Dortmund.. Im Laufe der Zeit sind aus den Industriedenkmälern des Ruhrgebiets Museen, Parks, Bühnen und Ateliers geworden. Bei Touren und Besichtigungen bieten sich tiefe Einblicke in eine Region, die in der Industriekultur ihre kulturelle Identität bewahrt. Eine Entdeckungsreise zur Zeche Zollern.

Eher an einen Adelssitz als an einen Hochleistungskomplex zur Kohlenförderung erinnert das Bergwerk Zollern II/ IV im Dortmunder Westen. Die Übertagebauten wurden um 1900 auf dem Gelände eines ehemaligen Bauerngutes errichtet. Damals galten sie in technischer wie ästhetischer Hinsicht als Musteranlage. Die Vorzeigezeche spiegelt den starken Repräsentationswillen der Gelsenkirchener Bergbau AG wider, die mit dieser Schachtanlage zur größten Zechengesellschaft im Ruhrgebiet aufstieg.

Die von einer mannshohen Mauer und einem schmiedeeisernen Zechentor umschlossene Anlage gilt als hochkarätiges architektonisches Gesamtkunstwerk. Bei genauerer Betrachtung wird die Besonderheit dieser Anlage deutlich, denn hinter den prunkvollen Backsteinfassaden mit ihren verspielten Giebeln und Türmchen verbirgt sich die Moderne. Während sich im vorderen Bereich Torhäuser, Werkstattgebäude, der zentrale Verwaltungsbau, Lohnhalle und Waschkaue wie bei einer Schlossanlage um einen begrünten Ehrenhof gruppieren, präsentiert sich das Industriezeitalte mit stählernen Fördergerüsten, einer funktionalen Schachthalle und vor allem mit der berühmten, riesigen Maschinenhalle.

Sehenswerte historische Gaststätte

Vor der marmornen Schalttafel unter der goldenen Uhr steht noch heute der original erhaltene Maschinenpark, der um die Jahrhundertwende zum modernsten der Welt zählte und unweigerlich an Szenen aus dem Fritz Lang-Film „Metropolis“ denken lässt. 1966 stillgelegt, drohte dem Bergwerk 1968 der Abriss. Buchstäblich in letzter Minute wurde der Abbruch verhindert, als der damalige Landeskonservator die Maschinenhalle mit dem bekannten Jugendstilportal schließlich unter Denkmalschutz stellte.

Damit wurde die Zeche zum Wegbereiter der Industriedenkmalpflege in Deutschland und zum Symbol für die internationale Wertschätzung von Industriekultur. Seit 1986 ist Zollern II/IV die Zentrale des Westfälischen Industriemuseums des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Nach jahrzehntelangen Aufbau- und Restaurierungsarbeiten wurde Zollern II/IV im Jahr 1999 als Museum für die Sozial- und Kulturgeschichte des Ruhrbergbaus eröffnet. Erklärt wird der harte Arbeitsalltag hinter den schönen Backsteinfassaden und untertage. So geht es in der zentralen Ausstellung um die Ausbildung des bergmännischen Nachwuchses, der um 1920 ein Markenzeichen des Ruhrbergbaus war.

Ein Berglehrling ist auch Leitfigur auf dem Kinderrundweg: Jungen und Mädchen schlüpfen in voller Montur in die Rolle von „Azubis“ und erproben den Arbeitsalltag an Leseband   und Werkbank. Vom Förderturm aus bietet sich ein weiter Blick über die gesamte Zechenanlage und die Gartenstadtsiedlung vor dem Zechentor. Im ehemaligen Pferdestall ist eine sehenswerte historische Gaststätte untergebracht und sorgt für das leibliche Wohl der Besucher.

Zeche Zollern Dortmund - Auf und Ab einer Märchenzeche

Bis zur Stilllegung im Jahr 1966 hat die Zeche Zollern II/IV ein turbulentes Stück Wirtschaftsgeschichte erlebt. Ursprünglich war sie für eine Belegschaft von 2.000 Bergarbeitern und eine Förderung von 2.000 Tonnen Kohle pro Tag ausgerichtet. Als das Werk 1926 in den Verband der Vereinigten Stahlwerke AG wechselte und viele Zechen aufgrund mangelnder Rentabilität geschlossen wurden, konnte eine Stilllegung nur mit einem Modernisierungs- und Rationalisierungsplan verhindert werden. Die Folge: Bis auf 400 wurden alle Bergleute entlassen.

.
. © Unbekannt | Unbekannt

Der Konjunkturaufschwung und die beginnenden Kriegsvorbereitungen Mitte der 1930er Jahre, schoben die Stilllegung von Zollern II/IV noch einmal auf. Das endgültige Aus kam 1966: Gegen die 1955 in Betrieb genommene Großschachtanlage Germania II/III in Dortmund-Marten konnte nicht mehr „angefördert“ werden.

Minderwertige gewerbliche Nutzung

Als im Jahr 1968 Pläne bekannt wurden, die Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV in Dortmund-Bövinghausen zugunsten einer Erschließungsstraße abzureißen, formierte sich die erste große Initiative zur Rettung eines Industriebaus in Deutschland. Künstler und Intellektuelle wie die Fotografen Bernd und Hilla Becher, der Gründungsdirektor der Düsseldorfer Kunsthalle Karl Ruhrberg oder der Bildhauer Günter Uecker richteten eine Petition an den damaligen Ministerpräsidenten Heinz Kühn.

Sie wiesen darauf hin, dass es sich bei der Maschinenhalle um einen frühen Versuch handele, „eine menschliche Gestaltung der industriellen Umwelt“ zu erreichen und damit eine Antwort auf eine bis heute aktuelle Herausforderung zu geben. Nachdem auch das Fachblatt „Bauwelt“ auf die Jugendstildetails der Eisenfachwerkhalle des berühmten Berliner Architekten Bruno Möhring hingewiesen hatte, ließ sich der Abbruch nicht mehr durchsetzen.

Die Gesamtanlage Zollern II/IV aber litt: Schachthäuser und Fördergerüste wurden abgebrochen, Ausrüstungsgegenstände vernichtet, Gebäude jahrelang für minderwertige gewerbliche Nutzungen vermietet. Erst in den 1970er Jahren begannen Baumaßnahmen zur Erhaltung. Unter anderem wurden die abgerissenen Fördergerüste durch bauähnliche Exemplare anderer Zechen aus Herne und Gelsenkirchen ersetzt und auch eines der Schachthäuser wieder aufgebaut.

 Zeche Zollern Dortmund - „Dieser Schrott soll Denkmal werden?“

Mit Empörung reagierten anfangs viele Menschen angesichts von Plänen, halb verfallene Fabrikhallen oder rostige Hochöfen unter Denkmalschutz und damit auf eine Stufe mit Schlössern und Kathedralen zu stellen. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Die anfängliche Empörung ist einer Art Heimatstolz auf diese einmaligen Zeugen der Industriegeschichte gewichen. Heute gibt es allein in Nordrhein-Westfalen 3.500 Denkmäler der Industrie- und Technikgeschichte. Dabei hat das Engagement für die so genannten „technischen Kulturdenkmale“ in Deutschland Tradition: Dem Berufsstand der Ingenieure ist es zu verdanken, dass die gestalterischen Qualitäten dieser Bauten in Fachkreisen bereits um 1900 gelobt wurden.

.
. © Unbekannt | Unbekannt

Anregungen zur Beschäftigung mit dem industriekulturellen Erbe kamen Mitte des 20. Jahrhunderts aus England: Dort, wo um 1750 die Industrialisierung ihren Anfang genommen hatte, engagierten sich 200 Jahre später Denkmalschützer, Laien und Wissenschaftler, darunter viele Archäologen, für die Relikte der Technik und Industrie. Daraus entstand die wissenschaftliche Disziplin „industrial archaeology“. In Deutschland setzte sich ab 1970 der Begriff „Industriekultur“ durch: Er bezieht sich auf die umfassende Erforschung des Industriezeitalters. Dabei ging es oftmals zunächst um nichts anders als um die Rettung einer industriell genutzten Anlage vor dem Abbruch oder dem Verfall. Viel zitiertes Beispiel ist die Maschinenhalle der Zeche Zollern.

Industrielles Erbe auch für Touristen interessant

Die Zechenanlage ist heute Sitz des 1979 gegründeten Westfälischen Industriemuseums des Landschaftsverbandes Westfalen- Lippe, das sich – nunmehr im gesetzlichen Auftrag – der Bewahrungen und Vermittlung der Industriegeschichte des Landes widmet. Zusammen mit dem 1984 gegründeten Rheinischen Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland werden an insgesamt 14 Museumsstandorten Technik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Produktions- und Arbeitsbedingungen museal erschlossen. Neue Impulse gab die Internationale Bauausstellung Emscher Park, die von 1989 bis 1999 ein städtebauliches Programm zur Bewältigung des Strukturwandels im Ruhrgebiet entwickelte und das Thema Industriekultur einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machte.

Mit dem Erhalt, Umbau und der Neunutzung ganzer Anlagen wie dem Landschaftspark Duisburg-Nord oder Zollverein in Essen wurden nicht nur identitätsbildende Standortfaktoren geschaffen, sondern auch ökonomische Perspektiven. Die 1995 gegründete Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur mit Sitz auf der Kokerei Hansa in Dortmund setzt sich – bundesweit einzigartig – für den Erhalt von hochrangigen Industriedenkmalen ein: sichert und erforscht sie wissenschaftlich und entwickelt Neunutzungen.

Mit der „Route der Industriekultur“, einem 1999 eröffneten 400 Kilometer langen Rundkurs zu Sehenswürdigkeiten aus 150 Jahren Industriegeschichte, begann das Ruhrgebiet schließlich, sein umfangreiches historisches Erbe des Industriezeitalters touristisch zu erschließen. Vorläufiger Höhepunkt der Industriedenkmalpflege war die Ernennung von Zeche und Kokerei Zollverein zum UNESCO-Weltkulturerbe im Jahr 2001. Mit der RuhrTriennale, einem hochrangigen, internationalen Kulturfestival, das 2002 erstmals und ausschließlich in den großen Industriekathedralen des Ruhrgebiets stattfand, wurde der Industriekultur schließlich die Krone aufgesetzt.