Bottrop. Von Bottrop über Los Angeles zu Astro TV: Wie Natascha Elliott als Kartenlegerin ihre Berufung fand und was die Beratung bei ihr kostet.

Aufgewachsen ist Natascha Elliott bei ihren Großeltern in der Bottroper City. Mit Kräutern fing alles an, sagt die heute 55-Jährige. Welcher Tee hilft wogegen? Ihre Großmutter hatte immer etwas Passendes in der Hausapotheke. Später weiht sie ihre Enkelin auch in die Wirkkraft der Steine ein. „Dass meine Oma auch ein hellsichtiges Medium war, wurde mir erst später klar.“

Elliott machte daraus ihre Profession. In ihren Worten sei ein Medium eine Person mit einem sehr guten Bauchgefühl, einem Gespür für das Unterbewusstsein des Gegenübers. „Hellsicht, Intuition, man kann dem Kind verschiedene Namen geben. Mein Gefühl, meine Intuition trügt mich in der Regel nicht.“ Im angelsächsischen Raum, aus dem viele ihrer Klienten stammten, denke man bei einem Medium vor allem an eine Person, die Jenseitskontakte ermöglicht. „Ich mache das aber nicht so wirklich gerne, das ist nicht so meins.“ Elliott bevorzugt die Arbeit mit Unterstützung der Karten und das nun schon seit über 35 Jahren.

Von Bottrop nach Los Angeles und zurück

Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Ihr erster Berufswunsch war Maskenbildnerin, doch ihrer Familie fehlte das Geld für die kostspielige Ausbildung. 1989 ging sie für zwei Jahre nach Los Angeles, arbeite dort zunächst als Nanny und lernte viele Menschen aus der New-Age-Bewegung kennen. In Kalifornien, sagt Elliott, sei man damals schon viel weiter gewesen als in Deutschland: Esoterik-Läden an jeder Ecke; zum Medium gehen, sei dort so normal gewesen, wie heute zum Psychotherapeuten. 1991 kehrte sie als ausgebildete spirituelle Beraterin zurück nach Deutschland.

Sich damit selbstständig zu machen, war ihr da noch zu heikel. Undenkbar sei das Anfang der 90er-Jahre gewesen. So absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau, in Recklinghausen führte sie ihr eigenes Reisebüro. Das Kartenlegen machte sie nebenher weiter. Im Büro beriet sie zu Reisezielen, nach Ladenschluss zu Lebenszielen. Mehrere Aus- und Weiterbildungen, etwa zur Edelstein-, oder zur Bachblütenberaterin, sollten folgen. Dem Reisebüro kehrte sie den Rücken und verlegte sich ganz auf ihr Steckenpferd.

Von der Schulwahl der Kinder bis zu Finanzfragen

Sie sei eben einfach eine „Kartenpletsch“. Darüber, wo ihre Intuition herkommt und warum die Karten ihr dabei den Weg weisen, denkt Elliott weniger nach. „Ich bin sehr pragmatisch, ich bin ja ein Wassermann. Ich muss nicht wissen, wie mein Auto funktioniert, so lange Sprit drin ist und es fährt.“ In 80 bis 90 Prozent der Fälle, sagt sie, liege sie mit ihrem Gefühl richtig – so das Feedback ihrer Klienten.

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Manche suchen Rat bei der Suche nach der richtigen Schule für die Kinder, andere können sich nicht entscheiden, ob sie die neue Stelle annehmen sollen, wieder andere fragen sich: Kommt er oder sie zurück zu mir? Liebe, Beruf, Finanzen, das seien immer noch die Klassiker, sagt Elliott. Dass sie in die Zukunft sehen könne, geht ihr nicht über die Lippen, es seien „Lösungshinweise und Lösungsansätze“, die sie liefern könne. Klingt wie Coaching. Wozu braucht es dann eigentlich noch die Karten?

„Manchmal sage ich Dinge, die liegen gar nicht vor mir in den Karten“

„Viele meiner Klienten würden niemals zum Psychologen gehen oder zu einem Coach, aber sie gehen zu einer Kartenlegerin. Dort bekommen sie dann die Unterstützung, die sie woanders nicht kriegen würden, weil da eine Hemmschwelle ist.“ Vielfach sei das Kartenlegen zweitrangig und eher ein Mittel, um ins Gespräch zu kommen. „Manchmal sage ich Dinge in Beratungen, die liegen gar nicht vor mir in den Karten, die kommen aber so raus und dann treffen sie auch zu.“

Das Kartenlegen wurde erstmals im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts populär. Die Aufklärung konnte der vermeintlichen Technik zur Erstellung von Zukunftsprognosen nichts anhaben: Säkularisierung, Schulreformen, der Aufstieg empirischer Wissenschaft, alle Fortschritte der Medizin und die Erfindung der Psychotherapie auch nicht.

Kartenlegen funktioniert auch im Videochat

Lange Jahre empfing Elliott ihre Klienten bei sich zu Hause. Während der Coronapandemie hat sie auf Web-Beratungen umgestellt, seitdem findet ihre Beratung im Videochat statt, auf Englisch, Deutsch, Spanisch oder Niederländisch. Ihre Kunden kommen aus Großbritannien, den Niederlanden, aus Griechenland, Spanien und den USA. Eine Beratungsstunde kostet bei ihr 85 Euro.

Einen Namen gemacht hat sich Elliott auch als Beraterin beim Fernsehsender Astro TV, der in diesem Jahr angekündigt hat, seinen Sendebetrieb zum Jahresende einzustellen. An den Start gegangen ist Astro TV vor 20 Jahren. Ein Jahr später wurde Elliott gefragt, ob sie im Düsseldorfer Zweitstudio Sendungen übernehmen wolle. Die Freiberuflerin, noch am Anfang ihrer Karriere, sagte zu. Zwei Jahre legte sie im Fernsehstudio Karten, dann hatte sie genug. Gelohnt hat sich ihre relativ kurze TV-Karriere allemal; immer noch, sagt Elliott, würden sie Menschen auf der Straße erkennen.

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„Meines Wissens nach wird niemand gezwungen dort anzurufen“

Anfangs sei die Atmosphäre gut gewesen. „Da war es nicht so, dass die Berater dort unter der Decke geschwebt haben“, sagt Elliott. Dann habe man angefangen, ihr in die Arbeit hereinzureden, ganz buchstäblich, per Knopf im Ohr. Wenn man ihr erzählen wolle, wie sie beraten soll, dann mache sie da nicht mit. „Als ein gewisser Herr dann anfing, in seinem Zigarettenrauch zu lesen, einfach weil er im Studio Rauchen wollte, da war für mich endgültig Schluss.“

Kritiker haben den Sender unter anderem manipulative bis betrügerische Praktiken vorgeworfen. Die kostspielige Telefon-Beratung sei inhaltlich vage, Notlagen und Suchtveranlagungen der Anrufer seien bewusst ausgenutzt worden. Einzelne sollen sich binnen eines Jahres im sechsstelligen Bereich verschuldet haben. Damit konfrontiert sagt Elliott: „Meines Wissens nach wird niemand gezwungen dort anzurufen. So wie niemand gezwungen wird in eine Spielhalle zu gehen – und die gibt es in großer Anzahl überall.“

Sie habe auch nie „irgendwelche ominösen Produkte“ beworben. Wer sie dauerhaft um Rat fragt und keine Entscheidung mehr allein treffen will, werde von ihr bewusst abgeblockt: „Je öfter die Person anruft, umso schwammiger werde ich in der Beratung. Ich kann Menschen Entscheidungshilfen geben, die Entscheidungen treffen müssen die Ratsuchenden eigenständig.“

„Bei gewissen Krankheiten geht es nicht ohne Schulmedizin“

Normalerweise pflegt die 55-Jährige eine durchaus klare Sprache. „Von diesen Wallawalla-Esoterikern haben wir genug“, sagt sie. Bis 2020 hat sie zehn Jahre lang die Fachmesse „Spirit und Life“ im Revier organisiert. Nicht jeder Aussteller sei von ihr zugelassen worden. Wenn zum Beispiel jemand versprach, mit Kräutern Krebs zu heilen. Völlig unverantwortlich sei das. „Bei gewissen Krankheiten geht es nun mal nicht ohne Schulmedizin.“

Sie selbst habe sich auch schon einiges anhören müssen. „Wie alle Leute in dem Bereich, bekomme auch ich Anrufe, bei denen man mit unterdrückter Nummer beschimpft wird.“ Begegnet sie Klienten auf der Straße, grüßt sie grundsätzlich nicht zuerst, zum Schutz ihrer Klienten. Muss ja nicht jeder wissen, dass die zur „Kartenpletsch“ gehen. Letztlich sei es der Erfolg, der ihr Recht gebe: „Ich mache das seit über 30 Jahren hauptberuflich. Das könnte ich nicht, wenn das alles Humbug wäre.“