Dortmund..

Die Beatsteaks sind längst kein Geheimtipp mehr. Mit ihrem aktuellen Werk „Boombox“ landeten sie erstmals (wenn auch nur kurz) auf Platz 1 der deutschen Album-Charts, live gehört das Berliner Party-Quintett seit Jahr und Tag zum Besten der nationalen Musikszene. So ging auch in Dortmunds ausverkaufter Westfalenhalle wieder der Punk ab.

Vor der Beatsteaks-Party die Verwunderung. Der Abend beginnt für den Reporter in Dortmunds ausverkaufter Westfalenhalle 1 sonderbar. Alle, die auf der Gästeliste stehen, sollen fünf Euro spenden. Klar, für Japan, ist der erste Gedanke. Und weiter: Mensch, können wir an diesem Samstag ein Musikfest feiern, während anderswo Menschen eine Mega-Katastrophe zu bewältigen haben oder Krieg herrscht? In Fußballerkreisen hätte die Antwort darauf „Lebbe geht weider“ gelautet, zumal der BVB kurz zuvor gegen Mainz in unmittelbarer Nachbarschaft ein (fast) normales Bundesligaspiel absolviert hatte und Paul Panzer in der kleinen Westfalenhalle zeitgleich seine Witzchen reißt. Und als sich herausstellt, dass die Beatsteaks die Spende für die Organisation Oxfam und deren Kampf gegen Armut mit der Forderung nach einer Transaktionssteuer erbeten haben, sind noch mehr wirre Gedanken im Kopf. An wen und was soll man denn noch alles denken?

Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß. Foto: Marcus Simaitis
Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß. Foto: Marcus Simaitis © Marcus Simaitis | Marcus Simaitis

Gut, dass dann gegen kurz nach 20 Uhr mit dem Rapper und Beatsteaks-Freund Dendemann aus Menden die Musik beginnt. Doch das ist nichts im Vergleich zum Orkan, den die Beatsteaks gleich zu Beginn ihrer zweistündigen Sause entfachen. Sitzplatz-Inhaber stehen, im Innenraum tobt der Bär. Die Berliner feuern gleich mal mit ihrem punkigen Alternative-Rock aus allen Rohren. Die drei Gitarrenspieler plus Bass und Schlagzeuger haben die volle Aufmerksamkeit, wobei nach der Vorgeschichte schon klar ist, dass zutreffende Überschriften wie „Beatsteaks bringen Westfalenhalle zum Beben“ derzeit tabu sind.

Umso angenehmer, dass sich der Fokus zum allergrößten Teil auf die Musik richtet. Eine große „Boombox“-Schallplatte auf riesiger Leinwand als Bühnen-Hintergrund und solide Lichtelemente deuten an, dass der Rock wichtiger ist als die Show. Die Welle kreist schon früh, krachende Gitarrenriffs und die sehr belastbare Stimme von Sänger Arnim Teutoburg-Weiß sorgen für ein durchgehendes Spektakel in einer gewissen Schlichtheit. Laute Beatsteaks-Rufe sowie ein paar Ruhrpott- und BVB-Anspielungen heizen all das weiter an. Zwischenfazit von Frontfigur Arnim: „Hey Leute, das ist hier unglaublich!“

Schlicht und in schwarz-weiß

Nach 45 Minuten fällt zur ersten Bandvorstellung der Schallplatten-Vorhang. Auf der riesigen dunklen Fläche erscheinen dann, sehr dosiert eingesetzt und daher umso wirkungsvoller, Schwarz-weiß-Bilder vom aktuellen Konzert. Eine Kamera filmt das Geschehen ins Publikum hinein, Musikern und Meute macht das Spaß. Hardcore-Klänge mit Augenzwinkern. Ein echtes Brett. Zwei 1Live-Kronen als bester Liveact plus eine MTV-Auszeichnung sprechen Bände.

Nörgler könnten mit Recht einwenden, dass es musikalisch Anspruchsvolleres als Beatsteaks-Werke gibt. Immerhin hat sich die Band durch „Boombox“ (Krachschachtel) weiter entwickelt, zum rotzigen Party-Sound gesellen sich nun durch das neue (6.) Album auch abwechslungsreichere Passagen, etwa mit Ska- oder britischen Pop-Elementen. Das merken die treuen Fans auch live. Sicher, da steht laut und nochmals laut im Vordergrund, aber hier und da wird es melodiös, poppig, ja balladesk. Vereinzelt kommt das Klavier zum Einsatz, hochwertige Gitarrensoli wiederum sind selten. Neben neuen Erfolgen von „Milk & honey“ sorgen natürlich die alten Gassenhauer wie „Hand in hand“, „Jane became insane“, „Cut off the top“ oder das abschließende „I don’t care as long as you sing“ für Jubelstürme.

Reminiszensen

Und wer Reminiszensen an die Beatles („All we nee dis love“), Paul Anka („Put your hands on my shoulder“), White Stripes („Seven Nations Army“), The Kinks („Sunny afternoon“), Pet Shop Boys oder Nirvana im Programm hat, kann mehr als populistisches Ohohoho und Schalalala. Gar lustig wird es, wenn ein Skelett auf der Videoleinwand zu „One more time“ tanzt. Wobei die traditionelle Aufforderung zum Hinsetzen und kollektiven Aufspringen bei „Let me in“ schon ein besonderes Stilelement bleibt. Ruhige Passagen in einer Vollgas-Veranstaltung runden bei den Beatsteaks eine vorzügliche Fete ab.

Was eine gute Party ausmacht? Passende Mucke, Authentizität und eine verschworene Fangemeinde. All das bieten die Beatsteaks, garniert mit markanten Sprüchen wie „Jetzt fliegt hier gleich das Dach weg!“ Das blieb drauf, als nach zwei Stunden wie im Kino ein Abspann der beteiligten Leute lief und die Beatsteaks als selbsternannter „demütiger Gast“ die ausverkaufte Westfalenhalle verließen. Wie viele gute Partys endete auch diese viel zu früh.