Dortmund.. Seit 35 Jahren begeistert Roncalli die Zuschauer. Exklusiv für Dortmund hat Zirkus-Chef Bernhard Paul eine Show zusammengestellt, die unter dem Titel „Roncallis Winterträume“ ab dem 22. Dezember im Konzerthaus läuft. Andreas Winkelsträter sprach mit Paul über die Winterträume und auch seine Träume.
Seit 35 Jahren begeistert Roncalli die Zuschauer von Moskau bis München, von Wiesbaden bis Wien. Exklusiv für Dortmund hat Zirkuschef Bernhard Paul eine Show zusammengestellt, die unter dem Titel „Roncallis Winterträume“ ab dem 22. Dezember im Konzerthaus läuft. WR-Redakteur Andreas Winkelsträter sprach mit Bernhard Paul über die Winterträume und auch seine Träume.
Roncallis Winterträume kommen nach Dortmund. Wie sehen die Träume aus?
Bernhard Paul: Es ist kalt draußen, man geht ins Konzerthaus. Und es empfängt einen ein Geruch von Zimt und Tannenzweigen. Aber nur im Kopf, wo die Träume sich befinden. Es erfordert jemanden, der bereit ist zu träumen, der Phantasie im Kopf hat.
Sie sagen, das Publikum muss sich darauf einlassen, zu träumen. Waren Sie vor 35 Jahren dazu bereit?
Bernhard Paul: Ich träume schon mein ganzes Leben. Ich sah mit fünf Jahren meinen ersten Zirkus. Von da an habe ich vom und über den Zirkus geträumt. Zuerst habe ich was Vernünftiges gelernt (Anm..; Hoch- und Tiefbau), was ich heute im Zirkus gebrauchen kann. Und das ist ein Weg, den man gehen muss. Ein kreativer Vorgang hat immer mit Träumen zu tun. Und dann muss ich den Traum festmauern, ihn realisieren.
Was benötigt man, um den Traum zu realisieren?
Bernhard Paul: Die Liebe zu dem, was man tut, ist ganz wichtig. Nur wenn man die Liebe zu dem hat, was man tut, hat man auch die Kraft. Träume können sehr schnell verfliegen. Es ist wichtig, dass man weiß, was man will und die Kraft hat, es dann auch durchzusetzen.
Woher stammt Ihre Kraft?
Bernhard Paul: Das ist wie eine Batterie. Wenn man Winterträume macht, dann gibt das wieder Energie zurück. Wenn ich im Zelt stehe, dann guck ich das Publikum an. Und das gibt einem Kraft. Wenn man das macht, was man erträumt hat, dann gibt einem das ungeheuer viel. Dann hat man automatisch die Kraft. Man muss es nur tun. Viele Leute träumen ihr Leben lang, aber es wird nichts draus.
Kann man sich in dem Business auch mal ausruhen?
Bernhard Paul: Die Konkurrenz, vom Zirkus ausgehend, wird immer weniger. Es gibt keinen Zirkus Barum mehr, keinen Althoff, Hagenbeck oder Sarrasani sind alle weg. Was übrig geblieben ist, ist ein Bodensatz an relativ unseriösen Tierquälern, die das Leben einem schwer machen. Sei hinterlassen überall verbrannte Erde. Und wenn es viel schlechte Konkurrenz gibt, dann ist das auch für die Guten nicht gut. Heute gibt es den Cirque du Soleil, der einem mit 27 kleinen Touren überschwemmt, seelenlos. Ich bin ein Wiener Kaffeehaus und die sind Starbucks. Und ich bleibe dabei. Das was wir machen, ist nicht vergleichbar.
Inwieweit haben die Winterträume etwas vom Zirkus?
Bernhard Paul: Es soll ja nicht direkt der Zirkus sein. Der spielt im großen Zelt. Die große Überschrift ist ja „Classic meets Circus“. Klassische Musik in jeder Form trifft den Zirkus, sprich Roncalli-Elemente. Wir wollen den Todeskitzel nicht, aber der Gast merkt schon den sehr hohen Schwierigkeitsgrad der einzigartigen Nummer. Andere machen’s noch höher. Wir bemühen uns, es noch wirkungsvoller zu machen. Wir wollen Zirkus zum Hinschauen, nicht zum Wegschauen.
Wie sieht das Konzept aus?
Bernhard Paul: Das Kunststück ist: Zirkus und klassische Musik harmonieren. Und nach einigen Jahren sage ich: Das passt wunderbar. Als habe Mozart die Musik für einen Jongleur geschrieben. Es soll anspruchsvoll sein. Mit dem magischen Wort Roncalli ist die kulturelle Hemmschwelle weg. Denn man geht mit seinen Kindern auch ganz normal zu uns in den Zirkus. Und das Publikum ist verzaubert. Und genau das ist unser Beruf: Verzauberer.
Für wen ist das Programm?
Bernhard Paul: Für alte und junge Kinder. Das Kleinkind oder auch der Intellektuelle müssen an der gleichen Stelle „oooh“ sagen.
Was ist ein typisches Roncalli-Element?
Bernhard Paul: Das Sich-Wohl-Fühlen. Eine Tugend und eine Emotion in der heutigen Zeit, die schwach besetzt ist, ist Poesie. Und die ist kein Gewürz, das man kaufen kann. Die muss man erzeugen. Da muss vieles stimmen. Für uns ist deshalb auch von Beginn an ein hautnaher Kontakt zum Besucher wichtig.
Wie entsteht eine solche Show?
Bernhard Paul: Es ist ein Prozess, der ständig fortgesetzt wird. Ich bin ständig auf der Suche, auf der Lauer. So wie ein Übersetzungsbüro in eine andere Sprache übersetzt, so übersetze ich die visuellen Reize des täglichen Lebens in mir mit der Fragestellung: Was kann ich davon gebrauchen für eine Show? Ein Beispiel. Ich gucke durch Zufall „Wetten, dass...“ Es kommt ein junger Mann, der auf Flaschen geht. Da musste ich sofort an Auriol denken, der im 18. Jahrhundert als Clown und Pantomime die Leute unterhalten hat mit dem Tanz auf den Flaschen. Das ist eines der ältesten Zirkuskunststücke, die in Vergessenheit geraten sind. Ich habe beim ZDF angerufen. Die haben nicht geglaubt, dass ich’s wirklich bin. Am Ende hat Gottschalk bereits verkündet, dass der Mann zum Circus Roncalli geht. Jetzt war er hier und wir haben alles durchgesprochen. Jetzt habe ich sogar ein Orchester gefunden, das den Soundtrack auf Flaschen dazu spielt. Und so ist eine Nummer geschaffen, die einzigartig ist auf der Welt. So muss ich durch die Welt gehen und was daraus machen. Ich gehe zu keiner Agentur. Lagerfeld geht ja auch nicht zu Karstadt und kauft sich einen Anzug.
Wie entsteht letztlich eine solche Produktion?
Bernhard Paul: Wir sind ein lebendes Mosaik. Jeder kennt seinen Teil und den kann er schon. Wir wissen, was die Künstler können, was sie machen. Und es ist nur wichtig, dass man das richtig zusammensetzt und richtig verfugt. Wir arbeiten zum Teil schon länger als dreißig Jahre zusammen, etwa mit Georg Pommer, der verantwortlich ist für den gesamten Bereich Musik. Wir sind organisch gewachsen. Da braucht man teilweise gar nichts mehr zu sagen. Ein Blick, eine Geste. Und man versteht sich. Und wenn dann mal Neue hinzukommen, dann bringen die neue Impulse mit. Das ist wichtig, dass man nicht verkrustet. Wir machen derzeit ganz viel mit ganz jungen Leuten. Es ist die Töchter- und Söhne-Generation. Das ist auch gut so, dass die ganz andere Intuitionen, ganz andere Idole haben, das sie in einer ganz anderen Welt aufgewachsen sind. Da kommen Ideen, da sagen wir dann auch: Warum sind wir nicht drauf gekommen?
Gibt es Artisten, die Ihnen mal einen Korb gegeben haben?
Bernhard Paul: Es ist eher das Gegenteil. Ich muss dann schon eher sagen: Du bist schon so lange dabei. Wir müssen uns trennen. Das fällt mir dann viel schwerer. Einen Korb, das könnte ich schon vertragen. Doch meist, wenn wir fragen, bekommen wir die Antwort: Es ist mir eine große Ehre. Leider müssen wir uns immer wieder von Leuten trennen, die Teil unserer Familie geworden sind. Das tut schon weh. Auch wenn wir uns von Artisten trennen, so wird die Familie doch größer. Pic war in den 80er Jahren als Clown bei uns. Wir haben heute noch ein inniges Verhältnis, sprechen miteinander, beraten uns. Seine Tochter ist hier aufgewachsen, ist eine Freundin von meiner Tochter.
Sie sind ja Wiederholungstäter im Konzerthaus. Da hängt ja sogar ein riesiges Ölbild von Ihnen. Wie gefällt Ihnen das Haus?
Bernhard Paul: Optisch habe ich natürlich lieber den Wiener Konzertsaal, alte Architektur. Und ich stehe auf Kriegsfuß mit moderner Architektur. Das Konzerthaus ist dezent im Inneren. Es ist ein gelungenes Haus. Es ist wundervoll, dass ein solches Juwel im Ruhrgebiet steht, das mit Leben gefüllt wird. Dass in der heutigen Zeit überhaupt noch Geld dafür da ist, wo alle weltweit die Banken subventionieren müssen. Wir müssen unser Geld abgeben, damit die Banken überleben können. Der Rettungsring, das waren erst Milliarden, jetzt reden die über Billionen. Ich möchte wissen, wer die ganze Kohle hat? Die Bilanzen waren immer in Ordnung. Nun ist das ganze Geld irgendwo versickert. Ab dem nächsten Jahr werde ich nur noch positive Meldungen abgeben. Nichts mehr Schwarz malen.
Ich kann es nicht mehr ertragen. Es dreht sich alles nur noch um Geld und Gier. Ich ertrag es nicht mehr, ignoriere es und setze dem etwas Positives entgegen. Das ist zwar weniger als der Tropfen auf den heißen Stein in dieser Welt. Man muss etwas Positives dem entgegensetzen. Viele vergessen in unserer Vorstellung die Pro-bleme der Zeit. Man bewirkt dann doch etwas mit unseren Produktionen. Auch wenn es nur wenig ist. Eine unserer Botschaften: Geld kann kein Ziel sein. Wenn man heute junge Menschen fragt: Was willst Du werden? Dann sagen die „Reich und berühmt“. Dann gehen sie einfach zu Dieter Bohlen... John Lennon zum Beispiel wollte nie ein reicher Musiker werden. Er wollte Musiker werden. Wenn einer ein Ziel hat, braucht er sicher Geld, um sein Ziel zu erreichen. Aber das Ziel kann doch nicht das Geld sein.
Was war Ihr skurrilste Erlebnis in Dortmund?
Bernhard Paul: Wir haben einmal auf einem Platz gestanden (Anm.: wo jetzt die Arbeitsagentur steht), da war die Straße mit dem Puff daneben. Und da ist ein sehr kleiner Musiker von uns reingegangen. Und die haben da nur gerufen: „Weg, weg, weg“. Und das ist bei uns seitdem ein Running-Gag.
INFO
DO 22.Dezember, 19.30 Uhr, Premiere
FR 23.Dezember 19.30 Uhr,
SO 25.Dezember 15:00 + 19.30 Uhr,
MO 26.Dezember 15:00 + 19.30 Uhr
DI 27.Dezember 19.30 Uhr
MI 28. Dezember 19.30 Uhr
DO 29. Dezember 19.30 Uhr
FR 30.Dezember 19.30 Uhr
SA 31. Dezember 15:00 + 19.30 Uhr
SO 1. Januar 17:00 Uhr
Tickets ab 17,50 Euro