Dortmund. Die Dortmunder Rechtsanwältin Arabella Pooth (36) vertritt auch Mitglieder von Clan-Familien vor Gericht. Was sie an dieser Aufgabe reizt.
Arabella Pooth (36) hat sich als Anwältin von Clan-Mitgliedern einen Namen gemacht. Vor zwei Monaten bekam sie vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde recht. Demnach war die Durchsuchung des Hauses des mutmaßlichen Clan-Chefs Sammy Miri am Dortmunder Phoenixsee im August 2020 rechtswidrig. Die promovierte Juristin empfängt in ihrer Kanzlei unweit des Landgerichts Dortmund. Auf einem Tisch im Wartebereich liegt obenauf eine Seite der Berliner Zeitung. Titel: „Better call Bella“, dem Blatt zufolge eine Anspielung auf einen „zwielichtigen“ Anwalt in einer Netflix-Serie. Und das Motto „der Anwältin der Clans“ bei Instagram, wo sie sich „provokant inszeniere“.
Wie wichtig ist Öffentlichkeit für Sie?
Wir haben in Gerichtsverfahren den Öffentlichkeitsgrundsatz: Das Volk soll immer daran beteiligt werden, bei dem, was passiert. Deshalb spreche ich durchaus gerne mit den Medien. Natürlich immer nur nach Rücksprache mit meinen Mandanten und nicht in jedem Fall.
Für ein Boulevardblatt haben Sie sich vor Ihrem Sportwagen ablichten lassen. Spielen Sie mit dem Klischee vom aalglatten Anwalt, der zwischen zwei Gerichtsterminen mit seinem Flitzer zum Golfplatz fährt?
Wenn man so will, bin ich Opfer dieses Klischees. Ich bin lange einen Kleinwagen gefahren, habe aber von Mandanten zu hören bekommen: ,Du bist eine erfolgreiche Anwältin und sitzt in so einem Auto’. Also habe ich bei Instagram eine Umfrage gestartet, welcher Pkw zu mir passt. Heraus kam ein Porsche Boxster. Das sei das ideale Frauenauto, den 911er könnte ich sowieso nicht fahren. Wieder so ein Klischee. Ich habe jetzt einen Boxster. Als Anwältin bin ich Dienstleisterin und möchte auch mit meinem Wagen den Erwartungen meiner Mandanten gerecht werden.
Bei Youtube finden sich Erklär-Videos von Ihnen, in denen Sie Fragen beantworten wie: „Dem Anwalt einen Mord gestehen? Was passiert dann?“ Oder: „Polizeikontrolle: Muss ich pusten?“ Machen Sie da „die Sendung mit der Maus“ für (Klein-)Kriminelle?
Eher „die Sendung mit der Maus“ für jeden Bürger. Jeder kann in die Situation einer Strafverfolgung kommen. Wenn Sie im Straßenverkehr angehalten werden, müssen Sie, wenn man Ihnen etwas vorwirft, zunächst belehrt werden. Das muss jeder wissen.
Nach den Massenschlägereien im Ruhrgebiet, bei denen laut Polizei Menschen aus dem türkisch-libanesischen und syrischen Milieu aneinander gerieten, haben Politiker wie NRW-Ministerpräsident Wüst und Bundesjustizminister Buschmann ein härteres Vorgehen gegen Clans gefordert. Wie stehen Sie dazu?
Ich verurteile Situationen, bei denen auch Unbeteiligte in Gefahr geraten können. Was im Ruhrgebiet passiert ist, hat allen, die gerne von der Polizei als Clan-Mitglieder bezeichnet werden, keinen guten Dienst erwiesen. Gleichwohl kann dieser Einzelfall nicht dazu führen, härter gegen „Clans“ vorzugehen, was ohnehin eine irrsinnige Forderung ist.
Sie mögen den Begriff „Clan“ nicht?
Es gibt in jeder Nationalität größere Familien, die deutsche Polizei verwendet den Begriff aber vor allem für arabische Familien. Das hat etwas Rassistisches. Man wirft viele Unschuldige mit in einen Topf. Ich habe erlebt, dass eine Bank einer unbescholtenen Familie alle Konten gekündigt hat. Deren Kinder bekamen keine Praktikumsplätze, zum Teil keine Jobs. Da ist viel Stigmatisierung im Spiel. Ich finde, man sollte bei den Menschen bleiben, die Straftaten begangen haben und es auch daran festmachen – und nicht an einem Familiennamen. Es wird immer so getan, als sei ein „Familien-Clan“ eine kriminelle Bande. Ich kenne keine „Clan-Familie“, in der jeder kriminell ist.
Hat der Staat mit den Clans ein Thema gefunden, bei dem er Stärke demonstrieren kann?
Ja. Man will zeigen: Wir tun etwas. Also rückt man für Durchsuchungen mit Einsatzhundertschaften an, zum Teil mit Panzerwagen, und informiert vorher die Medien. Völlig überzogen. Meines Wissens hat es jedenfalls vonseiten meiner Mandanten bei solchen Aktionen noch nie Ausschreitungen gegeben.
Sie denken an die Durchsuchung am Phoenixsee mit Hilfe eines Panzerwagens. Was hat sie dazu bewogen, die Rechtmäßigkeit durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen?
Meinem Mandanten wurde ein Vergehen vorgeworfen, das Jahre zurücklag. In der Akte gab es keine Anhaltspunkte für seine Beteiligung. Man muss sich das mal vorstellen: Die Polizei rückt in einem Wohngebiet mit einem Panzerwagen an und macht Lautsprecherdurchsagen. Irrwitzig: Eine Durchsuchung soll überraschend sein. Mein Mandant hätte viel Zeit gehabt, alles Mögliche in der Toilette zu entsorgen.
Verharmlosen Sie Clan-Kriminalität?
Ich spiele nichts herunter. Es ist Fakt, dass nicht alle Personen aus diesen Familien wegen Straftaten verurteilt wurden.
Warum verteidigen Sie Clan-Mitglieder?
Ich verteidige nicht nur angebliche Clan-Mitglieder, sondern auch in den Bereichen Mord, Totschlag und organisierte Kriminalität. Ich habe auch schon Polizeibeamte und Anwalts-Kollegen verteidigt. Meist sind das, was den Clans vorgeworfen wird, rechtlich spannende Verfahren, in denen es zum Beispiel um die Verwertbarkeit von Überwachungsmaßnahmen geht. Es geht mir dabei nicht um Sympathie.
Was treibt Sie an?
Schon in der Schule habe ich mich für andere eingesetzt, wenn sie ungerecht behandelt wurden. Gerechtigkeit bedeutet nach unserer Verfassung, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Daran darf nicht gerüttelt werden. Man hat in der Vergangenheit gesehen, was passiert, wenn das nicht so ist. Mich entsetzt, dass derzeit so viele die AfD wählen. Und wenn ich sehe, dass hier arabischstämmige Menschen anders behandelt werden als ein alteingesessener Deutscher, finde ich das ungerecht. Jemand mit dem Familiennamen Miri muss genauso behandelt werden wie Herr und Frau Müller.
Sie haben einmal erzählt, dass der Strafverteidiger Rolf Bossi Sie geprägt hat. Inwiefern?
Er hat sich vehement für seine Mandanten und die Gerechtigkeit eingesetzt, hatte nie Angst davor, im Gericht den Mund aufzumachen. Für mich war er ein Vorbild. Ich habe immer gedacht: So weit möchte ich auch mal kommen.
Bossi konnte gut mit der Öffentlichkeit umgehen, war oft Gast in Talkshows. Sie nutzen Soziale Medien. Stört es Sie, wenn Kollegen Ihre Auftritte bei Instagram peinlich finden?
Das muss man aushalten. Während der Schulzeit und des Studiums habe ich als Model gearbeitet. Ich habe also sehr früh die Erfahrung gemacht, dass es nicht bei allen gut ankommt, wenn man in die Öffentlichkeit geht. Übrigens: Kritik höre ich nur von Anwalts-Kollegen. Mich hat mal ein Chefarzt angerufen und gemeint: ,Mein Sohn kennt Sie von Instagram. Und er hat mir gesagt: Papa, wenn Du ein Problem hast, dann musst du die Frau Pooth anrufen.‘ Das hat er dann auch getan.
Haben Sie nicht die Sorge, dass Sie als „Clan-Anwältin“ in eine berufliche Schublade gesteckt werden?
Nein, von den Fällen her bin ich breit aufgestellt. Auch wenn ich bei Instagram locker unterwegs bin, weiß jeder, dass mir Professionalität und Seriosität unheimlich wichtig sind.