Düsseldorf/Dortmund.. Neonazis setzen Konzerte und Events gezielt ein, um junge Menschen in ihre Kreise zu ziehen. Der NRW-Verfassungsschutz berichtet an Rhein und Ruhr von 20 Skinhead-Bands. Fünf CDs aus NRW kamen in den vergangenen zwei Jahren auf den Index. Besonders auffällig ist die Dortmunder Szene.
Nächtliche Fackelmärsche, weiß maskierte Gesichter, aggressive Gesangstexte: „Da ist was faul in diesem Land.“ Gitarrenlastiger Hardrock transportiert die fremdenfeindliche Botschaft. Zwischendurch blendet das Video Angela Merkel ein oder Claudia Roth, kurz darauf die Textzeile: „Sei nicht länger ihr Leichenträger, werde endlich ihr Totengräber.“ Rechtsextreme Musik – wie die von „Übermensch“ – zählt zu den wichtigsten Propaganda-Instrumenten für Neonazis.
Verfassungsschutz kennt 20 Skinhead-Bands an Rhein und Ruhr
Es geht gegen alle, die ihnen verhasst sind: Migranten, Juden, Politiker. Musik mit antisemitischem und antidemokratischen Inhalt gilt in der rechten Szene als Einstiegsdroge – und als Bindemittel. „Man hört Musik, und es wird der Eindruck vermittelt: Du passt zu uns, bist einer von uns“, sagt ein Kenner der Szene, „so fängt es an.“
Konzerte und „Balladenabende“ stärken das Identitätsgefühl. Wenn dann noch Alkohol die „neue Volksgemeinschaft“ berauscht, so NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier, sinke auch schnell die Schwelle zur Gewalt. Nach jüngsten Erkenntnissen seiner Behörde sind an Rhein und Ruhr 20 namentlich bekannte Skinhead-Bands mit Auftritten oder Studio-Projekten aktiv.
Die Dortmunder Szene ist besonders auffällig
Ältere Bands wie „Oidoxie“ gehören zur besonders auffälligen Dortmunder Szene. Oft verrät schon der Name die braune Gesinnung: „Angry Bootboys“, „Division Germania“ oder „Sturmwehr“. Rechtsrock, der das Internetforum YouTube als willkommene Werbeplattform entert, ist zumeist harter Gitarrensound, aber auch Rap oder HipHop.
2013 registrierte der Verfassungsschutz in NRW 13 rechtsextreme Konzerte, teilweise im Rahmenprogramm von Parteiveranstaltungen. Die Tendenz ist steigend, bundesweit waren es nach neuestem Stand 148. „Die Szene setzt Musik gezielt ein, um junge Menschen in ihre Kreise zu ziehen“, sagt Verena Schäffer, Grünen-Innenexpertin im Landtag. Die Konzerte hätten „Eventcharakter“. Nicht immer würden rassistische und demokratiefeindliche Texte vom Zuhörer sofort als solche erkannt.
Fünf CDs aus NRW in den vergangenen zwei Jahren auf dem Index
Verbote durch örtlichen Behörden, die das Ordnungsrecht oft bis an die Grenze des Erlaubten auszureizen versuchen, können die Veranstalter finanziell empfindlich treffen. Auch deshalb häufen sich in letzter Zeit „konspirative“ Auftritte. Man verabredet kurzfristig per SMS oder über Facebook einen Treffpunkt, von dem aus die Besucher zu den Konzerten gelotst werden. Sie sind zudem oft als private Geburtstagsparty getarnt, um den Sicherheitsbehörden die Auflösung rechtlich zu erschweren.
Folgt man Freier, so hinterlassen „Exekutivmaßnahmen“ des Staats ihre Wirkung. „Politische Botschaften“, sagt der Behördenleiter, „werden vermehrt nur bis zur Grenze der Strafbarkeit formuliert“ – nicht zuletzt, um der Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu entgehen. Fünf CDs aus Nordrhein-Westfalen kamen in den vergangenen zwei Jahren auf den Index. Oft würden rechtsextreme Veranstaltungen aber auch ins benachbarte Ausland – beispielsweise Belgien, Frankreich oder Polen – verlegt, wo die Rechtslage den Neonazi-Musikern ihre Auftritte erleichtert.
Aber nicht nur die militante Szene mit ihren rund 650 Mitgliedern in NRW versucht Jugendliche, die nicht selten in einer persönlichen Krise stecken, mit Musik zu ködern. Der Internet-Ratgeber „Netz-gegen-Nazis.de“ weist darauf hin, dass auch NPD und DVU mit sogenannten „Schulhof-CDs“ für braune Ideologie werben. Handelsplatz ist fast immer das Internet, auch für T-Shirts, Fahnen oder Poster. Einen Versandhandel betreibt als Privatunternehmen der stellvertretende Landeschef von „Die Rechte“, Michael Brück. Die neue Partei mit neun Kreisverbänden in NRW hat sich, so warnt Innenminister Ralf Jäger (SPD), als Sammelbecken für Mitglieder verbotener Neonazi-Kameradschaften etabliert.