Dortmund. Der Dortmunder Sportverein TuS Deusen möchte ein Vereinsmitglied loswerden – einen bundesweit bekannten Neonazi. Es gibt schon Spielabsagen.
Er ist bundesweit bekannter Neonazi – und Mitglied des TuS Deusen. Seit der Dortmunder Verein weiß, wer da bei den Altherren kickt, versucht man ihn loszuwerden. Aber so einfach ist das nicht: "Unsere Vereinssatzung ist 30 Jahre alt. Die gibt das nicht her", erklärt Vorstand Marcel Eigenwillig.
Eigenwillig und sein Verein sind fest entschlossen: Das Vereinsmitglied ist für den TuS Deusen nicht tragbar. "Als neuer Vorstand wollen wir klare Kante zeigen. Wir akzeptieren diese Ideologie nicht!"
Seit 2018 ist der Rechtsextreme Mitglied. Trotz seines unübersehbar großen Tattoos auf der Kehle (zwei gekreuzte Stielhandgranaten, ein Symbol der SS-Einheit Dirlewanger) war vielen seine Gesinnung lange nicht bewusst.
Dortmunder Neonazi im Verein – um wen geht's?
In der Naziszene ist er bundesweit bekannt. Der gebürtige Dortmunder galt als Kopf des 2020 verbotenen Rechtsterror-Netzwerks "Combat 18". Zuvor saß er acht Jahre lang im Gefängnis, weil er 2007 bei einem Supermarkt-Überfall einen Mann angeschossen hatte. Aus dem Gefängnis heraus schrieb er viele Briefe an NSU-Terroristin Beate Zschäpe.
Aber wie wurde er überhaupt Mitglied? Eigenwillig selbst war damals noch nicht im Vorstand, weiß aber: Damals wurden Spieler für eine neue Altherren-Mannschaft gesucht – und ein Mitglied brachte ihn mit. "Man könnte es naiv nennen, aber in einem kleinen Ortsverein wie unserem ist es nicht üblich, jedes einzelne Neu-Mitglied zu überprüfen", so Eigenwillig.
Nach Paninibilder-Aktion meldet sich der Dortmunder Staatsschutz
Erst nach einem Jahr wurde dem damaligen Vorstand klar, wer der Spieler mit dem markanten Tattoo ist: 2019 meldete sich der Dortmunder Staatsschutz – nach einer Foto-Aktion für ein Panini-Sammelalbum, bei der auch das Nazi-Tattoo zu sehen war. "Wisst ihr, wen ihr da mitspielen lasst?" Der Vorstand bat ihn zum Gespräch.
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"Dabei hat er sich wohl gut verkauft", bedauert Eigenwillig. Der Neonazi durfte weiterspielen – unter der Auflage, sein Tattoo mit einem Stehkragen zu verdecken. "Der Hintergedanke war wohl: Solange er nichts tut und unauffällig bleibt, kann er bleiben", vermutet Eigenwillig. Er ist überzeugt: Das war ein Fehler. "Vielleicht hatte der alte Vorstand Angst vor den Konsequenzen und wollte kein großes Fass aufmachen." Man kennt die Szene ja.
Verdecktes Tattoo und tadelloses Verhalten – aber fatale Außenwirkung
Dann kam Ende 2020 der Vorstandswechsel. "Am Wahlabend noch vor dem ersten Bier kamen Mitglieder auf mich zu: 'Wir haben da noch ein Thema...' Ich hatte das zwar am Rande mitbekommen, wusste aber nicht, um wen es geht." Eigenwillig kannte den Kicker noch aus seiner Kindheit, beide kommen aus Deusen.
"Ohne seine Gesinnung gutheißen zu wollen: Er hat sich immer tadellos verhalten, auch den ausländischen Mannschaftskameraden gegenüber. Er hat keinen Ärger gemacht, ist niemanden angegangen", weiß Eigenwillig.
Nach Innen ist dem Rechtsextremen also kein vereinsschädigendes Verhalten nachzuweisen – nach außen aber sehr wohl: "Seit ein paar Tagen gibt's einen regelrechten Shitstorm gegen den Vorstand", klagt der Vereinschef. Ein für März geplantes Spiel sei sogar komplett abgesagt. "Die wollen so nicht gegen uns spielen."
„Leider verschließen ein paar Mitglieder die Augen“
Die Altherren-Mannschaft sei in der Stadt verbrannt – dabei könne der Großteil gar nichts dafür. "Aber leider verschließen ein paar Spieler die Augen: Sie trennen Politik und Fußball. Statt der Ideologie sehen sie nur den netten Menschen."
Eigenwillig sieht das anders, und sein Verein steht (fast) geschlossen hinter ihm. "Wenn wir weiter zusehen, hat der Verein ganz schnell den Nazistempel weg – dann können wir dicht machen."
Für den Vorstandsvorsitzenden gibt's keinen Weg zurück: Gemeinsam mit einem Anwalt und mehreren Beratungsstellen plant der Verein den Ausschluss. Auch das umstrittene Mitglied hat sich einen Anwalt genommen, er fühlt sich beim TuS Deusen wohl und will bleiben.
„Wir ziehen das jetzt durch“, betont Eigenwillig. „Nicht nur für uns, sondern auch als Paradebeispiel für andere Vereine mit dem gleichen Problem.“ Fortsetzung folgt.