die Schmuddels seit 40 Jahren so erfolgreich sind kann Rüdiger Eggert nur mutmaßen: Die skurrilen Figuren, die schlicht erzählte Alltagsgeschichte um Ausgrenzung und Freundschaft, die spontanen Reaktionen von Rüdiger und Ursula Eggert beim Führen der Puppen – das hält die Kinder bei der Stange. Die Erwachsenen bekommen in den Stücken ihre „eigenen“ Witze. „Und die Kinder können die Geschichte zuhause nachspielen“, fügt Eggert hinzu. Dass dabei manchmal auch benutzte Klobürsten zum Einsatz kommen ist ein unappetitlicher (wenn auch witziger) Nebeneffekt. „Aber auch das gibt‘s, haben wir gehört. Wenn die Kinder im Bad sind und es plötzlich lange still ist... das kennt man ja.“

Klodwig und Beppo retten ihr Weihnachtsfest: Das Figurentheaterstück „Weihnachten bei den Schmuddels“ gehört in Dortmund zum Fest dazu wie „Dinner für One“ zu Silvester.
Klodwig und Beppo retten ihr Weihnachtsfest: Das Figurentheaterstück „Weihnachten bei den Schmuddels“ gehört in Dortmund zum Fest dazu wie „Dinner für One“ zu Silvester. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Als Rüdiger Eggert seinen Job als Lehrer für Puppenbau in Bochum an den Nagel hängte und Ende der 70er das Figurentheater „Turbo Prop“ gründete, ahnte er vom Erfolg seiner Schmuddels noch nichts. „Das ist das effizienteste Stück, was wir je gemacht haben“, gibt er lächelnd zu. Eine Idee, eine Story, ein Bühnenbild und seit 40 Jahren dieselben Holzfiguren. „Doubles“ mit verschiedenen Outfits gibt‘s natürlich trotzdem - teuer gedrechselt, damit sie genau so aussehen wie die Originale.

Sogar in Irland haben Klodwig und seine Kumpel die Kinder begeistert: 1983 hatte Rüdiger Eggert für sein Ensemble ein altes Cottage auf der grünen Insel gekauft, um Platz für die Puppenwerkstatt zu haben. „In Dortmund hätten wir uns das niemals leisten können. Da waren selbst Hinterhof-Werkstätten unerschwinglich teuer“, erklärt Eggert. Aber Irland war damals noch das „Entwicklungsland Europas“ und Häuser billig genug für Berufsanfänger wie ihn. Und mit einer Werkstatt in Irland ist das Turbo Prob natürlich auch mit den Schmuddels (übersetzt ins Englische) durchs Land gezogen. Inzwischen haben die Eggerts das Cottage gegen ein Haus in Hörde getauscht, in dem neben Wohnung und Werkstatt auch ein kleiner Theatersaal untergebracht ist. Schließlich gibt‘s noch mehr als die Schmuddels: Das Turbo Prop hat auch andere Figuren-Stücke im Repertoire. „Aber alle wollen immer nur die Schmuddels.“

Figurentheater mit 71 Jahren: „Wenn wir Weihnachten unterm Baum liegen, sind wir fertig“

Die Eggerts sind inzwischen beide 71 Jahre alt. Wird das alles nicht langsam etwas viel? „Ja, die Koffer werden schon schwer“, gibt Ursula Eggert zu. Aber ohne Schleppen geht‘s nicht: Die Eggerts stemmen den Turbo-Prop-Betrieb weitgehend alleine. Die Häufigkeit der Aufführungen haben sie mit den Jahren schon drastisch reduziert. „Früher waren wir jeden Tag unterwegs, teilweise vormittags in Braunschweig und abends in Bochum“, blickt Ursula Eggert zurück. Heute liegt zwischen den Terminen mindestens ein Tag. Und ebenerdig sollte der Aufführungsort sein, damit die schweren Kisten nicht die Treppe hoch müssen.

Vor allem die Weihnachtszeit zehrt an der Substanz: „Wenn wir an Weihnachten unterm Baum liegen, sind wir fertig“, stöhnt Ursula Eggert. Ans Aufhören denken die Eggerts dennoch nicht. Das würde beiden sehr, sehr schwer fallen. Andererseits würde sich das Theater-Ehepaar auf eine Sache besonders freuen: „Einmal Heiligabend irgendwo im Schnee verbringen - das wäre toll.“