Dortmund. Ein Dortmunder soll künftig nur noch zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein. Das will zumindest die Stadt Dortmund, die den 52-Jährigen nicht für geeignet hält, ein Fahrzeug zu führen – auch kein Fahrrad. Und keinen Eselkarren.

Herr Schneider, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist sauer. Er soll künftig sein Rad stehen lassen und nur noch zu Fuß gehen – wohlgemerkt auch im stocknüchternen Zustand. So will es die Stadt Dortmund, genau gesagt die Abteilung Führerscheinstelle. Dazu der Dortmunder empört: „Sind die verrückt? Das nächste Mal sagen die mir, welche Schuhe ich tragen soll. Das darf ja wohl nicht wahr sein, wir sind doch hier nicht in der DDR!“

In dem Brief der Stadt, den der 52-Jährige mit Datum vom 3. August 2011 bekam, steht Folgendes: „Da Sie das Eignungsgutachten innerhalb der gesetzten Frist nicht eingereicht haben(...), bin ich berechtigt, auf Ihre Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen zu schließen und Ihnen das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (Mofa, Fahrrad) zu untersagen.“

Insgesamt elf Jahre im Knast gesessen

Nun soll nicht verhehlt werden, dass Herr Schneider tatsächlich ein gewisses Problem mit der „Eignung zum Führen von Fahrzeugen“ hat: In über 30 Jahren sammelte er 32 Voreintragungen: Erst wegen Trunkenheit im Verkehr, später, nachdem ihm der Führerschein abgenommen wurde, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. „Ich hab deswegen insgesamt elf Jahre im Knast gesessen.“ Weil er Geldstrafen nicht bezahlen konnte oder Bewährungsstrafen widerrufen wurden. „Elf Jahre, dafür kann man dicke ‘ne Bank ausrauben.“

Trotz dieser Erfahrung ist der Dortmunder vor fünf Monaten wieder betrunken auf seinem Mofa erwischt worden. Warum er so uneinsichtig ist? Herrn Schneiders knappe Antwort: „Alkohol. Seit ich 14 bin, zieht sich das wie ein roter Faden durch mein Leben. Aber ich gehe jetzt zu den anonymen Alkoholikern, das hat mir mein Anwalt Herr Ostmeyer empfohlen.“ Und deshalb war er auch stocknüchtern, als ihm so ein blöder Mercedes-Fahrer letztens in sein Mofa rauschte.

Rechtsanwalt Marco Ostmeyer vertritt einen Mandanten, der nicht mal mehr Fahrradfahren darf.
Rechtsanwalt Marco Ostmeyer vertritt einen Mandanten, der nicht mal mehr Fahrradfahren darf. © Ralf Rottmann | Ralf Rottmann

Herr Schneider wird den Führerschein wohl nie wiederbekommen

Dass Herr Schneider seinen Führerschein je wiederbekommt, ist utopisch, das weiß er selbst. Deshalb hat er sich auch gar nicht erst um das von der Stadt angeforderte Gutachten gekümmert: jene Medizinisch-Psychologische-Untersuchung, im Volksmund „Idiotentest“ genannt. Er will ja gar kein Auto fahren, nur eben Fahrrad – und dazu braucht er keinen Führerschein.

Einen Menschen dazu zu verdonnern, zu Fuß zu gehen oder sich Tickets für öffentliche Verkehrsmittel zu kaufen, so einen Fall haben Rechtsanwalt Marco Ostmeyer und seine Kanzleikollegen noch nie erlebt. „Wie will man das denn kontrollieren? Die Polizei müsste auf gut Glück Radfahrer anhalten und die Personalien verlangen. Und gucken, ob sie meinen Mandanten erwischt hat.“ Da die Anhörungsfrist verstrichen ist, rechnet Marco Ostmeyer jetzt mit einem Bescheid der Stadt, der Herrn Schneider das Radeln untersagt. „Dagegen werden wir auf jeden Fall Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erheben.“

Kein Pferd, kein Eselkarren, kein Drahtesel

Was Herrn Schneider bei allem Ärger erheitert, ist der Inhalt des „Paragraph 3 Fahrerlaubnisverordnung“, auf dem sich der Brief der Stadt stützt. Demnach, so ist in der Verordnung zu lesen, kann ihm auch das „Führen von Fahrzeugen oder Tieren“ verboten werden. „Das ist ein Ding, was? Ich kann also nicht mehr in die Stadt reiten. Und mit meinem Eselskarren losziehen auch nicht.“

Aber, so hofft er inbrünstig, zumindest auf seinen Drahtesel steigen. Denn der Gedanke, Bus oder Bahn zu nehmen, behagt ihm überhaupt nicht: „Nee, will ich nicht. Dieses Gedränge, und dann steckt man sich noch an, wenn mal jemand hustet.“