Dortmund.. Nazi-Gegner versuchen in Dortmund vergeblich, die Marschierer zu stoppen. Gewalt gegen die Polizei kommt von linken wie rechten Extremisten.
Der Samstag in Dortmund, ebenso bang wie freudig erwartet, beginnt mit einem Lied: „Die Gedanken sind frei“, singen Hunderte beim Chorfest. Weil das aber so ist, sammeln sich zur selben Stunde im Westen der Stadt etwa 900 Rechtsextremisten zu einem „Signal gegen Überfremdung“. Menschen ohne Haare oder mit Hitlerfrisur, in T-Shirts, auf denen „Übermensch“ steht, „Blitzkrieg“ oder „Achtung, Deutsch!“
Überall in den Vororten rüsten sich Linksautonome zum Gegenangriff, schwarz die Brillen und Kapuzen. Dazwischen steht aufrecht und bunt: der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus. „Stopp Refugees“ gegen „Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtlinge“. „Nazis raus!“ gegen „Hurensöhne!“. Mehrere Tausend Polizisten, zehn Wasserwerfer, viele Räumpanzer mühen sich, dass alle zu ihrem Recht kommen – und möglichst niemand zu einem Unrecht.
Früh blockieren Linke die Bahngleise in Dorstfeld
Das aber ist schwierig, wie immer in solchen Lagen: Schon früh blockieren Linke die Bahngleise in Dorstfeld, wo Rechts losmarschieren soll, ausgerechnet hier, wo die Stadt ohnehin mit einer starken rechten Szene kämpft. Flaschen fliegen jedoch von links, ein Stein lässt einen Polizeihelm zersplittern, eine rechte Horde geht mit Reizgas und Feuerlöschern auf die Beamten los. Am Ende sind mehrere Polizisten verletzt.
Von der Bühne aus bejubeln die Neonazis die Politik von einst, die „für 1000 Jahre“ gemacht worden sei, und beklagen ihre „Sorgen um das deutsche Volk“ (derweil dieses beim Italiener Eis kauft). Viele Worte machen sie, um verbotene zu vermeiden und doch dasselbe zu sagen. Damit niemand sie verwende, lesen Redner volksverhetzende Parolen vorsichtshalber vor.
Gebrüll aus Megafonen
Grölend zieht die Menge durch die Straßen, aus Fenstern schauen Menschen zu, Frauen mit Kopftüchern drängen sich verängstigt hinter Hausecken und Vorhängen. Gegen das Gebrüll aus den Megafonen bleiben die „Nazis raus!“-Rufe leise. Später werden Linke der Polizei vorwerfen, sie hätten den Neonazis „den roten Teppich ausgerollt“; die beschimpfen ihre Gegner als „wildgewordene Geisteskranke“.
Pfeifen schrillen, Sirenen heulen, in Huckarde wollen Autonome eine Reichskriegsflagge verbrennen, allein, es fehlt das Benzin im Feuerzeug. Weil die Nazi-Gegner dem Feind nicht nah genug rücken dürfen, halten sie der Polizei ihre „Spiegel“ vor: Aufblasbare Riesenbälle sind das, die selbst Wasserwerfern die Sicht versperren.
Massives Polizeiaufgebot schüchtert ein
Dabei wollte Dortmund eigentlich feiern an diesem Tag, Gastromeile, Chorfest, Afro-Party, aber nun sind da überall blaue und schwarze Polizisten im bunten Treiben, und der Nahverkehr rührt sich nicht mehr. „Es ist wie Krieg“, sagen bestürzte Dortmunder, die das massive Polizeiaufgebot bald mehr fürchten als rechte oder linke Schläger.
Die Gewalt sei jedoch nur „importiert“, sagt Oberbürgermeister Ullrich Sierau zu den friedlichen Demonstranten, „die Braunen gehören auf den Müllhaufen der Geschichte“. Das Dortmunder U, das den Aufzug des Widerstands am Morgen bewacht, führt ein neues Spruchband unterm Dach: „Der Turm fand Nazis damals schon uncool.“