Bottrop. Synthetische Cannabinoide können „ein Angriff auf Körper und Seele“ sein, sagt die Bottroper Suchttherapeutin Melanie Küppers.

  • Synthetische Cannabinoide in Vapes: Unter Jugendlichen soll „Baller-Liquid“ auch in Bottrop an Beliebtheit gewinnen.
  • Welche Gefahren für Körper und Seele können von „Baller-Liquid“ oder „Görke“ ausgehen?
  • Eine Suchttherapeutin und eine Sozialpädagogin aus Bottrop geben Tipps, um seriöse Hersteller für CBD-Liquid zu erkennen.

Synthetische Cannabinoide zum Vapen tragen viele Namen: „Görke“, „Baba-Liquid“ oder „Django-Liquid“. In Bottrop heiße es vor allem „Baller-Liquid“. Die Suchttherapeutin Melanie Küppers und Sozialpädagogin Edina Islamović von der Jugendhilfe Bottrop e. V. klären über die Risiken und Hintergründe auf und geben Einblicke in die Situation vor Ort.

„Görke“, „Baller-Liquid“, „Baba-Liquid“, „Django-Liquid“: Die Gesundheitsrisiken

Man könne in der Notaufnahme landen, es habe bundesweit auch schon ein paar Tote gegeben, sagt Melanie Küppers zur Gefahr des Liquids. Betroffene können Halluzinationen, starkes Schwitzen, Panikattacken, Angstzustände, Herzrasen, Kreislaufprobleme oder Ohnmacht erleben. Es könne ein „enormes Risiko“ darstellen und „ein Angriff auf Körper und Seele“ sein, beschreibt die Suchttherapeutin die Nebenwirkungen.

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Besonders heftig sei der Rausch, wenn die Konsumenten nicht wüssten, worauf sie sich einlassen. „Manche suchen nur die entspannende Wirkung von CBD und wissen nicht, was sie versehentlich konsumieren.“ Der Schock über den plötzlichen, heftigen Rausch sitze dann umso tiefer. „Die Menschen, die nur CBD konsumieren wollen, sind wachsam“, sagt Sozialpädagogin Edina Islamović. Doch auch unter denen, die mit dem „Baller-Liquid“ bewusst eine psychoaktive Wirkung suchen, gebe es einige, die sich über den erlebten Kontrollverlust sehr erschrecken, erzählt sie.

Sozialpädagogin Edina Islamović von der Jugendhilfe Bottrop e.V.
Sozialpädagogin Edina Islamović unterstützt bei der Jugendhilfe Bottrop e. V. vor allem pädagogische Kräfte im Umgang mit dem Suchtverhalten junger Menschen. © WAZ | Alna Hammer

Unseriöse Hersteller von eigentlich legalen CBD-Liquids würden sich mit Beimischungen das teure CBD einsparen. „Die Idee ist, mit sehr günstigen Mitteln eine Substanz herzustellen, die Cannabis ähnlich ist“, erklärt die Sozialpädagogin Edina Islamović. Synthetisch hergestellte Drogen seien jedoch wesentlich schwerer für Verbraucher einzuschätzen. Zudem wisse man nicht, welche Substanzen noch beigemischt sind: „Das sind viele unbekannte Variablen“, sagt sie im Bezug auf die Wirkung. „Wenn du den einen Rohstoff nicht bekommst, nimmst du halt einen anderen“, ergänzt ihre Kollegin Küppers.

Die Lage in Bottrop: „Baller-Liquid“ ist die „Lebensrealität junger Menschen“

„Es ist da und die Lebensrealität von jungen Menschen. Besonders die sind empfänglich, die für wenig Geld viel erleben wollen“, sagt Melanie Küppers. Selbst die Drogenberatungsstelle wisse oft nur zeitverzögert über neue Entwicklungen in Bottrop Bescheid: „Es braucht Menschen, die Probleme nicht nur entdecken, sondern auch bereit sind, darüber zu sprechen“, sagt Küppers. Häufig kämen Menschen erst zur Beratung, wenn die Lage schon ernst sei.

Besonders im Norden Deutschlands sollen synthetische Cannabinoide unter dem Namen „Görke“ bei Jugendlichen sehr beliebt sein. Die Polizei im niedersächsischen Oldenburg warnte in einer Pressemitteilung vor den Liquids, die in handelsüblichen Vapes konsumiert werden können. Bei der Polizei in Recklinghausen sind bis Anfang November keine Bottroper Fälle in Zusammenhang mit der Substanz bekannt.

Melanie Küppers von der Jugendhilfe Bottrop e.V.
Suchttherapeutin Melanie Küppers von der Jugendhilfe Bottrop e. V. will über die Situation mit synthetischen Cannabinoiden aufklären. © WAZ | Alina Hammer

Synthetische Cannabinoide: Was an dem „Baller-Liquid“ wirklich neu ist

An sich seien synthetische Cannabinoide nichts Neues: Bereits in den 1960ern sei es als Arzneimittel eingesetzt worden und später in den 2000ern es als „Spice“ bekannt gewesen, erklären die beiden Frauen. Neu sei jedoch der Konsum in Vapes. Damit sei der Genuss unauffällig.

Außerdem sei es „clean und einfach“: kein Dealer oder umständliche Vorbereitungen. Der Trend zum Vapen und die günstige Anschaffung würden die neue Konsumform beliebt machen, sagt Melanie Küppers. Ihre Kollegin ergänzt: „Man kann es überall und ständig tun“ und „Das Inhalieren an sich hat grundsätzlich einen beruhigenden und stimulierenden Effekt.“ Zudem gebe es „leckere Geschmacksrichtungen.“ „Es gibt einen Markt für Vapes, damit wird gespielt,“ so Islamović.

„Dass Jugendliche sich ausprobieren und sich von Erwachsenen abgrenzen wollen, gehört zur normalen Entwicklung und hat es schon immer gegeben“, will Suchttherapeutin Küppers die Situation einordnen. „Was in der Gesellschaft los ist, zeichnet sich im Konsum von Substanzen ab“, sagt Islamović und bringt Leistungsstress, Angst vor der politischen und ökologischen Lage sowie die Nachwirkungen der Corona-Pandemie als aktuelle Treiber an. Die Jugendlichen würden etwas nachholen oder einfach abschalten wollen.

Legale CBD-Liquids kaufen: Wie erkenne ich seriöse Hersteller?

CBD-Liquid sei an sich legal und nicht berauschend, solange der enthaltene THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liege, klärt Islamović auf. Da Substanzen natürlichen Ursprungs wesentlich teurer seien als die synthetische Alternative, nennt Edina Islamović als erstes Kriterium den Preis: Wenn das Produkt „verdächtig günstig“ sei, handle es sich wahrscheinlich um ein „Fake-Liquid“.

CBD-Liquids für die Vape kaufen: So finden Sie seriöse Anbieter. (Symbolbild)
CBD-Liquids für die Vape kaufen: So finden Sie seriöse Anbieter. (Symbolbild) © dpa | Moritz Frankenberg

Sehr wichtig – die Transparenz: Gibt es einen (virtuellen) Beipackzettel? Dieser über die Laborwerte des Produktes, das dazugehörige Labor und das Veröffentlichungsdatum der Ergebnisse aufklären. Findet man ihn nicht vor, könne man beim Hersteller nachfragen: „Ein seriöser Hersteller hat Interesse daran, transparent und zugänglich zu sein“, sagt die Sozialpädagogin. Bei den Laborwerten sollten Konsumenten darauf achten, dass gesetzliche Vorgaben wie der THC-Höchstgehalt von 0,2 Prozent eingehalten werden. Ein weiterer Tipp der Jugendhilfe Bottrop e. V.: Mit anderen sprechen oder sich in Shops beraten lassen. Der Austausch helfe zum Beispiel, angemessene Preise besser einschätzen zu können.

Neugier, Fragen und Probleme: Wo sich Jugendliche informieren können

Die beiden Frauen empfehlen die Website mindzone.info, um sich zu informieren. Dort fänden sich unter anderem Hinweise zu „Safer-Use“ aller möglichen Drogen. „Wenn du es schon machst, dann mach es sicher“, fasst Islamović das Prinzip zusammen.

„Wir sind Teil eines guten Netzwerks, das Jugendliche trägt und ihnen hilft“, findet Küppers und meint damit zum Beispiel die Jugendzentren, Wohngruppen oder die Frauenberatung. Ihre Kollegin Edina Islamović fasst es so zusammen: „Wir wollen ein Netz spannen, damit, falls ein junger Mensch fällt, er aufgefangen wird.“ Die Frauen betonen aber auch, dass dieses Netz immer wieder und weiter gespannt werden müsse.