Dortmund. In Dortmund ist ein syrischer Flüchtling in den Hungerstreik getreten. Weitere wollen folgen. Neonazis störten die Proteste - es gab Festnahmen.
Mehr als 100 syrische Flüchtlinge demonstrieren seit Dienstagmittag vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Dortmund für schnellere Asylverfahren. Ein syrischer Journalist ist in einen Hungerstreik getreten. Neonazis wollten den Protest am Abend stören, fünf wurden festgenommen. Unterstützer der Flüchtlinge versorgen die Männer mit Wasser und wärmenden Decken.
"Wir sind vor der Hölle geflüchtet", berichten die Männer, die von Bomben, Tod, Haft, Folter, Krieg und Zerstörung sprechen. Unter ihnen sind Ärzte, Ingenieure und Arbeiter. "Vor dem Krieg lebten 25 Millionen Menschen in Syrien", berichtet etwa Nedal Alsay (31), "12 Millionen befinden sich innerhalb des Landes auf der Flucht. 5 Millionen haben Syrien bereits verlassen - und es werden immer mehr, die fliehen müssen." Mit jedem Wort, dass der Syrer über seine Heimat verliert, ist die Verzweiflung zu spüren.
Demonstration für schnelleren Familiennachzug
Mit ihrer Demonstration in Dortmund wollen die Syrer erreichen, dass ihre noch in der Heimat weilenden Familien schnell nachfolgen dürfen. Am Dienstagnachmittag gab es ein etwa zwei Stunden dauerndes Gespräch zwischen dem BAMF und den Demonstranten. Die Polizei hatte vermittelt. Gegen 20.15 Uhr tauchten plötzlich rund 20 Neonazis auf. Laut Polizeisprecherin Amanda Kolbe gab es fünf Festnahmen von Neonazis, die sich nach ersten Erkenntnissen einem angeordneten Platzverweis widersetzt hatten. Kolbe: "Gegen solche Hetze vor Ort geht die Polizei entschlossen vor. Wir lassen es nicht zu, dass Menschen, die unsere Hilfe benötigen, mit Nazimethoden eingeschüchtert werden."
Bei einem der festgenommenen Neonazis handelt es sich um Michael Brück, der für die Partei Die Rechte im Rat sitzt. Das zeigen Bilder vom Dienstagabend. Die Polizei äußert sich nicht zu Personalien - nur soviel lässt eine Sprecherin mitteilen: Aus dem Polizeigewahrsam wurden die fünf Neonazis erst am Morgen wieder entlassen.
Syrischer Journalist im Hungerstreik
Unter den Demonstranten ist auch der 52-jährige syrische Journalist Majed Murshed. Im September 2014 musste er vor dem syrischen Geheimdienst fliehen. Seit der Revolution vor über 30 Jahren saß der regierungskritische Journalist bereits viermal im Gefängnis. Majed Murshed ist der Demonstrant, der den ersten Hungerstreik begonnen hat. Aktuell ernährt er sich nur von Flüssigkeiten.
In Freiheit arbeiten konnte der Zeitungs-Journalist in seiner Heimat nicht mehr. Jetzt arbeitet er von Deutschland aus als Editor. Nachrichten verbreitet der 52-Jährige per Internet. Fadi Khatib, ein Sprecher der Flüchtlinge, geht davon aus, dass alsbald weitere Demonstranten in den Hungerstreik treten werden, nachdem ein Gespräch mit Mitarbeitern des BAMF aus Sicht der Demonstranten negativ verkaufen sei. Die Mitarbeiter hätten zwar Verständnis gezeigt, aber keine Auswege angeboten. Ursprünglich sollte ein Hungerstreik erst nach sieben Tagen in Erwägung gezogen werden.
Unterdessen sagte der Sprecher des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Dr. Mehmet Ata, das Amt könne auf die politischen Forderungen der Flüchtlinge nicht reagieren, weil es nur Richtlinien umsetze, aber nicht selbst schreibe. Er bittet die Demonstranten, das beschleunigte Asylverfahren zu akzeptieren.
NRW-Innenminister Jäger stimmt Flüchtlingen zu
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger sagte am Mittwochabend, dass die Demonstranten die "viel zu langen Asylverfahren völlig zu Recht" kritisieren würden. Der Berg der nicht entschiedenen Verfahren beim Bundesamt werde immer größer. Aktuell seien es 220.000 - "mit steigender Tendenz". Im Mai seien es noch 170.000 gewesen. Der Bund müsse als "Herr des Verfahrens eine Schippe drauf legen". Die Flüchtlinge aus Syrien bräuchten "schnell Klarheit über die Perspektiven bei uns."
Der Innenminister verurteilte die Hetze der Nazi-Partei "Die Rechte" am Dienstagabend vor dem Demo-Camp. Er sprach von "Rattenfängerei", "Rassismus" und "Fremdenfeindlichkeit". Die Agitation gegen die Demonstranten sei abscheulich. Polizeipräsident Gregor Lange sagte am Mittwoch, dass die Syrer unter dem Schutz der Polizei stünden. Flüchtlingssprecher Fadi Khatib: "Es ist schon ungewöhnlich. Die Polizei in unserer Heimat würde uns töten. Die Polizei in Deutschland schützt uns."
Gespräch zwischen Flüchtlingen und Behörde blieb fruchtlos
Nach einem weiteren Gespräch mit Vertretern des BAMF zeigten sich die Flüchtlinge am Mittwochabend nicht zufrieden. Es gebe seitens des Bundesamts überhaupt keine Bemühungen, die Verfahren zu verkürzen. Es heiße immer nur, man könne nichts für sie tun, berichten die Syrer.
Die Demonstration war zunächst auf sieben Tage befristet - jetzt sprechen die Flüchtlinge von einem unbefristeten Protest. Derzeit befindet sich ein syrischer Journalist im Hungerstreik. Bewegt sich das BAMF weiterhin nicht, wollen am Donnerstag oder Freitag die nächsten 25 Flüchtlinge in Hungerstreik treten. Die Menschen scheinen fest entschlossen.