Jungferntal.. Am Tag nach dem Titelwochenende ist es auf dem Außengelände der Kindertagesstätte Kirchlinde-Rahm gespenstisch still, doch drinnen tobt die Meisterfeier. Aus einem CD-Spieler dröhnen die Hits der abgelaufenen Saison. Die KITA ist eine halbe Woche lang im schwarz-gelben Ausnahmezustand.

Wenn anderswo vom Ruhrgebiet die Rede ist, heißt es oft, den Kindern hier würde der Fußballverein wahlweise in die Wiege gelegt oder über die Muttermilch verabreicht. Die Metaphern mögen mittelmäßig sein, aber sie treffen den Kern. Die Begeisterung für den örtlichen Ballspielverein ist bei vielen der kleinsten Dortmundern riesengroß.

So auch im Jungferntal: Am Tag nach dem Titelwochenende ist es auf dem Außengelände der Kindertagesstätte Kirchlinde-Rahm gespenstisch still, doch drinnen tobt die Meisterfeier. Aus einem CD-Spieler dröhnen die Hits der abgelaufenen Saison, von „Rubbeldiekatz am Borsigplatz“ bis „Wer wird Deutscher Meister“ zur Melodie von Pippi Langstrumpf. An den Wänden hängen Trikots aus einem Jahrzehnt, Fahnen und Poster schließen die Lücken. Ein Kindergarten wird schwarz-gelb.

„Werisdeutschermeista?“

„Für die Kinder ist der BVB momentan das Größte“, sagt Erzieherin Steffi Bittner: „Der Kult wird immer stärker von den Eltern auf die Kinder übertragen“. Und kaum einer kann sich dem entziehen: Während Kaya (6) und ihre jüngere Schwester Lenya (4) aus Papptellern, Alufolie und Plastiksteinchen Meisterschalen basteln, spielen die Jungs in der „Turnhalle“ die Meistersaison des BVB nach. Selbst Jan, nach Kenntnis der Erzieher ein glühender Bayern-Fan, trägt ein schwarz-gelbes Halstuch und ruft „Deutscher Meister steh’ auf!“. Der BVB begeistert – und Steffi Bittner ist froh darüber: „Für die Jungs ist sowas besonders wichtig. Ein Kindergarten ist ansonsten ja vor allem weiblich geprägt.“ Da sei es wichtig, besonders auf die Interessen der Jungen einzugehen und offen für ihre Wünsche zu sein: „Wir geben nur Anregungen, meistens entscheiden dann die Kinder.“

Als Borussia vor zwei Wochen den achten Meistertitel unter Dach und Fach brachte, war schnell klar: Das wird gefeiert. Am Montag werden Meisterschalen gebastelt, am Dienstag kommen Borussen-Plätzchen zum Backen in den Ofen. Am Mittwoch gestalten und malen die Kinder eigene BVB-T-Shirts. Die „Fan-Werkstatt“ sei ein toller Ort, um gemeinsam kreativ zu werden, sagt Steffi Bittner. Die meisten der 100 Kinder machen mit – ob Junge oder Mädchen, ob zwei Jahre alt oder kurz vor der Einschulung. Tjaard (3) beklebt seine Meisterschale ebenso andächtig wie Tim (6), der schon ein bisschen schreiben kann: „Werisdeutschermeista?“ hat er in dicken, schwarzen Buchstaben auf seine Schale gepinselt. Antwort überflüssig. Einen Lieblingsspieler hat er, anders als die kleinen Sahins, Götzes und Lewandowskis, die in winzigen Trikots durch die Gänge wuseln, nicht: „Die sind alle gut.“ Manchmal wundert sich Steffi Bittner über die Kenntnisse der Kinder: „Die können noch gar nicht lesen, aber mir alle BVB-Spieler auswendig aufsagen.“

Am Sonntag ist noch das große Pokalfinale gegen den FC Bayern. Dann wird es ein bisschen ruhiger, aber nicht lange. Die EM steht vor der Tür – und Deutschland ist fast so gut wie Dortmund.