Dortmund. 15 Jahre nach dem Handgranaten-Attentat von Syburg begann am Donnerstag im Dortmunder Landgericht der Prozess gegen den mutmaßlich letzten und sechsten "Syburg-Attentäter". Zwei Menschen starben, einer wurde schwerverletzt.

Da sage noch einmal jemand, Justitias Mühlen mahlen nicht gründlich: Nach 15 Jahren sitzt seit gestern auch der letzte der sechs „Syburg-Attentäter” auf der Anklagebank. So jedenfalls sieht es Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper, der dem 42-jährigen Salem K. Mord in zwei Fällen und Herbeiführen einer Sprengstoff-Explosion vorwirft. Zwei Polen starben, ein dritter wurde schwerverletzt, als am 15. Mai 1995 im Wannebachtal eine Handgranate in den roten Golf der Polen krachte: Blutiger Höhepunkt eines Bandenkrieges um Zigarettenschmuggel.

Ein in jeder Hinsicht atemberaubender Prozess, der noch bis Ende August vor dem Schwurgericht terminiert ist: Allein die Tatsache, dass die wichtigsten Zeugen lebenslange Gefängnisstrafen absitzen. Auf einen besonders brutalen, rechtskräftig verurteilten Täter des Syburg-Attentats muss die Kammer allerdings verzichten: Norman Franz, der am meisten gesuchte Schwerverbrecher Deutschlands, ist auch nach elf Jahren noch immer auf der Flucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Franz hatte damals jenen dritten Polen, dem zunächst zu Fuß die Flucht gelang, in seinem BMW verfolgt und gnadenlos mehrmals in den Kopf geschossen.

In jenem BMW, so sagte ein weiterer Täter gestern als erster Zeuge, habe auch der Angeklagte Salem K. gesessen. Er selbst habe den Honda gefahren, aus dem Bandenchef Christian K. die Handgranate warf. Zu der Rolle des Angeklagten Salem K. könne er nicht viel sagen. Allerdings: Dass der mutmaßliche sechste Mann nicht wusste, was in jener Mainacht im Wannbachtal geplant war, diese Unschuldsbeteuerung machte der Zeuge schnell zunichte: „Wir haben uns vorher alle in Franz' Wohnung getroffen.” Und es sei klar gewesen. „Die Polen sollten sterben.” Bandenchef Christian K. habe allen klargemacht, dass jetzt Schluss sein müsse mit den Drohungen und Geldforderungen der Polen. Handgranate, Kalaschnikow und Pump-Gun seien in eine Sporttasche gesteckt worden - so, wie andere Leute ihre Turnschuhe verstauen.

Ein in jeder Hinsicht ungewöhnlicher Prozess: Wurde doch Salem K., der gleich nach der Tat nach Marokko flüchtete, in seiner Heimat vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Eine Neuauflage in Dortmund verstoße daher gegen das Völkerrecht, so Verteidiger Dr. Ralf Neuhaus. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Wolfgang Meyer angemerkt, „dass damals in Marikko anscheinend keine Zeugen gehört wurden”. Zur Festnahme von Salem K. führte übrigens dessen Sorge um die schwangere Frau und sein Baby. Die Frau wurde zur Behandlung in eine Dortmunder Klinik geschickt. Um ihr beizustehen, sei er von Marokko aus durch die Wasserstraße von Gibraltar nach Spanien geschwommen, so Anwalt Dr. Neuhaus. In Deutschland klickten dann die Handschellen. Mutter und Sohn sind übrigens wohlauf: Das vier Wochen alte Baby schlummerte gestern im Prozess friedlich in Mamas Arm.