Schermbeck. In Schermbeck wurde ein Tier mit einem abgetrennten Bein gesichtet. Experten prüfen, ob es sich um einen Wolf handelt. Nabu erstattet Anzeige.

Ein schwer verletztes Tier ist am Donnerstag, 21. November, gegen 10.30 Uhr zwischen Schermbeck und Erle gesichtet worden. Schon sehr geschwächt und auf drei Beinen humpelnd, bewegte sich das Tier über eine Weide. Es fehlt ihm der rechte Vorderlauf. Nach ersten Einschätzungen könnte es sich um einen Wolf handeln. Ein Video, das von Schermbeck-Online auf der Video-Plattform YouTube veröffentlicht wurde, zeigt den vermeintlichen Wolf:

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Wolf in Schermbeck? Experten untersuchen das Video

„Die Bilder und Videos des verletzten Tieres seien bereits bei den zuständigen Stellen eingegangen“, erklärte Wilhelm Deitermann, Pressesprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Die Analyse der Aufnahmen wird derzeit durch das Lupus-Institut unterstützt, das bundesweit auf die Untersuchung und Bewertung von Wolfsnachweisen spezialisiert ist. „Hier gibt es ein bundesweites Monitoring zum Auswerten der Bilder“, erläuterte Deitermann. Ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt, könnte erst nach einer gründlichen Prüfung geklärt werden.

Die Beobachtungen werfen jedoch die Frage auf, ob ein Eingreifen durch den Menschen gerechtfertigt wäre, um das Tier von seinen Schmerzen zu erlösen. Deitermann verwies auf die ethischen Überlegungen, die in solchen Fällen relevant seien: „Sollte der Mensch für das Leid eines wilden Tieres verantwortlich sein, gibt es die moralische und ethische Pflicht, diesem Tier Hilfe zu leisten.“ Allerdings sei eine eindeutige Entscheidung in diesem Fall schwierig, da Wölfe unter besonderem Artenschutz stehen und rechtliche sowie ökologische Aspekte berücksichtigt werden müssten.

Deitermann verwies in diesem Zusammenhang auf das Prinzip der Wildnis, das als Leitlinie für den Umgang mit Wildtieren dient. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass auch Wildnis grausam sein kann, wenn wir lernen, Wildnis auch wieder Wildnis sein zu lassen.“ Eingriffe des Menschen sollten grundsätzlich sein, da die Natur ihre eigenen Mechanismen hat, mit solchen Situationen umzugehen.

Kritik seitens der Jäger im Kreis Wesel: Können Wolf nicht erlösen

Eine andere Perspektive auf den Vorfall bietet Werner Schulte, stellvertretender Vorsitzender der Kreisjägerschaft Wesel. Schulte äußerte deutliche Kritik an der rechtlichen Situation: „Wenn der Wolf im Jagdrecht wäre, dann wären wir als Jäger verpflichtet, dieses Tier nachzusuchen und zu erlösen.“ Aber da der Wolf dem Naturschutzrecht unterliegt, haben wir als Jägerschaft keine Handhabe.“ Schulte zog einen Vergleich zu Verkehrsunfällen mit Wildtieren. In solchen Fällen sind Jäger gesetzlich verpflichtet, verletzte Tiere zu erlösen, andernfalls drohen Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftatbestände nach dem Tierschutzrecht.

Beim Wolf sei die Situation jedoch anders, da weder Jäger noch Polizei das Recht hätten, einzugreifen. Dies führe zu einem „Krux und Zwiespalt“ sowie erheblichem Verwaltungsaufwand, so Schulte.

Nabu-Verbände erstatten Anzeige: Keine natürliche Verletzung

Die drei Nabu-Verbände Kreis Wesel, Bottrop und Borken vermuten hinter der Verletzung des Tieres eine Straftat und haben nach eigenen Angaben die Zentralstelle für Umweltkriminalität in NRW bei der Staatsanwaltschaft Dortmund eingeschaltet. Das Video halten die Naturschützer für echt, für sie ist auch klar, dass es sich um einen Wolf handelt. Die Verstümmelung sei „eine schwere, möglicherweise final tödliche Verletzung, die kaum natürlichen Ursprungs sein kann“, wird Martin Frenk vom Nabu Borken zitiert. Die Vermutung: Das Bein könnte durch eine Schlagfalle oder einen Schuss abgetrennt worden sein. „Da hier wahrscheinlich eine Straftat vorliegt, haben wir den Vorfall den Behörden angezeigt.“ 

Die Nabu-Verantwortlichen erinnern daran, dass bereits mehrere Tiere als verschollen gelten. Von inzwischen fünf Wölfen fehle jede Spur. Erwachsene Wölfe hätten laut Leibniz-Institit für Zoo und Wildtierforschung eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 88 Prozent. „Und nun sollen fünf Tiere innerhalb von zwei Jahren in Schermbeck und Umgebung verschollen sein?“. Rolf Fricke vom Nabu Bottrop: „Auch wenn Nachweise schwer und Dunkelziffern hoch sind: Die Behörden dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen. Insbesondere im vorliegenden Fall erwarten wir eine konsequente Untersuchung des Geschehens.“

Wolfsriss bestätigt

Zuletzt waren es Aufnahmen eines Wolfes, der über einen den Auflagen entsprechenden Zaun springend gefilmt wurden, die auch über die Grenzen Schermbecks hinaus für Furore sorgten. Dass es sich bei dem gefilmten Tier zweifelsfrei um einen Wolf handelt, hat das NRW-Umweltministerium mittlerweile bestätigt. Von dem bisher empfohlenen Herdenschutz, beispielsweise einem Elektrozaun mit einer Mindesthöhe von 120 Zentimetern, weicht das Ministerium nach dem Video mit dem spielerischen Sprung über den 140 Zentimeter hohen Zaun in Schermbeck nicht ab. Auch Risse von Nutztieren sollen auf das Konto der großen Raubtiere gehen.