Dortmund. Statt eines Hip-Hop-Workshops mit Klassik-Elementen wartete beim Vivaldi-Experiment des WDR der bekannte Rapper MoTrip auf Schüler einer Dortmunder Realschule.

"Oh mein Gott, das ist MoTrip!" Die Schüler der Albrecht-Dürer-Realschule, die am Montag in der Jugendfreizeitstätte Schüren versammelt sind, haben einen Hip-Hop-Workshop erwartet, der irgendwas mit Klassik zu tun hat. Aber dann steht da plötzlich Mohamed El Moussaou vor ihnen. Ein gefeierter Rapper ("So wie du bist"), der mit ihnen Musik machen will.

"Es war unglaublich", sagt Andreas Lübbert von der Jugendfreizeitstätte nach dem exklusiven Workshop mit MoTrip, der gemeinsam mit Geigerin Mariella Haubs nach Dortmund gekommen war. Der Besuch: Teil des Vivaldi-Experiments unter Federführung des WDR, das Rap und Klassik zusammenbringen will. Und Vorurteile abbauen. "Die Distanz zwischen den beiden Genres ist gefühlt natürlich weit", sagt MoTrip, "aber am Ende des Tages muss man sich vor Augen führen, dass es immer um Emotionen geht." Darum, Gedanken zu verarbeiten.

Die Kids wussten nicht, dass dieser Tag Ende Juni ein ganz besonderer werden würde. "Sie haben sich für einen Hip-Hop-Workshop angemeldet", sagt Andreas Lübbert von der Jugendfreizeitstätte nach einem Tag voller Gänsehautmomente. "Es war durchgesickert, dass Mariella Haubs anreist - aus New York. Da waren alle schon ziemlich aufgeregt. Und dann stand plötzlich auch noch MoTrip vor ihnen. Die Mädels, die sagten erstmal gar nichts mehr. Die standen da nur, völlig fertig, und hielten sich die Hände vor den Mund. Oder wedelten sich Luft zu. Die haben es einfach nicht geglaubt. Die dachten, sie wären im Film. Oder träumen."

Sprachlose Kids in der Jugendfreizeitstätte

Die Kids, die MoTrip erst sprachlos gemacht hat, um dann mit ihnen gemeinsam mit Worten zu zaubern, sind zwischen 13 und 17 Jahren alt. Der jüngste von ihnen ist Joshua (Name geändert) aus Aplerbeck. Mit seinen 13 Jahren hat er schon viel durchgemacht. "Meine Mitschüler haben mich gemobbt", erzählt er offen. "Sie haben es geschafft, mich immer wieder runterzuziehen." Diese Zeit, die vor einem Klassenwechsel liegt, hat Joshua in einem Song verarbeitet. Die Tischtennisplatte, auf die er sich oft geflüchtet hat, wird darin zu Insel, die Fieslinge werden zu Haien, der Boden wird zum Meer aus Tränen.

Als MoTrip den Text liest, berühren ihn die Worte. Und er sieht das Talent, das in diesem kleinen Jungen schlummert. Darum will er bald wieder mit Joshua zusammen im Studio stehen. Darum will er ihn unterstützen. "Für euch alle gilt: Wenn ihr ein Anliegen habt, könnt ihr euch immer über mein Management bei mir melden", sagt MoTrip den Schülern, die ihm in wenigen Stunden ans Herz gewachsen zu sein scheinen. "Wenn ihr mir schreibt, dann kommt das bei mir an. Dann lese ich das. Versprochen."

"Ich kann was"

Auch Maximilian Stössel, Konzertpädagoge des WDR, ist von Joshua, der immer wieder wie ein Honigkuchenpferd strahlt, beeindruckt. Wenn man dieses Strahlen sehe, sei das Vivaldi-Experiment bereits mehr als geglückt. "Ein Mensch, der es besonders verdient hat, gelobt zu werden, der viel mitgemacht hat, erlebt hier: 'Ich kann was.' Fühlt sich wohl in seiner Haut." Stössel ist fest davon überzeugt, "dass sich das Leben in einem Proberaum verändern kann", sagt er. Ein Workshop könne nicht alles ändern. Aber er könne ein Anfang sein. Für vieles.

Im Workshop in der Jugendfreizeitstätte Schüren hat MoTrip die Teilnehmer dabei unterstützt, individuelle Zeilen zu erschaffen, zum Beat seines gerade entstehenden Songs "Auserwählt" - und zu den Klängen von Vivaldi.

Die 15-Jährige Mara (Name geändert) aus Asseln schrieb mit Fineliner auf liniertes Papier:

Sie selbst hat sich befreit, und zwar aus einem Tief, in das sie durch Drogenkonsum gefallen ist. "Die Musik hat mir geholfen einzusehen, dass ich auf eine Entzugsstation gehöre", sagt Mara. Texte hätten ihr Wege aufgezeigt. Sie gerettet.

Mit MoTrip im Profi-Tonstudio

Vom Workshop-Raum geht es nach der Schreibphase durch die Küche zum professionellen Tonstudio der Jugendfreizeitstätte, das MoTrip sichtlich beeindruckt. Man spürt, dass er stolz auf die Kids ist. Dass er gerne dort hinter der Scheibe mit ihnen im Halbkreis steht, auch wenn das Studio viel zu voll und viel zu warm ist. MoTrip nimmt zusammen mit den Schülern den Refrain von "Auserwählt" auf, und dann singt jeder seine Zeilen ein. Am Ende wird das alles auf CD gepresst. Ein kostbares Erinnerungsstück.

"Ausschlaggebend für den Besuch von MoTrip und Mariella Haubs in Schüren war, dass die Jugendfreizeitstätte ein Tonstudio hat und sich das Team echt stark dafür einsetzt, Jugendliche mit Musik zu unterstützen", sagt Maximilian Stössel. Ziel des Vivaldi-Experiments, das er mitentwickelt hat, sei es, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu schenken. "Und dieses Ziel hat auch das Haus." Das passte einfach.

"Ich bin überwältigt von den Kids"

"Ich bin überwältigt von den Kids", sagt MoTrip am Abend, nachdem er Dutzende Autogramme gegeben und Selfies gemacht hat. "Sie sind mit verschiedenster Motivation und mit verschieden Lebensgeschichten zusammengekommen, und dennoch haben wir alle an einem Strang gezogen." Das habe Spaß gemacht. Und das habe sich richtig angefühlt.

"Alle waren total kreativ und engagiert und offen", schwärmt Mariella Haubs. Das sei eine wunderbare Basis, um zu arbeiten. "Es ist schon krass, was die Kids an Geschichten mitgebracht haben", sagt MoTrip, wenn er auf den Workshop zurückblickt. "Es ist wichtig, ihnen Kraft zu geben. Ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die es gibt. Ihnen ein Vorbild zu sein."

Aus dem Libanon nach Deutschland gekommen

Auch Mohamed El Moussaou hat seine Geschichte mitgebracht: "Ich kam 1990 aus dem Libanon, da war ich anderthalb Jahre alt. Mein Vater schrieb immer schon Gedichte, ich glaube, das ist irgendwo in mir verankert. Die Musik hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Erst waren es Jahre, in denen ich investiert habe, und in denen der Papa auch mal gesagt hat ‚Ey, was machst du da? Was machst du in Berlin? Und wer ist dieser Kool Savas?‘ Aber dann haben meine Eltern gesehen, dass es mein Job ist, was ich da in Berlin mache. Dass ich davon meine Rechnungen bezahlen kann. Inzwischen feiern sie meinen Weg."

Was die Kinder mitgenommen haben? "In erster Linie halt Fotos für Snapchat, Instagram und Facebook - wie das heute so läuft", sagt MoTrip und grinst. Aber da sei mehr. Viel mehr. "Ich wollte den Kids Motivation zum Musikmachen geben. Und zum Leben. Wir haben aus gar nichts etwas geschaffen. Wir hatten einen luftleeren Raum, da haben wir Musik reingestellt. Uns von ihr inspirieren lassen. Und am Ende hatten wir etwas."

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