Dortmund. Der Fachärztemangel schlägt jetzt auch an Krankenhäusern in Dortmund voll durch - mit dramatischen Folgen. Die Kliniken greifen auf Leihkräfte und Ruheständler zurück. Der Grund für den Schwund: Das Arbeitszeitgesetz hat den bedarf in die Höhe geschraubt.
Weil der Markt leergefegt ist, werden Leiharbeiter eingestellt und ausländische Mediziner mit teils großen Sprachdefiziten. Auch Ärzte im Ruhestand werden gerufen, um das Pensum zu schaffen.
„Der Markt gibt's nicht mehr her”, klagt der stellvertretende Direktor des Knappschaftskrankenhauses, Michael Kleinschmidt. „In der Inneren Medizin und Pneumologie haben wir Leihärzte eingestellt.” Wissend, dass dies nur die zweitbeste Lösung ist. „Aber wir kriegen nicht genug gute Leute.”
Pensionäre, Ausländer, Leihkräfte
Auch auf dem internationalen Markt grasen die heimischen Krankenhäuser - zum Teil durch beauftragte Headhunter, um ihren Personalbedarf zu decken. Dabei sind die Erfahrungen mit ausländischen Medizinern durchaus gemischt. Neben positiven Beispielen - wie in der Strahlentherapie - gebe es auch schlechte Erfahrungen. „Wenn die sprachlichen Probleme zu groß sind, entstehen Missverständnisse”, berichtet Kleinschmidt. Es sei schon vorgekommen, dass die Patienten die Ärzte nicht verstanden hätten und auch die Pflegekräfte bei den Anweisungen passen mussten. „Dann mussten wir das Arbeitsverhältnis kurzfristig beenden.”
Operationen gefährdet
„Zunehmend spannend” wertet das Thema der Chef des Johannes-Hospitals, Günther Nierhoff. Vor allem in der Anästhesie sei es sehr eng geworden. „Wir müssen uns anstrengen, damit Operationen nicht abgesagt werden müssen”, erklärt Nierhoff. Das Fass der Leiharbeit will er bewusst nicht aufmachen: „Das sehe ich extrem kritisch.” Weil er die damit verbundenen Mehrkosten nicht mehr zuschrauben könne, wenn festangestellte Mitarbeiter die gleichen Forderungen stellen werden. „Das kriegen Sie nicht wieder weg”, fürchtet Nierhoff.
Mit ausländischem Personal - insbesondere aus Osteuropa habe das Johannes-Hospital schlechte Erfahrungen gemacht. Da sei neben der Sprachbarriere auch die unterschiedliche Mentalität, die zu Schwierigkeiten mit Patientinnen geführt habe.
Ärzte wandern ab
Von einer relativ entspannten Situation spricht der Ärztliche Direktor des Klinikums, Prof. Dr. Michael Schwarz. Deutliche Vakanzen und Leiharbeit habe es im letzten Jahr in zwei Abteilungen gegeben. Aktuell könne man von normalen Fluktuationen im Klinikum reden.
Die Ursachen für die sich verschärfende Personalsituation an Krankenhäusern sehen Knappschaft und JoHo unisono vor allem im Arbeitszeitgesetz, das aus Bereitschaften mit hohen Wochenarbeitszeiten zuletzt Schichtdienst gemacht hat - mit dem entsprechenden personellen Mehrbedarf. Mehrbedarf entstehe auch durch nachgefragte Abteilungen - wie die Pneumologie der Knappschaft, in der der Chefarzt inzwischen drei Oberärzte um sich schart. Mehr Frauen mit Teilzeitwünschen im Medizinbereich erhöhten ebenfalls den Personaldruck. Immer mehr Ärzte drängen außerdem in die Pharmaindustrie und werden im Controlling oder Qualitätsmanagement gebraucht. Das heißt: Sie fehlen am OP-Tisch.
„Wir brauchen so viele Ärzte wie noch nie”, folgert Kleinschmidt.
Personalkarussell und Kostenspirale
Mit Anreizen wie der Übernahme von Fortbildungskosten - zum Beispiel die Ausbildung zum Notfallmediziner - versuchen Kliniken, die Mediziner bei der Stange zu halten. Doch die Konkurrenz wächst, und das Haus, das 1000 Euro mehr zahlt, setzt neben dem Personalkarussell auch die Kostenspirale in Bewegung.
Hinter vorgehaltener Hand wird eingeräumt, dass es schwer sein wird, unter diesen Bedingungen den hohen Qualitätsstandard der Krankenhausmedizin zu halten.