Eving..

Die Bergbausiedlung Kirdorf in Eving feiert in diesen Tagen ihr 100-jähriges Bestehen. Für die Siedler Rolf-Dieter Schimmer und Wilfried Schröder ist es der schönste Platz auf Erden: „Schlicht und einfach. So wie es Bergleute gewohnt sind.“ Schimmer und Schröder genießen die alte Gartenstadt und setzen sich für die Tradition ein.

Nicht einmal 200 Meter entfernt vom Wrangelplatz führte vor einigen Jahren noch Schacht III der Zeche Minister Stein ans Tageslicht. Heute stehen dort Neubauten. Auf dem Wrangelplatz steht eine alte, schwarz-weiße Lore. Sie erinnert inmitten der Siedlung an die Geschichte unter Tage.

Rolf-Dieter Schimmer arbeitete damals als Reviersteiger unter den Straßen Evings. „Mit Verfüllen der Schächte war mein Arbeitsauftrag beendet“, erzählt der 73-Jährige. Bis 1990 begleitete er die letzten unterirdischen Maßnahmen an der Zeche.

Auch Wilfried Schröder arbeitete im Bergbau. Seit 1961 wohnt Schröder in der Kirdorf-Siedlung. Zusammen engagieren sie sich in der Interessengemeinschaft Kirdorf. Die Siedlung wurde 1912 nach dem Generaldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks-AG Emil Kirdorf benannt. Später war er ein wichtiger Förderer Adolf Hitlers. „Hier in der Siedlung interessiert das niemanden“, sagt Schimmer. „Im Bergbau arbeiteten Griechen, Italiener, Spanier und Türken.“ Heute hat in der Kolonie Kirdorf etwa jeder Dritte eine Zuwanderungsgeschichte. „Die, die hier wohnen - auch die Älteren - haben nichts mit Nationalsozialismus zu tun“, sagt Schimmer.

Ohnehin erinnert in der Siedlung nichts daran. Dafür an die Bergwerkstradition. Vor dem Haus von Schimmer steht eine zweite Lore. Er durfte sie nach seiner Dienstzeit von der Zeche mit nach Hause nehmen. Viele der Gebäude haben einen Garten, in dem eine oder zwei kleine Lauben stehen. Es ist wie in einem Schrebergarten. Auch in Rolf-Dieter Schimmers Garten stehen zwei kleine Schuppen, an sein Haus hat er selbst einen Wintergarten gebaut. Alte Signallampen aus der Grube hängen hier unter den Balken, ein Grubentelefon prangt an der Hauswand. „Die Leute haben sich die Wohnungen und Häuser so gestaltet, wie sie es haben wollten“, sagt Schröder.

Bergleute werden bevorzugt

Dabei gehört eine Vielzahl der 212 Wohneinheiten noch der Deutschen Annington. Erst seit wenigen Jahren können die Bewohner oder deren Kinder die Wohnungen und Häuser kaufen. „Wenn jemand verstirbt, wird zuerst nach einem Bergmann oder deren Kinder als neuem Bewohner gesucht“, so Schröder. Erst nach drei Versuchen darf ein Nicht-Bergmann einziehen. Laut Schimmer leben sogar noch etwa 20 aktive Bergleute hier.

Käufer für die Bude gesucht

Auf den Straßen fährt kaum ein Auto. Vom regen Treiben in Evings Mitte ist hier nichts zu spüren. Eine kleine heile Welt hält sich hier um den Kiosk, wo sich die Männer früher nach der Schicht getroffen haben. Als die Zeche Ende der 1980er Jahre geschlossen wurde, fürchteten Schimmer und Schröder bereits auch das Ende für Kirdorf: „Es hat sich ganz grausam angehört: Wenn die Zeche stirbt, stirbt Eving.“ Der Stadtteil steckt noch heute im Strukturwandel. „Aber wir haben den Absprung geschafft“, sagt Schimmer. „Kirdorf war damals nicht einmal betroffen. Alle sind geblieben und haben lieber längere Fahrtzeiten zur neuen Arbeitsstelle in Kauf genommen.“

Nur die Bude scheint im Moment ein Wackelkandidat: „Zu verkaufen“, steht auf einem Schild an der Außenfassade des früheren Trafohäuschens. „Es ist schön und super gelegen, aber es ist viel zu wenig los“, sagt Alp Arslan. Obwohl er bis 22 Uhr hinter dem Tresen sitzt, reicht es nicht. Die großen Geschäfte machen ihm das Leben schwer. „Wir haben es versucht, aber es war nichts.“ Nach einem Jahr muss er das historische Wahrzeichen verkaufen. Schimmer und Schröder werden versuchen, jemand anderes für die Bude zu begeistern. Die Bergbautradition darf hier nicht untergehen.