Dortmund. „Los, greift an. Wie Wölfe. Wir wissen jetzt, wen wir hassen. Los!” Sätze, wie Peitschenhiebe. Und doch glücklicherweise alles nur Theater: Regisseur Lee Beagley, Anna Siegrot und 15 Jugendlichen stecken mitten in einem Ferienworkshop für das Kulturhauptstadt-Projekt „pottfiction”.
„pottfiction” - unter diesem Titel arbeiten sieben Kinder- und Jugendtheater im Pott ein Jahr lang mit Jugendlichen daran, ihre Vision der Zukunft zu gestalten. Geht es nach dem, was gerade im KJT in der Sckellstraße zu sehen ist, werden die nächsten Jahre ... ziemlich dynamisch. Im Kreis stehen die Jugendlichen und auf einen Antippser von Lee Beagley hin laufen sie los, mit bemüht strengem Blick und entschlossenen Schrittes, werden von den anderen abgewehrt. „Aggressiv! Werdet für keine Sekunde langsamer!”, ruft Beagley, der wie ein Irrwisch zwischen ihnen hin- und herläuft, verbessert, auch lobt. Trotzdem kichern die Spielenden. „Hey! Konzentriert Euch”, geht der Regisseur dazwischen.
Schnell ein ernstes Gesicht
Markus Friemann setzt schnell wieder ein ernstes Gesicht auf und marschiert weiter. Der 17-Jährige spielt schon seit zwei Jahren Theater: „Das Gefühl, das ich dabei habe, ist ziemlich gut. In eine andere Rolle zu schlüpfen, ist sehr intensiv. Alltag ist oft nur Vorbeleben - beim Schauspielen weiß man genau, was man tut.”Die Mehrheit der Jugendlichen hier sieht ihre Zukunft auf der Bühne: „Sie haben sehr viel Talent”, findet Lee Beagley. „Aber ich versuche, ihnen zu erklären, wie hart das Leben als Schauspieler ist: Man darf nicht zu sensibel sein, muss Zurückweisung ertragen.” Und doch ermutigt der Straßenkünstler und Lehrer sie, aktiv zu sein, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Disziplin und Kontrolle über ihre Körper.
Langsames Rennen
Die Jugendlichen stellen sich an einer Wand auf. „Und jetzt macht ihr ein Rennen in Slow motion und werdet zu richtig ekligen Menschen”, sagt Beagley. Langsam, ganz langsam, machen sich Cornelia Wagner (14) und Jan Philip Moerbeek (14) daran, das langsamste Rennen der Welt zu gewinnen und die anderen aufzuhalten. Sie halten einander fest, stolpern, zerren, fallen wild und wütend übereinander her - und bewegen sich doch in Zeitlupe, als sei die Fernbedienung kaputt. Wie in Eugene Delacroix' berühmtem Bild über die Französische Revolution. „Man kann so schön Grimassen schneiden”, freut sich Cornelia Wagner hinterher. „Das hat Spaß gemacht.”
Finden auch Lioba Sombetzki (16), die gern Komponistin werden möchte, Isa Erker (21) und Hannah Burczyk (14), die mehr zum Schauspiel tendieren. „Selbstbewusstsein” jedenfalls hat Hannah schon aus dem Workshop mitgenommen. Und auch Patricija Bronic (17) fühlt sich ermutigt. Sie will auf die Bühne, komme was wolle: „Ich mache lieber etwas, das Spaß macht und habe am Ende ein erfülltes Leben!” Zukunft, wir kommen!
Fotos: Ralf Rottmann