Dortmund..

Der neue Stern am Rap-Himmel: Casper brachte auch in Dortmund das ausverkaufte FZW zum Kochen. Rotz-frech und melodisch trugen er und seine vierköpfige Band kurz und schmerzlos 14 Songs vor. Passend der Tourtitel dazu: „Der Druck steigt.“

Wie tickt die Jugend von heute? Eine abstrakte Frage. Konkrete Antworten für Soziologen liefern Konzerte des Deutsch-Rappers Casper. Etwa im ausverkauften FZW Dortmund. Feiern und singen mit einem authentisch wirkenden 29-Jährigen, der die klassische HipHop-Attitüde umgeht. Sein Hosenbund hängt nicht auf Kniehöhe, seine Texte bestehen nicht nur aus Flüchen und einem Alles-doof-hier-Duktus. Er mischt weiche und harte Themen, will kein popeliger Revoluzzer sein.

Beim Handpuppenspiel ist der Verkehrsteufel der Gegenspieler vom Kapser. Dieser Casper gilt mit seinem neuartigen Sprechgesang als Sprachrohr vieler Heranwachsender, als eigentlich netter Dämon, der seine Finger in gesellschaftliche Wunden legt und etwa Jugendarbeitslosigkeit anprangert. Dem man Textzeilen wie „Schule schwänzen für die Tattoo-Convention“ beim Blick auf seinen rechten Arm abnimmt, dessen ärmelloses T-Shirt durch den Aufdruck „Mit Verachtung“ die Richtung der fast überall ausverkauften Tour „Der Druck steigt“ vorgibt.

Dämonisch-nebulös beginnen er und seine vierköpfige Band ihren FZW-Auftritt mit Wolfsmasken und Lichtkegeln aus diesen Augen. Der Bass wummert fast schon schmerzhaft, das junge Publikum ist sofort auf Betriebstemperatur, Mädchen kreischen. Die ersten Phrasen überstehen den Jubel. „Deutschland krank vor Zorn“ oder „Wir holen uns zurück, was uns gehört“ heißt es da. Zeilen wie „Wir wollen Blut sehen“ stehen am Ende eines 70-minütigen Konzerts nebeneinander mit einem hohen Lied auf Freundschaften.

Casper ist kein Kasper

Dämonischer Beginn mit Wolfsmasken und Lichtkegeln aus den Augen.
Dämonischer Beginn mit Wolfsmasken und Lichtkegeln aus den Augen. © PHOTOZEPPELIN.COM | PHOTOZEPPELIN.COM

Keine Witze mit Namen, zumal sich Benjamin Griffey auch nur als Casper ausgibt und nicht als solcher daherkommt. In der Mitte seines Künsternamens steht das P. Übertragen auf die charakteristischen Merkmale sticht dieser Buchstabe hervor. Er will provozieren und Perspektivlosigkeit aufzeigen, Position beziehen und Protest äußern. Das geht auch im Party-Format, was er mit seiner Bühnen-Präsenz nach seinen zwei Alben „Hin zur Sonne“ (2008) und dem aktuell erfolgreichen „Xoxo“ eindrucksvoll zeigt.

Casper ist geladen, wenn er auftritt. Energetisch wie auch inhaltlich. Seine raue Stimme und die musikalische Vergangenheit im Hardrock-Genre verleihen seiner Wut Wucht. Die Zeile dazu: „Wir liegen lachend in den Trümmern.“ Auch in Dortmund fordert er die Meute dazu auf, den Laden auseinander zu nehmen, dass sie den Spaß ihres Lebens haben sollen: „Hier muss die Luft brennen.“ Seine Publikumsanimationen mögen plump wirken, funktionieren aber, wenn er etwa die Menge zur Liedzeile „Die Welt zerbricht in zwei Teile“ von „Rock`n'Roll“ in der Saalmitte teilt.

Literaten können sich über Küchenreime wie „Mal bist du der Jäger, mal der Bär“ im Grizzly-Lied mokieren. Natürlich gehören zur verordneten Aggressivität auch Vokabeln wie Sch... In tiefe HipHop-Regionen taucht Casper etwa auch mit seinem Song „Mittelfinger hoch“ plus dazugehöriger Choreografie ein, immer wieder schimmert Autobiographisches durch aus seinen Zeiten auf dem ostwestfälischen Land und dem Sprung ins große Amerika. Aber das ist bei Casper keine aufgesetzte Attitüde, er kann sich auskotzen und zugleich nett seine Mama zitieren oder an einen verstorbenen Freund erinnern („Michael X“).

„So perfekt“ als krachender Schlusspunkt

Dazu passt der unkonventionelle Musikstil. Auf der Bühne laufen klassische HipHop-Elemente wahrnehmbar mit, Gitarre, Bass und Syntheziser dominieren aber. Melodie trifft Poesie, Melancholie auf Energie. Emo-Rap soll das heißen, er selbst bezeichnet dies als Post-Hop. All das wirkt massenkompatibel, dazu tragen Caspers Hits „Xoxo“ (für seine gleichnamige Platte mit Thees Ullmann eingespielt) und das eingängige „So perfekt“ als großes Disco-Finale im FZW bei. 70 intensive Minuten, die einen jugendfreundlichen Preis von 16 Euro Eintritt mehr als rechtfertigen.

Keine Frage, Casper hat Talent und Potenzial. Er hat noch Luft nach oben, was für die Zukunft hoffen lässt, auch wenn durch den aktuellen Lobgesang auf sein Schaffen der Druck auf ihn und für ihn selbst steigt.