Dortmund.. Viel schwarz, wenig gelb - na und? Vor zehn Jahren gründeten sehbehinderte und blinde Fans von Borussia Dortmund ihren eigenen Fanclub. Längst reisen sie mit ihrem Verein quer durch die Republik.

Unterschied? Welcher Unterschied? Es gibt Fragen, auf die sich Daniela Gabauer am liebsten taub stellt. 80 720 Menschen haben am Samstag Borussia Dortmunds Sieg gegen den FSV Mainz live im Stadion erlebt. Mindestens 20 von ihnen waren blind oder sehbehindert. Na und? Die meisten von ihnen sind seit Jahren aktiv im BVB-Fanclub „Blind Date“. Und so, wie ihr Club-Name ein unbekümmertes Wortspiel mit ihrer Behinderung ist, hätten sie auch kein Problem damit, den Schiri einen Blinden zu schimpfen. Wenn er gegen ihre Borussia pfeift.

Daniela Gabauer (36) lebt schwarz-gelbe Normalität, auch wenn sie mit ihrem Sehvermögen von fünf Prozent auf nur noch einem Auge weitaus mehr schwarz als gelb sieht. Als Frühchen zur Welt gekommen, im Brutkasten mit zuviel Sauerstoff behandelt. Förderschulen, Blinden-Internat. Das sind Lebensstationen, die sie in Gesprächen im Spurt abläuft. Weitaus länger verharrt die gelernte Bürokauffrau bei ihren bewegendsten BVB-Spielen. Pokalfinale in Berlin, Uefa-Cup-Endspiel in Rotterdam. Sie hat das alles erlebt. Live. Das erste Spiel, einfach spontan besucht, nur mit einem blinden Freund als Begleitung, sah sie 1994 in Block 13 auf der Südtribüne gegen Deportivo LaCoruna. Ein Kracher der BVB-Geschichte. Wie Daniela Gabauer damals an Karten kam? „Wir haben halt in der Geschäftsstelle ein bisschen auf Mitleid gemacht.“

Schalke-Witze und Streit um Karten

Freitagabend, Dortmunder Nordstadt. Eine Kneipe, in der noch mächtig gequalmt wird. Und in der Schalke-Witze erzählt werden. „Liegt ein Schalker im Rettungswagen“, fängt Willi an. Aber, den kennen die meisten schon. Knapp 30 Männer und Frauen sind da, essen Schnitzel, Pommes, Currywurst. Der sehr bodenständige Fanclub bereitet seine Zehn-Jahres-Feierlichkeiten vor. Aber Tagesordnungspunkt 1 ist immer das Karten-Verteilen: 20 Plätze für Sehbehinderte, 20 für ihre Begleiter gibt es in Dortmund. Wie die meisten Bundesligisten bietet Borussia Dortmund den Sehbehinderten einen eigenen Livekommentar, der im Kopfhörer zu empfangen ist. „Als es letztes Jahr um die Karten für den letzten Spieltag mit der Meisterfeier ging“, gesteht Daniela Gabauer, „haben wir uns fast die Köppe eingeschlagen.“ So oder ähnlich ist es in weiteren 600 BVB-Fanclubs gelaufen. Unterschied, welcher Unterschied?

Franz ist Rentner. Er sieht noch sehr gut. Er hat zum „Blind Date“ gefunden wie eigentlich alle. Ziemlich zufällig. Franz begleitet einen der Sehbehinderten regelmäßig ins Stadion. Diese Begleiter-Tickets sind kostenlos. „Natürlich ist immer die erste Frage, wenn einer neu ist, ob man GARANTIERT ‘ne Karte bekommt“, sagt die Vereinsgründerin und -Vorsitzende Daniela Gabauer. Aber garantieren kann auch sie für nichts.

Augsburg hat nur einen Platz für blinde Gäste

Nächste Woche beim Bundesligaspiel in Augsburg gibt es zum Beispiel nur eine Karte für sehbehinderte Gästefans. „Ich hoffe, dass die absteigen“, sagt Daniela Gabauer, offenherzig, wie sie nun mal ist.

Tagesordnungspunkt 2: Das Vereinsjubiläum. Am 1. April wird „Blind Date“ zehn Jahre alt. Eine Führung am Borsigplatz, wo Borussias Wiege stand, ist schon fest terminiert. Der Antrag, danach noch ins Hoesch-Museum zu gehen, wird abgeschmettert. Eine klare Mehrheit möchte lieber gleich die Frittenschmiede „Pommes-Rot-Weiß“ ansteuern, das einstige Gründungslokal der Borussen. „Man soll ja nicht zu viel rumlaufen“, sagt einer. BVB-Geschichte gegen Industriegeschichte 1:0.

Samstagnachmittag, Signal-Iduna-Park, Dortmund gegen Mainz. 77. Spielminute. Mainz hatte ausgeglichen, aber der BVB schlägt sofort zurück. Kagawa knallt das Leder zum Siegtreffer unter die Latte. Ein bisschen Angst um den Sieg, gesteht Daniela Gabauer danach, habe sie schon gehabt. Aber jetzt braucht sie kein verbales Getändel mehr, kein „mal gucken“ oder „mal sehen“. Sie sagt’s jetzt im Brustton der Überzeugung: „Wir werden wieder Meister.“

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