Dortmunds Opernpublikum in Feierlaune. Es feiert eine gelungene Spielzeiteröffnung, die Premiere der russischen Nationaloper „Boris Godunow“ von Modest Mussorgskys in der Regie von Katharina Thoma mit den Dortmunder Philharmonikern unter Jac van Steen.

Dortmunds Opernpublikum in Feierlaune. Es feiert eine gelungene Spielzeiteröffnung, die Premiere der russischen Nationaloper „Boris Godunow“ von Modest Mussorgskys in der Regie von Katharina Thoma mit den Dortmunder Philharmonikern unter Jac van Steen. Und es feiert den Sänger Dimitry Ivashchenko und dessen Debüt in der Boris-Rolle. Mit dieser Partie unterstreicht der Russe seinen Anspruch, in der internationalen Nachwuchsriege ganz vorn mitzusingen.

Vielfalt der Farben

Ivashchenko, aus Nowosibirsk, beendete sein Studium in Karlsruhe, war Ensemblemitglied in Augsburg und bis vor wenigen Monaten an der Komischen Oper Berlin. Ohne das Engagement eines Sponsors hätte sich Dortmunds Musiktheater diesen Gast gar nicht leisten können.

Es ist die Vielfalt der Farben, die diese Stimme auszeichnet. Wir hören einen kräftigen, willensstarken, ja mächtigen Bass, wenn sich Godunow entscheidet, dem von ihm selbst geforderten Ruf des Volkes zu folgen, das ihn als Zaren will. Baritonalen Schmelz verbreitet die Stimme, wenn Zweifel und Reue einziehen. Mit dramatischer Wucht wankt sie schließlich dem Tod entgegen.

Ivashchenko ist nicht der einzige, der vorne mithalten könnte. Dortmund bietet ein hervorragend besetztes Ensemble. Man höre nur Christian Sist als Mönch Pimen oder Sergey Drobishevskiy als falschen Dimitrij, der sich als der von Godunow gemordete und auferstandene Sohn Iwan des Schrecklichen ausgibt, um selbst den Thron zu erlangen! Oder den wilden Philippe Clark Hall in der Rolle des Gottesnarren! Pech für Ileana Mateescu als Boris-Sohn Fjodor - erkrankt, spielt sie ihre Rolle stumm, wird stimmlich aber von Hanna Larissa Naujoks aus der Seitenbühne ergänzt. Problemlos, übrigens.

Mussorgskys Musik, das weiß man, ist eine zum Schwelgen. Sie ist nahe zur Volksmusik, nahe zur russischen Kirchenmusik, bietet aber auch Kinderlieder und ausgelassene Spottgesänge. Van Steens Philharmoniker im Orchestergraben durchleuchten sie dank schlichten, ehrlichen, fast räumlichen Musizierens, in dieser Klarheit ist die Wahrheit des Abends verborgen.

Opulenz der Aufführung

Natürlich steht das im Gegensatz zur Aufwendigkeit und Opulenz der Aufführung, aber in einem wohltuenden und gewollten Gegensatz. Die Regie muss ja eine ganze Hundertschaft an Choristen (Opernchor, Extrachor, Knabenchor der Chorakademie) über die Bühne bewegen, und der Zuschauer muss viel Handlung entwirren. Godunow, was historisch ist, beginnt als ein Biedermann, der das Volk täuscht, der auf der Bühne täuscht, auch das Publikum. Er trägt nicht die Züge eines Mörders, der den Zarewitsch hat töten lassen und bald zum Tyrannen werden wird, der einem Iwan in nichts nachsteht. Boris, der Schreckliche.

Die Bühne (von Stefan Hageneier) besteht aus mal zwei, mal drei quer gesetzten eher nüchternen Räumen, deren Zwischenwand einen Blick auf die russischen Wörter für Schuld und Macht an der Rückwand freigibt. Zu den wenigen Requisiten gehört ein Tisch, auf dem Boris’ Sohn sein Russland in Modellen ausgebreitet hat - bis Godunow in ihnen herumstampft.

Wir sehen viel Armee und viele arme Menschen, Bürger und Bettler im heiligen Russland (Kostüme Irina Bartels). Marina Mnischek sehen und hören wir nicht, die Polen-Szene (dritter Teil, erstes Bild) ist gestrichen, die Aufführung dauert auch so schon über drei Stunden.

Gesungen wird übrigens in russischer Sprache. Wenn nur die Obertitel nicht so blass wären ...